Parley P. Pratt – Eine Stimme der Warnung (1837)

(7. deutsche Auflage, 1923)


Eine Stimme der Warnung
und
Belehrung für alle Völker
oder
eine Einleitung zu dem Glauben und den Lehren
der
Kirche Jesu Christi
der Heiligen der letzten Tage.
_______

Von
Parleÿ P. Pratt.
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„Siehe, was ich vorhin habe verkündet, is
kommen; so verkündige ich auch Neues; ehedenn
es aufgehet, lasse ich's euch hören.“ Jesaja, 42, 9.
„So lasset eure Sache herkommen, spricht der
Herr; bringet her, worauf ihr stehet, spricht der
König in Jakob.“ Jesaja 41, 21.
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Übersetzt von Daniel Carn.
Nachgesehen und revidiert von Philipp Tadje.

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Siebente Auflage.

Herausgegeben von Serge F. Ballis, Präsident der Schweizerischen und Deutschen
Mission der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage.
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Basel 1923 Leimenstraße 49.







Inhaltsverzeichnis.

Seite
Vorwort .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   . 3
1. Kapitel. Etliche, schon in Erfüllung gegangene Prophezeiungen 5
2. Kapitel. Noch unerfüllte Prophezeiungen   .   .   .   .   .   .   .   . 27
3. Kapitel. Das Reich Gottes  .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   . 48
4. Kapitel.
 
Das Buch Mormon, Ursprung der amerikanischen In-
   dianer usw.    .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .
 
66
5. Kapitel.
 
Die Auferstehung der Heiligen und die Wiederherstellung
   aller Dinge, von denen die Propheten gesprochen haben
 
92
6. Kapitel.
 
Wie verfährt Gott mit allen Völkern in Bezug auf Offen-
   barungen? .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .
 
120
7. Kapitel.
 
Der Unterschied zwischen der Lehre Christi und den
   falschen Lehren des 20. Jahrhunderts .   .   .   .   .   .
 
127




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Vorwort.

Dieses Werk, eine Stimme der Warnung und Belehrung
für alle Völker, welches zuerst im Jahre 1837 veröffentlicht wurde,
ist in der englischen Sprache in vielen Auflagen erschienen.
Der Verfasser der englischen Ausgabe, Apostel Parley P.
Pratt, sagte am Schlusse seines Vorwortes: „Und sollte der Ver-
fasser sein Leben für die Sache der Wahrheit opfern müssen,
so wird er den Trost haben, daß man von ihm sagen wird, was
man von Abel sagte: Er redet noch, wiewohl er gestorben ist.“ –
Dieses ist in Erfüllung gegangen; er hat sein Leben für die
Sache der Wahrheit opfern müssen, indem er am 14. Mai 1857
auf ruchlose Weise ermordet wurde. Aber noch redet er durch
dieses sein Werk, sowie durch eine große Zahl Schriften und Vor-
träge, deren Verfasser er ist.
Die Veröffentlichung dieses Werkes hat den Zweck, dem
Publikum einen richtigen Aufschluß über ein religiöses System zu
geben, welches sich trotz Spott, Hohn und großer Verfolgung aus-
gebreitet hat, dessen Bekenner nach Hunderttausenden zählen und
ein Zeugnis ablegen können, daß sie wissen, nicht nur glauben,
daß dieses die Kirche Jesu Christi ist. So schwer es für Paulus
war, als er in Ephesus stand, die frohe Nachricht von einem
gekreuzigten und auferstandenen Erlöser zu verkündigen, indem
seine Stimme durch das allgemeine Geschrei: „Groß ist die Diana
von Ephesus!“ übertäubt wurde, so schwer ist es auch heute – Wahr-
heiten Menschen mitzuteilen, die sich von dem Strome der öffent-
lichen Meinungen hin und her bewegen lassen – ohne nur einen
Augenblick innezuhalten, und von zwei Seiten die Fragen zu
hören, zu prüfen und für sich selbst zu urteilen.
Die allgemeine Stimmung ist einig in der Verleumdung und
Verfolgung dieser Kirche, und schon oft ist deren Untergang ver-
kündigt worden; dennoch steht sie heute fester als je, denn sie ist
auf den Felsen der Offenbarung gegründet und Gott steht an
ihrer Spitze; sie ist der Stein, ausgehauen von den Berge, ohne
Hände, welcher herunterrollen und die Erde erfüllen wird.
–   4   –

Dieses Werk, das in die deutsche Sprache übersetzt und zu-
erst in Hamburg anno 1853 herausgegeben wurde, können wir jetzt
durch den Segen Gottes in einer siebenten Aufage erscheinen lassen.
Keine Macht, als der Arm des Allmächtigen, konnte dieses
Werk gegen das Wüten des Pöbels, das Vorurteil der Unwissen-
den, die Feder der Gelehrten, gegen jeden Glauben und jede Sekte
in der Christenheit beschützen und weiter befördern.
Dieses Werk soll auch als eine Stimme der Warnung und als
Verkündiger der Wahrheit dienen für alle Völker, in deren Hände
es gelangen wird; es zeigt in einfacher, klarer Weise den Weg,
nun wieder zurückzukommen in die Gegenwart Gottes und die
Krone des ewigen Lebens zu erlangen. Es ist schon sehr vielen
zum großen Segen geworden und wir hoffen, daß auch in der
Zukunft die aufrichtigen Leser sich dadurch bewogen fühlen möch-
ten, nach Wahrheit zu forschen und durch die Befolgung der Gebote
unseres Herrn und seiner Jünger sich vorzubereiten auf den großen
Tag des Herrn, welcher unser wartet.





























Eine Stimme der Warnung
und
Belehrung für alle Völker.

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Kapitel 1.
Über etliche schon in Erfüllung gegangene Prophezeiungen.

