Orson Hyde – Ein Ruf aus der Wüste (1842)


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Zweites Kapitel.

Ueber die Uebersetzung dieser heiligen Urkunden in die englische
Sprache, sowie auch eine kurze Aufzählung der Gegenstände, welche
sie enthalten.


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      Nachdem es bekannt geworden war, daß Joseph
Smith himmlische Erscheinungen gehabt hatte, und daß
ihm die Kenntniß der heiligen Urkunden gewährt wor-
den war, fingen viele an, darüber zu spotten, und diese
Idee lächerlich zu machen. Andere waren geschäftig,
niedrige Verläumdungen und Falschheiten gegen ihn in
Umlauf zu bringen; manche waren geneigt ihn mit
Gewalt zu behandeln, und wieder andere glaubten und
waren verlangend, mehr zu sehen und zu hören. In
der That, es brachte eine solche Aufregung in dem
Volke hervor, gleich jener in Jerusalem, als Christus
geboren ward, wovon gesagt worden: »Herodes erschrack
und ganz Jerusalem mit ihm.« —

      In Folge dieser grossen Aufregung denn fand
Joseph Smith es geeigneter, mit seinem Weibe, das
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er kurz vorher geheirathet hatte, in die Nähe seines
Schwiegervaters hinzuziehen in den Staat Pennsylvania
an die Ufer des herrlichen Jusquehannah - Flusses. Ehe
er Palmyra verließ, ward zu verschiedenen Malen
nach ihm geschossen, er entkam aber immer unbeschädigt
durch göttliche Fügung. Jedoch einmal ward er von
zwei Männern so heftig mit Knütteln geschlagen, daß
er noch bis zu diesem Tage die Spuren davon an sei-
nem Körper trägt. Die öffentlichen Blätter fingen an
zu grübeln, zu vermuthen und zu fragen, was wohl
der Endschluß des Ganzen werden soll.

      Nachdem er sich also eine Heimath in diesem Theile
des Landes verschafft hatte, fing er an, die Urkunden
unter der Leitung Gottes und mit Hilfe des »Urim's
und Thummim's,« die schon früher beschrieben wurden,
aus der »reformirten egyptischen« Sprache zu übersetzen.
Da er in der Kunst des Schreibens sehr mangelhaft
gebildet war, so war er genöthigt, einen Schreiber zu
verwenden, der es niederschrieb, so wie es aus seinem
Munde kam.

      In der Zwischenzeit jedoch kopirte Joseph Smith
mehrere Charaktere von dem Originale und übersetzte
sie, welche beide, die Kopie und die Uebersetzung, in die
Stadt New - York gebracht wurden, um dort einem
Manne vorgelegt zu werden, der unter dem Titel eines
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Autors als ein, in allen alten und neuen Sprachen
viel erfahrener Mann bekannt war. Er untersuchte sie
beide, und es ward ihm unmöglich sie zu entziffern;
jedoch meinte er, daß, wenn die Original-Urkunde ge-
bracht würde, er bei deren Uebersetzung behülflich sein
könnte.

      Doch um wieder umzukehren; Joseph Smith fuhr
in seinem Uebersetzungs-Werke so fort, als es ihm seine
pekuniären Verhältnisse erlaubten, bis daß er den
unversiegelten Theil der Urkunden fertig hatte. Dieser
übersetzte Theil ist betitelt: »Das Buch Mormon«,
dessen Inhalt etwas mehr als das neue Testament um-
faßt. In diesem wichtigen und höchst interessanten Buche
ist die Geschichte von »Alt Amerika« zu lesen, von der
dort frühe statt gefundenen Niederlassung einer Kolonie,
welche aus dem Thurme Babylon kam zur Zeit der
Sprachverwirrung bis zum Anfange des fünften Jahr-
hunderts der christlichen Zeitrechnung. Durch diese Ur-
kunden lernen wir, daß Amerika in den alten Zeiten
von zwei verschiedenen Menschen - Raçen bewohnt war.
Die erste, oder ältere Raçe kam direkte aus dem grossen
Thurme und wurden Jarediten genannt. Die zweite
Raçe kam von Jerusalem beiläufig 600 Jahre vor
Christi, und dieß waren Israeliten und besonders Ab-
kömmlinge Josephs. Der erste Völkerstamm, oder Ja-
rediten wurde vertilgt um jene Zeit, da die Israeliten
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von Jerusalem kamen und ihr Land im Besitz nahmen.
Der Hauptzweig des zweiten Stammes verwickelte sich
in Krieg im Anfange des fünften Jahrhunderts der
christlichen Zeitrechnung. Die übrig bleibenden Trümmer
sanken in einem gänzlich uncivilisirten Zustand zurück,
fuhren aber fort, dieß Land zu bewohnen und theilten
sich in eine Menge von Stämmen, welche von den
Europäern »die Amerikanischen Indier« genannt werden.

      Wir lernen auch aus dieser Geschichte des Alter-
thums, daß Gott, als er zur Zeit der Sprachverwirr-
ung die Völker über das ganze Antlitz der Erde ver-
breitete, die Jarediten als ein gerechtes Volk anerkannte
und sie Gnade finden ließ vor seinen Augen, und sie
unvermischt mit andern Völkern erhielt. Und weil sie
gerecht waren, so leitete sie der Herr vom Thurme
Babylon zu dem grossen Ozean, wo ihnen befohlen ward
Schiffe zu bauen, in denen sie die grossen Tiefen des
Meeres überschritten, und an den Ufern Nord-Amerika's
landeten. Gott der Herr versprach ihnen, dieses Land
zu geben als Erbtheil, welches in Seinen Augen ein
auserwähltes Land war. Ueberdieß versprach er ihnen,
sie zu einer grossen und mächtigen Nation zu machen,
so daß keine zweite stärkere zu finden sein sollte auf
dem Anlitze der Erde. Aber Er schwur auch, daß, wer
immer dieß Land der Verheißung besitzen sollte von
dieser Zeit an, Ihm dem einzig wahren, lebendigen
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Gott dienen müße; denn sonst würden sie hinweg ge-
schwemmt werden von dem Erdboden, wenn das Maas
ihrer Ungerechtigkeiten voll wäre.

      Und in gemessener Zeit wurden sie ein zahlreiches,
mächtiges Volk, hauptsächlich Nord-Amerika bewohnend,
und sie bauten grosse Städte in allen Theilen des Lan-
des, und wurden ein civilisirtes und erleuchtetes Volk.
Ackerbau, Manufakturwesen und Handel verbreiteten sich
im Lande, und wurden mit dem besten Erfolge getrie-
ben. Jedoch in Folge ihrer Ungerechtigkeiten wurden
sie oft mit schrecklichen Strafen heimgesucht. Viele
Propheten wurden von Generation zu Generation unter
ihnen erweckt, welche Zeugniß gaben gegen die Boshei-
ten der Menschen, und Strafen und Trübsale prophe-
zeihten, die auf sie warteten, wenn sie sich nicht bekehr-
ten. Oft waren sie von der Pest heimgesucht, und manch-
mal auch mit Hunger und Krieg, bis endlich, (nachdem
sie das Land beiläufig 1500 oder 1600 Jahre lang
bewohnt hatten), ihre Bosheit so groß wurde, daß der
Herr durch den Mund der Propheten drohte, sie von
dem Erdboden zu vertilgen. Allein sie gaben der Warn-
ung kein Gehör; deshalb ward das Wort des Herrn
an ihnen erfüllt, indem sie gänzlich zerstört, und ihre
Häuser und Städte und ihre Besitzthümer öde gelassen
wurden. Ihre Urkunden, welche auf Platten von Gold
gezeichnet waren, und sich in den Händen Ether's, eines
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ihrer letzten Propheten befanden, wurden auf eine Weise
zurück gelassen, daß sie leicht von den Uebriggebliebenen
Joseph's, welche bald nachher von Jerusalem ausgingen
und in dieses Land kamen, um es zu besitzen, aufgefun-
den wurden; und mittelst des »Urim und Thummim«
waren sie fähig selbe zu lesen.