„Wir haben ein festes prophetisches Wort; und ihr tut wohl,
daß ihr darauf achtet, als auf ein Licht, das da scheint in einem
dunkeln Orte, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe
in euren Herzen. Und das sollt ihr für das erste wissen, daß
keine Weissagung in der Schrift geschieht aus eigener Auslegung.
Denn es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen
hervorgebracht, sondern die heiligen Menschen Gottes haben ge-
redet, getrieben von dem Heiligen Geiste.“ 2. Petri 2,19–21.
Um irgend etwas aus der Schrift zu beweisen, muß zuerst
eine gewisse, bestimmte, untrügliche Regel der Auslegung aufge-
stellt werden, ohne welche sich der Geist in Ungewißheit und Zweifel
verliert, immer forschend, doch nie zur Erkenntnis der Wahrheit
zu gelangen imstande ist.
Die Vernachlässigung einer solchen Regel hat die Menschen
in die größte Verwirrung und Ungewißheit in allen ihren bibli-
schen Nachforschungen gebracht. In der Tat, solange es den
Menschen überlassen ist, das Wort Gottes zu verändern oder auf
eine geistige, ungewisse oder besondere Weise auszulegen, ist alles
Ungewißheit.
„Was aber zuvor geschrieben ist, das ist und zur Lehre ge-
schrieben, auf daß wir durch Geduld und Trost der Schrift Hoff-
nungen haben.“ Gesetzt nun, es schriebe uns ein entfernter Freund
und machte uns unter gewissen Bedingungen gewisse Versprechungen,
welche, wenn wir sie erlangten, uns großen Nutzen und Vorteil
–   6   –

bringen würden, so könnte man natürlich sagen, der Brief war
uns zum Nutzen und zur Lehre geschrieben, auf daß wir durch
Geduld und Trost des Briefes Hoffnung haben möchten, das Ver-
sprochene zu erlangen.
Wenn wir nun den Brief deutlich verständen, und wüßten,
was wir zu erwarten hätten, dann würde er und Trost und
Hoffnung gewähren; wenn dagegen in unserem Geiste noch irgend-
ein Zweifel oder eine Ungewißheit wäre, ob wir denselben auch
recht verständen, alsdann könnten wir keinen Gewissen Trost oder
Hoffnung aus dem Geschriebenen erlangen, da wir ja nicht wüßten,
was wir zu hoffen hätten; folglich würde der Brief zu uns gar
keinen Nutzen haben. Und so verhält es sich mit der Schrift.
Keine Prophezeiung oder Verheißung wird dem Leser eher nützen
oder Geduld, Trost oder Hoffnung in seinem Gemüte erzeugen,
bis er sie deutlich versteht, damit er genau wisse, was er zu
hoffen habe.
Die Weissagungen der Propheten sind nun ebenso deutlich zu
verstehen wie der Kalender, der eine Sonnenfinsternis vorher-
sagt, wenn nicht, so ist die Bibel von allen Büchern dasjenige,
dessen Nutzen am ungewissesten ist. Weit besser würde es alsdann
für die Menschen gewesen sein, wenn der große Schöpfer unseres
Daseins seinen gefallenen Kreaturen nichts geoffenbart hätte, als
ein Buch zu offenbaren, welches sie im Zweifel und Ungewißheit
ließe, und miteinander von einem Zeitalter zum andern über die
Bedeutung seines Inhalts zu streiten.
Daß eine solche Ungewißheit und ein solcher Streit während
ganzer Zeitalter gewesen ist, wird niemand leugnen. Die Weisen
und Gelehrten waren stets uneinig, und noch herrscht eine große
Uneinigkeit unter ihnen betreffs einer richtigen Auffassung der
Prophezeiungen. Woher rührt nun diese Meinungsverschieden-
heit? Entweder sind die Offenbarungen selbst mangelhaft oder
die Menschen sind schuld daran. Aber zu sagen, eine Offenbarung
ist selbst mangelhaft, hieße Gott der Torheit zeihen; Gott behüte,
die Menschen müssen Schuld daran sein.
Es gibt zwei große Ursachen für diese Blindheit, welche ich
jetzt angeben werde. Die erste ist: Die Menschen sind der Mei-
nung, daß eine unmittelbare göttliche Eingebung durch den Heiligen
Geist nicht für alle Zeiten der Kirche beabsichtigt war, sondern nur
für die erste Zeit. Da sie die Schrift erfüllt wähnten, alles Nötige
geoffenbart sei und daß der Geist, welcher zu aller Wahrheit
–   7   –

führt, nicht länger für die Leute wäre, daher suchten sie ihrer
eigenen Weisheit und Gelehrsamkeit das zu verstehen, was immer
nur durch den Geist der Wahrheit verstanden werden konnte;
„denn niemand weiß, was in Gott ist, außer der Geist Gottes“.
Die zweite Ursache ist: Da sie den Geist der göttlichen Ein-
gebung verloren hatten, so fingen sie an, ihre eigenen Meinungen,
Überlieferungen und Gebote aufzustellen und gaben während den
letzten siebenzehnhundert Jahren Belehrungen und besondere Aus-
legungen über das Wort Gottes, anstatt an die geschriebenen
Dinge zu glauben.
Und sobald als sie von der wörtlichen Bedeutung abwichen,
war die Meinung oder Auslegung eines Mannes ebensogut wie
die eines andern; alle hatten dieselbe Vollmacht, und daher ent-
stand die ganze Finsternis und das Mißverständnis über diese
Punkte, wodurch die Welt während den letzten siebenzehnhundert
Jahren beunruhigt worden ist.
Unter den mannigfaltigen Dingen, welche die Aufmerksamkeit
der Menschen auf sich lenken, ist eine Sache von größerem Werte
als alle anderen. Ein Grundsatz, welcher, wenn man ihn einmal
besitzt, von großem Nutzen sein würde, um alles andere Wünschens-
werte zu erlangen, gleichviel, ob Macht, Reichtum, Ehren, Throne
oder Herrschaft. Verhältnismäßig wenig haben es je besessen,
obgleich es von vielen andern erlangt werden konnte, aber entweder
bemerkten sie es nicht mehr kannten seinen Wert nicht. Es hat
Wunder getan für die wenigen, die es besessen haben. Einige
errettete es vom Ertrinken, während alle, die es nicht besaßen, in
den mächtigen Fluten ihr Grab fanden. Andere errettete es vom
Hungertode, indes Tausende um sie her umkamen; durch dasselbe
gelangten die Menschen oft zu Staatswürden; ja noch mehr, einige
erlangten sogar die Herrschaft über Reiche.
Der Besitz desselben hat bisweilen Menschen aus den Kerkern
im Paläste versetzt; und es gibt Beispiele, in welchen diejenigen,
die es besaßen, dem Hungertode entgingen, während Städte zer-
stört wurden und alle andern umkamen. Wenn eine Stadt oder
ein Volk durch Hungersnot oder durch das Schwert vernichtet
wurde, so entkamen häufig nur diejenigen unverletzt, die es besaßen.
Der Leser wird jetzt fragen, was kann wohl jenes Ding sein?
Nenne es mir, ich will es kaufen, und wenn ich alle meine irdi-
schen Schätze opfern sollte. Wohlan, lieber Leser, dieser
Schatz ist das Vorherwissen, eine Erkenntnis der
–   8   –

zukünftigen Dinge! Laß ein Buch veröffentlicht werden,
betitelt: „Eine Erkenntnis der Zukunft“, und laß die Menschen
wirklich überzeugt sein, daß es eine gewisse, bestimmte Erkenntnis
zukünftige Dinge gibt, so daß seine Blätter die zukünftige Ge-
schichte der Völker und vieler großer Ereignisse enthüllen, gleich wie
die Geschichte der Vergangenheit Griechenlands oder Roms ent-
faltet, so würde jedes Exemplar einer großen Auflage sogleich für
einen hohen Preis verkauft werden; in Wirklichkeit würde es un-
schätzbar sein. Nun, lieber Leser, die Bücher der Propheten und der
Geist der Prophezeiung waren gerade zu diesem Zweck gegeben.
Deshalb sagt der Apostel: „Strebet aber nach den besten
Gaben; am meisten aber, daß ihr weissagen möget.“ Nachdem
nun so viel gesagt worden ist, so wollen wir jetzt das weite vor
und liegende Feld betreten und die Schätze der Weisheit und des
Wissens erforschen, welche während ganzer Zeitalter in der Finster-
nis wie ein Licht beleuchtet haben. Wir wollen Gegenden er-
forschen, die vielen unbekannt sind; wir wollen die offenliegenden
Herrlichkeiten schauen, welche sich überall zeigen; und unsere Seelen
mit dem Wissen nähren, welches seinem Wesen nach die Be-
stimmung hat, den Mut zu vergrößern, das Gemüt zu erheben,
und die Neigungen über das Kleinliche, Niedrige und Alltägliche
dieser Welt zu erheben und den Menschen durch die wachsende
Erkenntnis zur Seligkeit zu erhöhen.
Aber zuerst wollen wir über die bestimmte Regel der Aus-
legung sprechen. In dieser Hinsicht wollen wir uns nicht auf
irgendeinen Menschen oder Kommentar verlassen; denn der Heilige
Geist hat sie durch den Mund Petri gegeben. „Und das sollt ihr
für das erste wissen, daß keine Weissagung in der Schrift geschieht
aus eigener Auslegung.“ 2. Petri 1, 20.
Beim Studium der Prophezeiungen ist eine wichtige Ein-
teilung beständig im Auge zu behalten; nämlich der Unterschied
zwischen der Vergangenheit und der Zukunft. Der Leser
muß sich bemühen, den schon erfüllten und noch unerfüllten Teil
herauszufinden, und dabei immer eingedenk sein, daß Petri Regel
der Auslegung auf beides anwendbar ist. Wenn wir nun in
unsern Nachforschungen finden, daß jede bis auf dieses Jahr erfüllte
Prophezeiung buchstäblich erfüllt worden ist, so muß daraus
folgen, daß auch die noch unerfüllten Prophezeiungen ihre
buchstäbliche Erfüllung nicht verfehlen werden
.
Wir wollen mit der Zeit Noahs anfangen. – 1. Buch Mos. 6, 17.
–   9   –

„Denn siehe, ich will eine Sintflut mit Wasser kommen lassen auf
Erden, zu verderben alles Fleisch, darinnen ein lebendiger Odem
ist, unter dem Himmel. Alles, was auf Erden ist, soll untergehen.“
In den folgenden Versen befiehlt der Herr dem Noah, in die
Arche zu gehen und Tiere allerlei Art mit hineinzunehmen usw.
– Und im 22. Verse heißt es: „Und Noah tat alles, was ihm
Gott gebot.“ Es war gut für Noah, daß er nicht mit dem neuen
System der Gottesgelehrtheit, alles geistig aufzufassen, vertraut
war, denn unter ihrem verdunkelnden Einflusse würde er niemals
geglaubt haben, daß eine so wunderbare Prophezeiung eine wört-
liche Meinung und buchstäbliche Erfüllung bedeute. Nein, man
würde ihm gesagt haben, daß unter der Flut eine geistige Flut,
unter der Arche eine geistige Arche zu verstehen wäre, und sobald
er anderer Meinung gewesen, so würde man ihn für einen
Schwärmer, Betrüger oder Toren gehalten haben; aber es verhielt
sich wirklich so, daß er eben einfältig genug war, um die Prophe-
zeiung buchstäblich zu glauben. Hier ist nun ein schönes Beispiel
des Vorherwissens, denn die ganze Welt, die es nicht be-
saß, kam durch die Sintflut um.
Die nächste Weissagung, die wir anführen wollen, steht im
1. Buch Mos. 15, 13–16. „Da sprach er zu Abraham: Das sollst
du wissen, daß dein Same wird fremd sein in einem Lande, das
nicht sein ist; und da wird man sie zu dienen zwingen und plagen
vierhundert Jahre. Aber ich will richten das Volk, dem sie dienen
müssen. Darnach sollen sie ausziehen mit großem Gut. Und du
sollst fahren zu deinen Vätern mit Frieden und in gutem Alter
begraben werden. Sie aber sollen nach vier Manns-Leben
wieder hierher kommen, in die Missetat der Amoriter ist noch
nicht voll.“
Die harte Behandlung der Kinder Israels während vierhundert
Jahren, ihr Auszug mit großem Gut, die Gerichte Gottes über
Ägypten, ebenso wie der Tod Abrahams in gutem Alter sind
zu wohl bekannte Tatsachen, als daß sie noch einer weiteren Er-
örterung bedürften; es genügt zu sagen, daß dies ein überzeugen-
des Beispiel genauer Erfüllung der Prophezeiungen ist, die mehr
als vierhundert Jahre vor ihrer Erfüllung gemacht worden sind.
Daraus entnehmen wir nun, daß keiner von jenen alten Männern
etwas von dem neuen System einer geistigen Auffassung wußte.
Unsere nächste Stelle steht im 1. Buch Mos. 19, 12–13.
„Und die Männer sprachen zu Lot: hast du noch irgend hie einen
–   10   –