      Diese Uebriggebliebenen Joseph's wurden wunder-
bar aus Jerusalem geführt im ersten Jahre der Regier-
ung Zedekiah's, König von Juda. Erst wurden sie an
das östliche Ufer des rothen Meeres geleitet, wo sie
für einige Zeit an der Küste hinwandelten, und dann
eine südöstliche Richtung einschlugen. Dann lenkten sie
ihren Lauf ostwärts bis sie an das grosse Gewässer ge-
langten, wo sie auf Befehl Gottes ein Schiff bauten,
in welchem sie unbeschädigt über das stille Meer gelang-
ten, und an den westlichen Küsten Süd-Amerika's an-
landeten.

      Im eilften Jahre der Regierung Zedekiah's, um
dieselbe Zeit, wo die Juden gefangen nach Babylon ge-
führt wurden, zogen andere Uebriggebliebene aus von
Jerusalem, deren manche Abkömmlinge Jndah's waren
Diese landeten in Nord - Amerika doch bald nachher
emigrirten sie nach den nördlichen Gegenden Süd-
Amerika's, an welchem Platze sie aufgefunden wurden
von den Uebriggebliebenen Joseph's beiläufig 400 Jahre
nachher.
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      Ferner erfahren wir durch diese alten Urkunden,
daß diese Uebriggebliebenen Joseph's, bald nachdem sie
gelandet hatten, sich in zwei verschiedene Nationen theil-
ten. Diese Theilung wurde hauptsächlich von der grössern
Partie derselben veranlaßt, weil sie die Uebrigen verfolg-
ten um ihrer Gerechtigkeit willen. Die verfolgte Nation
wanderte aus gegen den nördlichen Theil des Südens
Amerika's, und ließ die böse und rebellirende Nation
im Besitze der Mitte des südlichen Theiles. Die ersteren
wurden Nephiten genannt, ihres Anführers und Prophe-
ten halber, dessen Name Nephi war; die anderen
wurden von einem sehr bösen Manne geleitet, dessen
Name Laman war, und deßhalb Lamaniten genannt.

      Dee Nephiten besassen eine Kopie der fünf Bücher
Moses, und der Prophezeihungen der heiligen Propheten
bis zu Jeremiah herab, in dessen Tagen sie Jerusalem
verließen. Diese trugen Sorgen, eine treue Geschichte
ihrer Nation, und eine glaubwürdige Urkunde jener
Mittheilungen zu unterhalten, die Gott ihnen angedei-
hen ließ durch Prophezeihungen, Visionen oder Offen-
barungen. Alle diese Urkunden wurden von gerechten
und heiligen Männern unterhalten, sorgfältig bewahrt
und übergeben von Generation zu Generation.

      Und der Herr gab ihnen das ganze Festland als
ein Land der Verheißung, und Er versprach ihnen, daß
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sie und ihre Kinder nach ihnen es besitzen sollten, wenn
sie verharrten im Gehorsam gegen Seine heiligen Ge-
bote; doch wenn sie ungehorsam wären, würden sie aus-
gestossen werden von Seiner Gegenwart.

      Und die Nephiten fingen an in diesem Lande zu
gedeihen um ihrer Gerechtigkeit willen, und sie vermehr-
ten und verbreiteten sich fort nach Norden, Ost und
Westen. Sie bauten grosse Städte, Dörfer und Syna-
gogen, und führten Thürme und Festungswerke aus,
um sich gegen ihre Feinde zu vertheidigen. Sie bebau-
ten die Erde, zogen verschiedene Arten Getreide im
Ueberflusse, und hatten zahllose Heerden von Hausthieren.
Sie wurden ein sehr wohlhabendes Volk, besassen Gold,
Silber, Kupfer, Zinn und Eisen in Menge, und Künste
und Wissenschaften blühten unter ihnen in grosser Aus-
dehnung. Verschiedenartige Maschinen waren im Ge-
brauche, kostbare Stoffe wurden gewoben, und Schwer-
ter, Säbel, Axten und allerlei Kriegsgeräthe wurden
verfertigt, um dem Feinde in der Schlacht zu trotzen,
Und so waren sie in den Tagen ihrer Gerechtigkeit ein
erleuchtetes und glückliches Volk.