Eidam und Söhne und Töchter, und wer dir angehört in der
Stadt, den führe aus dieser Stätte. Denn wir werden diese
Stätte verderben; darum, daß ihr Geschrei groß ist vor dem Herrn,
der hat uns gesandt, sie zu verderben.“ Lot, einfältig genug,
diese Dinge wörtlich zu nehmen, nahm diejenigen seiner Familie,
die ihm folgen wollten, mit sich und rettete so sein Leben; ohne
Zweifel zur großen Belustigung der Sodomiter, die ihm wahr-
scheinlich nachsahen und schrien: „Täuschung, Täuschung!“ da sie
die ganze Prophezeiung nur für ein Bild hielten. Hier ist nun
ein Beispiel, wie ein Mann den Flammentode durch Erkennt-
nis zukünftiger Dinge,
die ihm verliehen war, entkam,
indes die ganze Stadt unterging. O, welcher Segen war es für
Lot, daß er nichts von der neuen Art, Prophezeiungen auszulegen,
wußte. Wenn es ihm in den Sinn gekommen wäre, aus Sodom
geistig, anstatt wörtlich herauszugehen, so würde es ihm das Leben
gekostet haben.
Wir wollen jetzt eine Prophezeiung Josephs im Lande Ägypten
prüfen, 1. Buch Mos. 41, 29–31. „Siehe, sieben reiche Jahre
werden kommen in ganz Ägyptenland. Und nach denselben werden
sieben Jahre teure Zeit kommen, daß man vergessen wird aller
solcher Fülle in Ägyptenland; und die teure Zeit wird das Land
verzehren, daß man nichts wissen wird von der Fülle im Lande vor
der teuren Zeit, die hernach kommt; denn sie wird sehr schwer sein.“
Joseph fährt dann fort, Anweisungen zu geben, Korn in gro-
ßer Menge während der sieben fruchtbaren Jahre aufzuspeichern,
um vor der kommenden Hungersnot geschützt zu sein. Und Pharao,
der in der Schule der neueren Gottesgelehrtheit nicht besser als
seine Vorgänger bewandert war, dachte nicht einmal daran, sie
anders als ganz buchstäblich aufzufassen
. Und so
diente er und Joseph in Gottes Hand dazu, nicht nur ihr Volk,
sondern auch das Haus Israel vor der Hungersnot zu retten.
Dies ist ein anderes überzeugendes Beispiel von der Macht des
Vorherwissens. Er rettete nicht nur vor Hungersnot, son-
dern es erhöhte auch Joseph aus den Kerker in den Palast; von
der tiefsten Erniedrigung zu der höchsten Ehre, so daß man vor
ihm schrie: „Beuge deine Knie!“ Aber ach! was für ein Tod und
eine Trauer wäre eingetreten, wenn sie nur von einer geistigen
Hungersnot und einem geistigen Korne geträumt hätten.
Nachdem wir nun einige deutliche Beispiele aus früheren
Zeiten gegeben haben, so wollen wir oberflächlich einige von den
–   11   –

merkwürdigsten Ereignissen berühren, die prophezeit und erfüllt
worden sind, bis wir zu den jüdischen Propheten kommen, wo sich
ein weites Feld eröffnet, das in seinem Laufe die merkwürdigsten
Ereignisse aller Zeiten berührt und mit einer vollständigen Ent-
hüllung der Herrlichkeiten endigt, die sich in den letzten Tagen
auftun werden.
Ein merkwürdiges Beispiel aus dem Leben des Propheten
Elia ist, daß er Ahab prophezeite, es werde während mehr als
drei Jahren nicht regnen, was auch nach seinem Worte geschah.
Ein merkwürdiges Beispiel ist auch der Syrier Hazael, der
zu Elisa kam, und Gott wegen seines kranken Herrn, des Königs
von Syrien, zu befragen. Der Prophet sah ihn ernst an und
brach in Tränen aus; als ihn Hazael fragte: „Warum weinest
du?“ so antwortete er und sprach: „Der Herr hat mir gezeigt,
daß du König über Syrien werden wirst.“
Er vor dann fort, ihm die Grausamkeiten zu enthüllen, die
er gegen Israel ausüben werde, welche zu schrecklich sind, um hier
erwähnt zu werden, damit das zarte Ohr nicht beleidigt werde.
Aber Hazael, erstaunt, diese Dinge in betreff seiner Person zu
hören, die ihn zu jener Zeit mit Schrecken erfüllten, rief vor
Überraschung aus: „Aber wie! ist dein Knecht ein Hund, daß er
etwas so Großes tun sollte?“ Doch muß man zum Erstaunen
sagen, daß später alles buchstäblich erfüllt wurde.
Im 21. Kapitel des 2. Buchs der Chronika steht geschrieben,
daß an Joram eine Schrift von Elia kam, die, nachdem sie die
große Gottlosigkeit erwähnt, deren er sich schuldig machte, indem
er sich zur Abgötterei wandte und auch seine Brüder von seines
Vaters Hause ermordete, die besser als er waren, so fortfährt:
„Siehe, so wird dich der Herr mit einer großen Plage schlagen,
an deinem Volke, an deinen Kindern, an deinen Weibern und an
aller deiner Habe; du aber wirst viel Krankheit haben in deinem
Eingeweide, bis daß dein Eingeweide vor Krankheit herausgehe
von Tage zu Tage.“ In demselben Kapitel steht geschrieben:
„Die Philister und Araber kamen gegen ihn und führten weg seine
Weiber, Kinder und alle Habe; und nach dem allem plagte ihn
der Herr in seinem Eingeweide mit solcher Krankheit, die nicht
zu heilen war, und sein Eingeweide ging von ihm wegen seiner
Krankheit, und er starb an einer bösen Krankheit.“
Der 26. Vers des 6. Kapitels des Buchs Josua enthält eine
wunderbare Weissagung in betreff Jerichos: „Verflucht sei der
–   12   –