      Die Lamaniten aber brachten viele Züchtigungen
über ihr eigenes Haupt um der Verhärtung ihres Her-
zens willen. Dessen ohngeachtet aber wurde ihre Nation
nicht zerstört, sondern Gott der Herr sandte seinen Fluch
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über sie, und sie wurden ein schwarzes, Widerwillen er-
regendes, schmutziges Volk. Vor ihrer Rebellion waren
sie weiß, und außerordentlich schön, gleich den Nephi-
ten; aber der Herr fluchte ihrem Angesichte, und ihre
Farbe ward schwarz, und sie wurden ein wildes rohes
und blutdürstiges Volk, und grosse Feinde der Nephi-
ten, welche sie durch jedes Mittel zu zerstören suchten.

      Zu öftern Malen zogen sie mit zahllosen Heeren
gegen sie zur Schlacht, sie wurden aber von den Nephi-
ten immer besiegt, und bis in ihre Besitzthümer zurück-
getrieben, jedoch nicht ohne grossen Verlust von beiden
Seiten.

      Zehntausende wurden gewöhnlich erschlagen, welche
nach dem Kampfe in grosse Haufen übereinander gewor-
fen und mit Erde überschüttet wurden. Diese Verfah-
rungsart gibt uns die erste und beste Auskunft über
jene alten Hügel, die mit menschlichen Gebeinen gefüllt
sind, und so zahlreich in den heutigen Tagen in Nord-
und Südamerika aufgefunden werden.

      Die Propheten der Nephiten weissagten grosse
Dinge. Sie enthüllten die Geheimnisse der Zukunft,
sahen die Ankunft des Messias im Fleische, und weis-
sagten die Segnungen, die auf ihre Nachkömmlinge
kommen würden in den letzten Zeiten. Diese brachten
die Geschichte ungeborner Geschlechter zur Kenntniß und
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entfalteten die grossen Ereignisse der künftigen Alter.
Sie sahen, die Macht und Glorie der zweiten Ankunft
des Messias und die Wiedererhebung des Reiches des
Friedens. Sie staunten über den Ruhm der Tage der
Gerechten, sie sahen die Erschaffung erlöst vom Fluche,
und die Gerechten erfüllt mit ewiger Freude.

      Die Nephiten wußten von der Geburt und Kreu-
zigung Christi durch gewisse himmlische und irdische
Phänomene welche in diesen Zeiten gezeigt wurden zur
Vollfüllung der Weissagungen ihrer Propheten. Ohn-
geachtet der grossen und manchfaltigen Segnungen, mit
denen sie begünstigt wurden, verfielen sie dennoch in
grosse Ungerechtigkeiten, stießen ihre Heiligen und Pro-
pheten hinaus und steinigten und tödteten sie. Deßhalb
wurden sie zur Zeit der Kreuzigung Christi mit grossen
Strafen heimgesucht. Dichte Finsterniß umgab den
ganzen Welttheil in jenen Stunden, wo Licht gewesen
sein sollte; die Erde ward fürchterlich erschüttert, Felsen
zersplitterten in Trümmer, und der Boden spaltete sich
an vielen Orten. Berge versanken zu Thäler, und
Thäler stiegen zu Berge empor. Die Landstrassen
wurden zerstört, und die geebneten Wege verschoben und
verstümmelt. Viele Städte wurden in Trümmer ge-
legt, oder versanken in die Tiefe der Erde; Berge nah-
men ihre Stelle ein, oder Wasser erschien an derselben,
und noch andere wurden verbrannt durch Feuer vom
Himmel.
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      So wurden die Weissagungen der Propheten über
ihren Häuptern erfüllt. Viele der Gottlosen von bei-
den Seiten, Nephiten und Lamaniten wurden vertilgt
in dieser fürchterlichen Heimsuchung des Gerichtes und
des Zornes Gottes des Allmächtigen. Das unschuldige
Blut der Heiligen und Propheten schrie von der Erde
empor, und der Herr Gott neigte Sein Ohr und hörte,
und Seine Hand übte Rache, und seine Wuth brach
gleich einem Wirbelwinde plötzlich über sie herein.

      Jene, welche diese schrecklichen Strafen überlebten,
waren mit der persönlichen Amts-Verrichtung Christi
begünstigt.

      Nachdem Er Seine Sendung in Jerusalem voll-
bracht hatte, und vom Tode erstanden und in den Him-
mel aufgefahren war, stieg Er in Gegenwart der
Nephiten in ihre Mitte herab, als sie um ihren Tem-
pel versammelt waren in dem nördlichen Theile Süd-
Amerika's.

      Er sagte den Juden in Jerusalem, bevor er ge-
kreuzigt ward, daß Er noch andere Schafe hätte, die
nicht aus demselben Schafstalle wären; auch diese wollte
er bringen zu den Uebrigen und sie würden Seine
Stimme hören. Und Er zeigte ihnen dann Seine ver-
wundeten Hände und Füße und Seine Seite und be-
fahl ihnen, das Gesetz Moses abzuschaffen, und an sei-
ner Statt das Evangelium einzuführen und zu begrün-
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den. Er suchte zwölf Jünger unter ihnen, die da das
Evangelium zu predigen hatten und zu taufen und die
Kirche aufzurichten und Er setzte das Sakrament des
Brodes und Weines ein. Er betete für ihre kleinen
Kinder, und legte ihnen Seine Hände auf und segnete
sie. Er heilte ihre Krankheiten, ihre Blindheit und
Lahmheit; die Tauben machte er hören, und die Be-
trübten tröstete er in jeglicher Art. Er erweckte die
Todten zum Leben, und zeigte fortwährend seine Macht
unter ihnen. Er erklärte die Schriften, welche ihnen
gegeben sind vom Anfange her, bis auf diese Zeit, und
machte unter ihnen viele Dinge bekannt, die da Statt
finden sollten, bis er kommen würde in Seiner Glorie,
wo dann alle Völker, Nationen und Sprachen vor Gott
stehen werden, um gerichtet zu werden.

      Nachdem Jesus Sein Amt unter ihnen verrichtet
hatte, stieg Er wieder zum Himmel auf, und die zwölf
Jünger, die erwählet worden, gingen hin in dem Lande
das Evangilium zu predigen, zu taufen, und die Sün-
den nachzulassen allen denen die ihre Ungerechtigkeiten
aufrichtig bereuten.

      Nach der Taufe (welches unabweichlich immer mit
gänzlichem Untertauchen des Körpers im Wasser geschah,
im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen
Geistes) legten sie ihnen die Hände auf, damit sie er-
halten möchten die Gabe des heiligen Geistes, und be-
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stättigt würden als Glieder der Kirche. Und viele
Wunder wurden unter ihnen gewirkt, von den Brüdern
der Kirche.

      Schaaren von Nephiten und Lamaniten in Süd-
und Nord - Amerika wurden zum Herrn bekehrt, und
diese wandelten vor Gott in Gerechtigkeit und Wahrheit
mehr denn 300 Jahre. Doch gegen das Ende des vier-
ten Jahrhunderts der christlichen Zeitrechnung waren
sie so sehr wieder von Gott abgefallen, daß sie grosse
Züchtigungen zu erdulden hatten, die über sie verhängt
wurden. Die Lamaniten wohnten zur selben Zeit in
Süd- und die Nephiten in Nord-Amerika.