Mann vor dem Herrn, der sich aufmacht und diese Stadt Jericho
wieder bauet. Wenn er ihren Grund leget, das koste ihn seinen
ersten Sohn, und wenn er ihre Tore setzet, das koste ihn seinen
jüngsten Sohn.“
Nach diesem Fluche lag die Stadt Jericho lange Zeit wüste
da, weil es niemand wagte, dieselbe auf Kosten seines erstgeborenen
und jüngsten Sohnes wieder aufzubauen, bis endlich, nachdem
viele Richter und Könige aufeinander gefolgt und Jahrhunderte
vergangen waren,Hiel, der Betheliter, der zur Zeit Ahabs lebte,
wahrscheinlich in der Meinung, daß der Herr den von Josua
darüber ausgesprochenen Fluch vergessen hätte, die Stadt wieder
aufzubauen wagte; aber er hatte nicht sobald ihren Grund gelegt,
als Abiram, sein Erstgeborener, starb; da er aber noch verstockten
Herzens blieb und ihre Tore setzte, verlor er seinen jüngsten Sohn
Segub, nach dem Worte des Herrn, das er geredet hatte durch
Josua; siehe 1. Buch der Könige 16, 34. Wir könnten ein ganzes
Buch mit Beispielen ähnlicher Art, die durch den ganzen geschicht-
lichen Teil der Heiligen Schrift zerstreut sind, füllen; aber wir
unterlassen es, um zu einer genaueren Erforschung der Weis-
sagungen der jüdischen Propheten zu eilen. Wir werden dieselben
verfolgen, wie sie in bezug auf Jerusalem, Babylon, Tyrus, Ägyp-
ten und verschiedene andere Völker in Erfüllung gegangen sind.
Babylon, die älteste und berühmteste Stadt der Welt, hatte
eine herrliche Lage an den Ufern eines majestätischen Flusses, der
seinen Lauf durch die Ebenen von Schinar nahm, in deren Nähe
einst der Turm von Babel stand. Sie war viereckig, von einer
mehr als dreihundert Fuß hohen Mauer umgeben, und hatte
einen Umfang von mehr als sechzig englischen Meilen, mit hundert
Toren von Erz, an denen sich eiserne Stangen befanden, mit fünf-
undzwanzig Toren auf jeder Seite, welche zu Straßen führten,
die in einer Strecke von fünfzehn englischen Meilen durch die
Stadt liefen, und so bildete die ganze Stadt genaue Vierecke von
gleicher Größe. Mitten in diesen Vierecken lagen schöne Gärten,
die mit Bäumen, Spazierwegen und mit Blumen verschiedener
Farbe geziert waren, indes die Häuser auf den Rändern der
Vierecke unmittelbar gegen die Straßen gebaut waren. Mitten
in dieser Stadt saß Nebukadnezar auf dem Throne, umgeben von
königlichem Glanze und Pracht, und schwang sein Zepter über alle
Reiche der Welt. Da gefiel es Gott, in einem Gesichte während
der Nacht den dunklen Schleier der Zukunft zu lüften und ihm
–   13   –

mit einem Blick in die Geschichte der Welt zu zeigen, bis auf das
Ende aller Dinge.
„Siehe, ein sehr großes und hohes Bild stand vor ihm, dessen
Haupt war von feinem Golde, seine Brust und Arme von Silber,
sein Bauch und seine Lenden waren von Erz, seine Schenkel waren
Eisen, seine Füße waren eines Teiles Eisen und eines Teiles Ton.
Solches sah er, bis das Ein Stein herabgerissen ward ohne Hände,
der schlug das Bild an seine Füße, die Eisen und Ton waren, und
zermalmte sie; da wurden miteinander zermalmt Eisen, Ton, Erz,
Silber und Gold und wurden wie Spreu auf den Sommertennen;
und der Wind verwehte sie, daß man sie nirgends mehr finden
konnte. Der Stein aber, der das Bild schlug, wurde ein großer
Berg, der die ganze Welt füllte.“
Als Daniel vor den König gebracht wurde, um den Traum
zu sagen und auszudeuten, rief er aus: „Gott vom Himmel, der
kann verborgene Dinge offenbaren; der hat dem König Nebukad-
nezar angezeigt, was in künftigen Zeiten geschehen soll.“ Dann,
nachdem er den Traum erzählt, fuhr er fort: „Du, König, bist
ein König aller Könige, dem Gott vom Himmel Königreich, Macht,
Stärke und Ehre gegeben hat; und alles, da Leute wohnen; dazu
die Tiere auf dem Felde und die Vögel unter dem Himmel in
deine Hände gegeben, und dir über alles Gewalt verliehen hat;
du bist das güldene Haupt. Nach dir wird ein ander Königreich
aufkommen, geringer denn deines. Darnach das dritte Königreich,
das ehern ist, welches über alle Lande herrschen wird. Das vierte
wird hart sein wie Eisen; denn gleich wie Eisen alles zermalmet
und zerschlägt, ja, wie Eisen alles zerbricht, also wird es auch
alles zermalmen und zerbrechen. Daß du aber gesehen hast die
Füße und Zehen eines Teils Ton und eines Teils Eisen; das
wird ein zerteilet Königreich sein, doch wird von des Eisen Art
drinnen bleiben; wie du denn gesehen hast Eisen mit Ton ver-
menget,und daß die Zehen an seinen Füßen eines Teils Eisen
und eines Teils Ton sind, wird's zum Teil ein stark und zum
Teil ein schwach Reich sein. Und daß du gesehen hast Eisen mit
Ton vermenget, werden sie sich wohl nach Menschen Geblüt unter-
einander mengen, aber sie werden doch nicht aneinander halten;
gleich wie sich Eisen mit Ton nicht mengen läßt. Aber zur Zeit
solcher Königreiche wird Gott vom Himmel ein Königreich auf-
richten, das nimmermehr zerstört werden wird; und sein König-
reich wird auf kein ander Volk kommen. Es wird alle diese
–   14   –