      Ein grosser zerstörender Krieg erhob sich unter
ihnen, der mehrere Jahre dauerte, und mit dem Um-
sturze und der gänzlichen Zerstörung der Nephiten en-
digte. Dieser Krieg entspann sich auf dem Eng - Paß,
oder Landzunge Darien, und ward beiden Nationen
Verderben bringend, für manches Jahr. Endlich wurden
die Nephiten aber hinweg getrieben von ihren Feinden
gegen Norden und Nord-Osten, doch ihre ganze Nation
versammelte sich wieder, Männer, Weiber und Kinder
und lagerten sich rund um den Berg »Cumorah«, wo
die Urkunden gefunden wurden, nämlich in dem Staate
New-York, beiläufig zweihundert englische Meilen west-
lich von der Stadt Albany. Hier denn begegneten sie
dem Heere der Lamaniten noch einmal und wurden
gänzlich geschlagen und niedergemacht ohne Ausnahme
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des Alters oder Geschlechtes. Zehn mal zehn Tausende
wurden erschlagen von beiden Seiten, und die Nation
der Nephiten vollkommen zerstört, mit Ausnahme eini-
ger, die zu den Lamaniten übergingen, und wieder ei-
niger, die in die südlichen Gegenden flohen. Noch Andere
blieben verwundet auf dem Schlachtfelde für todt liegen,
unter denen auch Mormon war und sein treuer Sohn
Maroni, welches gerechte Männer und Propheten des
heiligen Gottes waren.

      Mormon hatte die Geschichte und die Urkunden,
die bei seinen Vorvätern fortgeführt wurden, auf Plat-
ten, die er hiezu selbst bereitete, abgekürzt nieder ge-
schrieben, und sie »Urkunden Mormon's« genannt. Diese
waren in einer Sprache geschrieben, welche sie die »egyp-
tisch reformirte« nannten, und die sich aus der alten
hebräischen und egyptischen Sprache gebildet hatte. Diese
beiden letztern Sprachen wurden gleichzeitig von dem
Volke unterstanden, als sie von Jerusalem ausgingen
in dem ersten Jahre der Regierung des Königs Zede-
kiah. Diese Abkürzung nun, nachdem sie in die engli-
sche Sprache übersetzt worden, ist »das Buch Mor-
mon's« genannt. Drei grosse Ausgaben, und eine vierte
Stereotypen-Ausgabe ist bereits in den vereinigten Staa-
ten Amerika's erschienen, so wie zwei derselben in
England. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird in Bälde
eine deutsche Uebersetzung herausgegeben werden so wie
auch in der Sprache anderer Nationen. Eine Absicht
–   42   –

dieses kleinen Werkes ist es deshalb, ihr den Weg zu
bereiten, und ihr eine Einleitung zu geben.

      Mormon, welcher den Befehl von Gott erhalten
hatte, verbarg alle die heiligen Urkunden seiner Vor-
väter
, die in seinem Besitze waren, in den Berg Cu-
morah
, diese Abkürzung ausgenommen »Urkunde Mor-
mon's« genannt, welche er seinem Sohne Moroni zur
Vollendung übergab. Moroni überlebte seine Nation
für einige Jahre, und setzte die Geschichte fort, in
welcher er uns bekannt macht, daß die Lamaniten so
lange jene wenigen Nephiten verfolgten (welche bei der
grossen und fürchterlichen Schlacht von Cumorah ent-
kommen waren), bis sie sie gänzlich zerstört hatten,
mit Ausnahme jener, die sich mit den Lamaniten ver-
mischten. Er selbst sagt, daß er allein verlassen ward,
und sich verborgen halten mußte; denn sie suchten jeden
Nephiten zu vertilgen, der Christus nicht verleugnen
wollte. Die Lamaniten, nicht befriedigt, die Nephiten
zerstört zu haben, fingen Krieg unter ihnen selber an,
und das ganze Anlitz des Landes war ein ununterbro-
chener Schauplatz des Raubens, Plünderns und Blut-
vergießens. Er fuhr in der Geschichte fort bis zum
420zigsten Jahre der christlichen Zeitrechnung, als ihm
Gott befahl, diese Urkunden in den Berg Cumorah zu
vergraben
, wo sie für mehr denn 1400 Jahre ruhten
am sicheren Orte. Aber der Engel des Herrn ward
–   43   –

gesandt, diese verborgenen Schätze aufzudecken, wie es
beschrieben ward in dem vorhergehenden Kapitel.

      Es scheint, daß der Prophet Isaiah den Auszug
dieser Uebriggebliebenen von Jerusalem vorher gesehen
habe, wenn er spricht in dem 37ten Kapitel seiner
Prophezeihung am 31. und 32. Vers. »Und was von
dem Hause des Juda erhalten wird, und was übrig
bleibt, das wird unter sich wurzeln, und über sich
Frucht tragen. Denn von Jerusalem werden die Uebrig-
gebliebenen und die Erretteten vom Berge Zion aus-
gehen; dieß wird der Eifer des Herrn der Heerschaaren
thun.« Also in Kenntniß mit der Geschichte der Ent-
deckung dieser Urkunde ist der Leser besonders ermahnt,
das 29. Kapitel der nämlichen Prophezeihung (Isaiah)
mit Aufmerksamkeit zu lesen.


——«·»——




      Der Verfolgungsgeschichte trägt dieser Bericht voll Rechnung. Dabei wird nirgens auch nur erwähnt, daß sich jemand mit Engelserscheinungen von Joseph beschäftigt hätte. Das Problem verschärft sich durch den Umstand, daß sich etwa ab 1828 die sekundäre Literatur sehr wohl mit den Behauptungen Josephs beschäftigt. Warum also wird vorher nichts erwähnt bei so viel Verfolgung?

      Einige Aspekte bezüglich der Interpretation des Inhaltes des Buches Mormon sind hier sehr klar herausgestellt. Aufgrund der noch immer ausstehenden archäologischen Beweise für die Authentizität des Berichts haben sich mormonische Verfechter zu verwegenen Theorien hinreißen lassen, die sicher Akzeptanz in den Köpfen einiger Mitglieder gefunden haben. Jedoch wird hier aus berufenem Munde klargestellt, daß die Jarediten die ersten Menschen auf dem amerikanischen Kontinent waren und daß über ganz Amerika berichtet wird, Nord- und Südamerika, und nicht nur von einem viel kleineren Gebiet.

      Eines der Lieblingthemen der frühen Mitglieder waren die mysteriösen Indianerhügel. Joseph lieferte mit dem Buch Mormon eine Erklärung dafür, und diese Erklärung wurde für uns niedergeschrieben. Was damals noch nicht bekannt war ist die Tatsache, daß die Indianer den Brauch hatten, ihre Toten zu exhumieren und in Gebeinhügeln zu vergraben. Keine extrem große Schlacht war dazu notwendig.

      Entschieden wird durch dieses Kapitel ebenfalls die Frage nach dem Standort des Hügels Cumorah. Dies ist der einzige Hügel Cumorah, an ihm fand die Schlacht statt und in ihm wurden die Platten vergraben.

      Besseres Verständnis vermittelt uns dieses Kapitel auch für die Aussage mehrerer Vertrauter von Joseph, im Hügel Cumorah gebe es eine Höhle mit unzähligen Platten. Mormon vergrub alle Aufzeichnungen vergangener Jahrhunderte im Hügel, warum sollte es also nicht so sein?

      Einem entscheidenden Problem begegnen wir hier allerdings besonders deutlich. Im vorletzten Absatz ist von Moroni die Rede und wie er die Platten vergraben hat. Gleich im nächsten Satz wird von der Aufdeckung dieses Schatzes gesprochen, aber es ist nur die Rede vom Engel des Herrn. Wenn es, wie es der heutigen Darstellung entspricht, Moroni selbst war, warum wird umständlich vom Engel des Herrn gesprochen, wenn ein einfaches ’er‘ die Identität zweifelsfrei geklärt hätte? Entweder war damals davon gar nicht die Rede oder Hyde war sich wegen zu vieler Versionen nicht sicher. Auf jeden Fall erfährt die derzeitige Version durch dieses Buch keine Unterstützung.


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