Königreiche zermalmen und zerstören; aber es wird ewiglich
bleiben. Wie du denn gesehen hast einen Stein ohne Hände
vom Berge herabgerissen, der das Eisen, Erz, Ton, Silber und
Gold zermalmet. Also hat der große Gott dem Könige gezeigt,
wie es hergehen werde; und das ist gewiß der Traum, und die
Deutung ist recht.“
In dieser großen Übersicht des Gegenstandes wird uns zuerst
das Reich Nebukadnezars vorgeführt, zweitens die Meder und
Perser, die Babylon dem Belsazer entrissen und über die ganze
Erde herrschten; drittens, die Griechen unter Alexander, welcher
die Welt eroberte und dann in Babylon regierte; viertens, das
römische Reich, welches alles unterjochte; fünftens, seine Teilung
in das östliche und westliche Reich und seine endliche Auflösung
oder Zerstückelung in verschiedene Königreiche des neuen Europas,
die durch die Füße und Zehen, die eines Teils Eisen und eines
Teils Ton sind, dargestellt wurden. Und zuletzt wird uns ein
ganz neues Königreich vorgeführt, das Gott vom Himmel in den
letzten Tagen oder während der Regierung dieser Könige auf-
richten wird, was durch die Füße und Zehen dargestellt wurde.
Dieses letzte Königreich wird niemals seinen Herrn wechseln, wie
alle die andern Königreiche, die vor diesem waren. Es wird
auf kein anderes Volk kommen, es wird alle diese Königreiche
zermalmen und es wird ewiglich bleiben. Viele sind der Meinung,
daß dieses letzte Königreich, auf welches hingewiesen wird, das
Reich Gottes war, das in den Tagen Christi oder seiner Apostel
gegründet wurde.
Ein größerer Fehler könnte jedoch nicht gemacht werden; das
in den Tagen Christi oder seiner Apostel auf gerichtete Reich
Gottes zermalmte keines von den Reichen der Welt; sondern es
wurde selbst bekriegt und überwältigt, um die Worte Daniels zu
erfüllen, die im 7. Kapitel, 21. und 22. Vers enthalten sind:
„Und ich sah dasselbige Horn streiten wider die Heiligen, und es
behielt den Sieg wider sie, bis der Alte kam und Gericht hielt
für die Heiligen des Höchsten; und die Zeit kam, daß die Heiligen
das Reich einnahmen“; und auch im 27. Vers: „Aber das Reich,
Gewalt und Macht unter dem ganzen Himmel wird dem heiligen
Volke des Höchsten gegeben werden, des Reich ewig ist, und alle
Gewalt wird ihm dienen und gehorchen.“
Johannes sagt in der Offenbarung, 13. Kapitel, 7. Vers:
„Und ward ihm gegeben zu streiten mit den Heiligen und sie zu
–   15   –

überwinden. Und ward ihm gegeben Macht über alle Geschlechter
und Sprachen und Heiden.“
Um diese Worte zu erfüllen, wurde den Gewalthabern der
Erde die Macht gegeben, die von Gott gesandten Männer zu
töten oder, wenn noch einige übrig blieben, von den Menschen
zu verbannen und sie zu zwingen, sich auf wüste Inseln oder in
die Gruben und Höhlen der Berge der Erde zu flüchten, obgleich
die Welt ihrer nicht würdig war; während zugleich an ihrer Stelle
viele falsche Propheten und Lehrer auftraten, von denen die
Menschen sehr viele aufnahmen, weil sie die heilsame Lehre nicht
leiden konnten. Auf diese Weise wurde das Reich Gottes
unter den Menschen aufgelöst und ging verloren,
und an seine Stelle traten die Lehren und Kirchen der Menschen.
Wir wollen aber diesen Gegenstand noch ausführlicher behandeln,
wenn wir von dem Reiche Gottes sprechen werden. Es mag
genügen zu sagen, daß das von Daniel erwähnte Reich in den
letzten Tagen durch Gott vom Himmel ohne die Hilfe menschlicher
Gesetze oder Vorschriften aufgerichtet werden wird. Und wenn es
einmal aufgerichtet ist, wird es nicht zu wachsen aufhören; alle
Macht der Erde und der Hölle werden sein Wachstum nicht
hindern, bis zuletzt der Alte zu Gericht sitzen und Jesus Christus
in den Wolken vom Himmel kommen wird, mit großer Macht
und Herrlichkeit, als der König der Könige und der Herr der
Herren, und alle diese Königreiche vernichten, und das Reich, die
Gewalt und Macht unter dem ganzen Himmel den Heiligen geben
wird. Dann wird nur ein Herr sein, und sein Name einer, und
er wird König über die ganze Erde sein.
Wir wollen jetzt zu Nebukadnezar zurückkehren, den der Herr,
durch den Mund Jeremias, seinen Diener nennt, um sein Gericht
zu halten über die Völker. Es scheint, daß der Herr diesen großen
Mann erhob, um ihn zum König der Könige und Herrn der
Herren zu machen, indem er ihn mit seinem eigenen Schwerte
rüstete und ihm Macht und Gewalt gab, zu dem ausdrücklichen
Zwecke, seine Gerichte auszuführen und alle Völker der Erde zu
geißeln und zu demütigen.
Jeremias, im 25. Kapitel, sagt: Der Herr beabsichtigte,
Nebukadnezar und sein Heer gegen Jerusalem und gegen alle
umliegenden Völker kommen zu lassen, um sie zu zerstören und in
Gefangenschaft zubringen siebenzig Jahre; nach siebenzig Jahren
aber wollte er den König von Babylon und all dies Volk heim-
–   16   –

suchen um ihre Missetaten. Wer kann nun die Geschichte von der
Erfüllung dieser großen Ereignisse, die so genau von Jeremias,
Jesaia und Hesekiel angegeben sind, verfolgen, ohne von Erstaunen
und Bewunderung ergriffen zu werden über die wunderbare Gabe
der Prophezeiung,
durch welche die Menschen in jenen Tagen
die Geschichte der Zukunft lesen konnten, wie man die Geschichte
der Vergangenheit liest. In der Tat, der Geschichtsforscher des
neunzehnten Jahrhunderts, der die Geschichte der Babylonier,
Meder, Perser, Griechen, Römer, Ägypter und Juden in seinen
Händen hat, wird sich mit den unter jenen Völkern vorgefallenen
Ereignissen kaum vertrauter machen können, als die Propheten,
welche dieselben siebenzig Jahre vor ihrer Erfüllung kannten.
Die Juden wurden von Nebukadnezar unterworfen; ihre
Stadt Jerusalem mit ihrem Tempel durch Feuer zerstört; ihre
Fürsten, Adeligen und ihr Volk mit ihren ganzen Heiligtümern
nach Babylonien geführt. Alle Einzelheiten dieser Zerstörung und
Gefangenschaft und die Zeit ihrer Dauer, nämlich siebenzig Jahre,
wurden genau von Jeremias vorhergesagt. Nach Unterwerfung
der Juden ließ der König von Babylon sein Heer gegen Tyrus
marschieren, eine Handelsstadt, die an einem Seehafen lag, und
nicht nur von der See, sondern auch von einer starken Mauer
umgeben war. Ein so stark befestigter Ort erforderte die größte
Geschicklichkeit und Ausdauer Nebukadnezars und seines ganzen
Heeres, welches lange Zeit unaufhörliche Anstrengungen machte,
zuletzt jedoch Tyrus einnahm und die Bewohner in Gefangenschaft
brachte, siebenzig Jahre lang. Nach dieser Zeit kehrten sie zurück
und bauten ihre Stadt wieder auf; denn Jeremias hatte vorher
die Eroberungen von Tyrus, seine siebenzigjährige Knechtschaft ge-
weissaget, und ebenso, daß es nach jener Zeit wieder aufgebaut
werden würde. Nachdem nun Tyrus wieder aufgebaut war, so
blühte die Stadt eine Zeitlang, wurde aber später gänzlich ver-
wüstet. Überreste von ihren Trümmern werden noch heutigentages
auf dem Grunde des Meeres gefunden; aus der Stelle, wo die
Stadt stand, ist ein unfruchtbarer Felsen geworden, auf dem nur
einige arme Fischer wohnen. Diese ganze Zerstörung und sogar
ihr gegenwärtiges Aussehen einer wüsten und ewigen Einöde
wurde von den Propheten genau vorhergesagt.
Nachdem der König von Babylon Tyrus glücklich genommen
und manches Haupt kahl und mancher Rücken durch die Strapazen
der Belagerung gebeugt war, versprach ihm der Herr durch den
–   17   –

Mund Hesekiels das ganze Gut Ägyptens als Gold für sein Heer,
und ihm für seine große Leistung, in welcher er Gott gegen Tyrus
gedient, zu belohnen. Alsdann, seht seinen Krieg an, in welchem
er Ägypten nahm und dessen Einwohner in Gefangenschaft brachte,
bis die siebenzig Jahre um waren. Und endlich folgt ihm, wie
er die Rache und den Zorn des Herrn ausgeführt gegen Uz, an
den Königen der Philister, samt Asrelon, Azaah, Eskron, Edom,
Moab, Ammon, Dedan, Tema und Buz; an den Königen in
Arabien, an den Königen in Simri, allen Königen in Edam,
allen Königen in Meden; an allen Königen in Mitternacht, beide
in der Nähe und Ferne, und endlich gegen alle Königreiche der
Welt, daß sie trunken werden und speien, niederfallen und nicht
aufstehen mögen vor dem Schwert, das er unter sie schicken will.
Als aber der Herr seinen ganzen Willen an diesen Völkern
erfüllt hatte, beschloß er andrerseits, diesen großen Monarchen und
seine Nachfolger zu strafen, und die Stadt und das Land, über
welches er regierte, zu einer ewigen Wüste zu machen. Und alles
dies wegen ihres Stolzes und Hochmutes. Der Herr sprach: „Soll
sich die Axt gegen den rühmen, der damit haut, oder soll sich
diese Säge gegen den rühmen, der sie ziehet?“
Um nun aber die Rückkehr der Juden und anderer Völker
aus ihrer siebenzigjährigen Gefangenschaft und Knechtschaft und
die Bestrafung Babylons zu vollziehen, wird von den Propheten
ein andrer, von dem des Nebukadnezars sehr verschiedener
Charakter angeführt; einer, der in der Schrift der Gesalbte des
Herrn heißt.
Man kann ihn für einen der außerordentlichsten Charaktere
halten, welche die Heidenwelt hervorgebracht; seine Milde, Aus-
dauer, sein Mut, Erfolg und vorzüglich sein strenger Gehorsam
gegen das Gebot jenes Gottes, welchen weder er noch seine Väter
gekannt hatten – alles das beweist, daß Jesaia ihn nicht mit
Unrecht den Gesalbten des Herrn nannte, der die Völker aus der
Knechtschaft erlösen und die größte Stadt und Herrschaft, die
jemals auf der Erde war, geißeln und unterjochen, die Juden
zurückbringen und ihrer Stadt und ihren Tempel wiederaufbauen
sollte. In der Tat, er gehört mit zu den wenigen, welche die
Welt nur für außerordentliche Zwecke hervorbringt.
Laßt uns jedoch des Propheten eigene Worte über ihn hören,
im Jesaia, 45. Kapitel: „So spricht der Herr zu seinem Ge-
salbten, dem Cyrus, den ich bei seiner rechten Hand ergreife, daß
–   18   –

ich die Heiden vor ihm unterwerfe und den Königen das Schwert
abgürte, auf daß vor ihm die Türen geöffnet werden und die
Tore nicht verschlossen bleiben: Ich will vor ihr hergehen und
die Höcker eben machen; ich will ehernen Türen zerschlagen
und die eisernen Riegel zerbrechen. Und ich will dir geben die
heimlichen Schätze und die verborgenen Kleinode; auf das du
erkennest, daß ich, der Herr, der Gott Israels, dich bei deinem
Namen genannt habe, um Jakob, meines Knechtes, willen; und
um Israel, meines Auserwählten, willen. Ja, ich rief dich bei
deinem Namen und nannte dich, da du mich noch nicht kanntest.
Ich bin der Herr, und sonst keiner mehr; kein Gott ist, ohne
mich. Ich habe dich gerüstet, da du mich noch nicht kanntest, auf
daß man erfahre, beide, von der Sonne Aufgang und der Sonne
Niedergang, daß außer mir keiner sei. Ich bin der Herr und
keiner mehr.“ Im 13. Vers sagt er: „Ich habe ihn erwecket in
Gerechtigkeit, und alle seine Wege will ich eben machen. Er soll
meine Stadt bauen und meine Gefangenen loslassen; nicht um
Geld, noch um Geschenke, spricht der Herr Zebaoth.“ Der Leser
wird sich erinnern, daß Jesaia ungefähr hundert Jahre vor der
Gefangenschaft der Juden lebte und hundertundsiebenzig Jahre
vor ihrer Heimkehr durch Cyrus.
Hier möchte ich innehalten und fragen, welche Macht außer
der des großen Gottes konnte einem Manne die Kraft verleihen,
einen andern Mann ein Jahrhundert vor seiner Geburt mit seinem
Namen zu nennen und richtig die Geschichte seines Lebens vorher-
zusagen? Wie groß muß sein Erstaunen und seine Verwunderung
gewesen sein, als er nach vieljährigen Kriegen und Erschütterungen
als Sieger ausziehend und wie ein Nest die Schätze der Völker
sammelnd, zuletzt sein Lager unter den Mauern des stärksten Ortes
der ganzen Erde aufschlug? Er sah auf dessen Mauern, die eine
Höhe von mehr als 500 Fuß hatten, dessen Tore eisern waren;
das Volk glaubte sich drinnen in der Stadt vollkommen sicher,
da es auf mehrere Jahre reichlich mit Lebensmitteln versehen war.
Wie konnte er daran denken, jene Stadt einzunehmen, wen würde
nicht ein solches Unternehmen zurückgeschreckt haben, es sei denn,
der große Jehova hätte ihn begeistert?
Da er aber den Fluß Euphrat aus seinem Lauf brachte
und in den trockenen Bette des Flusses unter den Mauern der
Stadt marschierte, so gelangte er ohne große Schwierigkeit in den
Besitz der Stadt, denn der König Belsazar hatte sich mit seinen
–   19   –

Gewaltigen und Kebsweibern betrunken, und das da zu aus den
Gefäßen, die sein Vater aus dem Tempel, dem Hause Gottes zu
Jerusalem, genommen hatte, und seine Beine zitterten schon vor
Schrecken über die Handschrift an der Wand, zu deren Auslegung
Daniel eben gerufen worden war, die sein Reich den Medern und
Persern gab. Nachdem Cyrus dieses große Reich sich unterworfen,
setzte er sich auf den Thron der Königreiche; und da er mit Daniel
bekannt wurde, erlangte er ohne Zweifel Kenntnis von dem jüdi-
schen Urkunden, und dann wurde ihm das Geheimnis offenbart:
er konnte dann sehen, daß ihn Gott bei seinem Namen gerufen,
daß die Hand des Akllmächtigen ihn zur Schlacht gerüstet und sein
ganzes Werk gezeigt hatte; er konnte alsdann verstehen, warum
sich die Schätze der Erde in seinen Schoß ausgegossen hatten, und
den Königen das Schwert abgegürtet war, warum vor ihm die
Türen geöffnet und die eisernen Riegel zerbrochen waren. Es
geschah, auf daß er erfahre, daß es einen Gott in Israel gebe,
und keinen andern, und daß alle Götzen wie nichts wären; daß
er auch die Juden wiederbringen, ihre Stadt und ihren Tempel
wiederaufbauen und Gottes Pläne gegen Babylon ausführen sollte.
Demgemäß erließ er an die Juden eine Bekanntmachung, wieder
heimzukehren, und an die Völker, ihnen beim Wiederaufbau zu
helfen. „Denn“, spricht er, „Gott hat mir befohlen, ihm ein Haus
zu bauen zu Jerusalem.“ – Esra, Kapitel 1, 2–3 sagt: „So
spricht Cyrus, König in Persien: der Herr, der Gott des Himmels,
hat mir alle Königreiche der Erde gegeben; und er hat mir be-
fohlen, ihm ein Haus zu bauen zu Jerusalem in Juda; der nun
unter euch seines Volkes ist, mit dem sei sein Gott, und er ziehe
hinauf gen Jerusalem in Juda; und baue das Haus des Herrn,
des Gottes Israel; er ist der Gott, der zu Jerusalem ist.“
Welcher starke Beweis, welcher mächtige Einfluß brachte Cyrus
zu der Überzeugung, daß es der Gott vom Himmel war, der in
Jerusalem wohnte, der allein Gott war, der alle diese Dinge
getan hatte? Er war weder in dem Glauben des wahren Gottes
noch in der Heiligen Schrift unterrichtet worden. Er war sogar
immer sehr eifrig in der Anbetung der Götzen gewesen; bei den
Götzen suchte er in seinem früheren Leben Hilfe. Ich erwidere,
es war die Macht Gottes, welche sich durch eine Prophezeiung
und ihre Erfüllung kundgab; weder in einem geistigen Sinne
noch auf eine dunkle, ungewisse, geheimnisvolle Weise, die schwer
zu verstehen war; sondern durch einen bestimmten, buchstäblichen,
–   20   –

deutlichen Beweis, den niemand bestreiten oder widerlegen konnte.
Jesaia sagt, daß dies der Zweck war, den Gott vor Augen hatte,
sobald er eine solche Deutlichkeit offenbarte. Und Cyurs bewies,
daß es die gewünschte Wirkung hatte.
Ich will hier bemerken, daß, da wir später jenen Teil der
Prophezeiungen durchgehen wollen, der noch zu erfüllen ist, wir
bestimmte Beweise anführen werden, daß die heidnischen Völker
der letzten Tage auf dieselbe Weise wie Cyrus überzeugt werden
müssen; das heißt, gewisse, von den Propheten deutlich vorher-
gesagte Ereignisse, die jedoch noch eintreten sollen, wehrten nach
ihrer Erfüllung alle heidnischen Völker von dem wahren Gotte
überzeugen, und sie werden wissen, das Er gesprochen und es
getan hat. Und alle diese großen und gelehrten Männer der
Christenheit und alle Gesellschaften, welche dem Worte einer
Prophezeiung eine andere als buchstäbliche Bedeutung
geben, werden beschämt und genötigt sein, anzuerkennen, daß alles
geschah, wie es geschrieben steht.
Doch wir wollen zu unserer Untersuchung der Prophezeiungen
und ihrer Erfüllung zurückkehren. Die Propheten hatten nicht nur
die Unterjochung von Babylon durch Cyrus geweissagt, sondern
sie hatten auch sein Geschick durch alle Zeiten verkündigt, sogar,
daß nach seiner gänzlichen Verwüstung niemand mehr dort wohnen
würde, nicht einmal der wandernde Araber würde dort eine Zeit-
lang verweilen, „und der Araber wird keine Hütte daselbst machen“.
Siehe Jesaia 13, 19–22.
Der berühmte jüdische Missionar Herr Joseph Wolf fragte
auf seinen Reisen in Chaldäa die Araber, ob sie ihre Hütten unter
den Trümmern von Babylon aufrichteten, was sie verneinten,
weil sie fürchteten, daß, wenn sie dies täten, der Geist Nimrods
sie beunruhigen würde. So sind alle Prophezeiungen der Pro-
pheten in betreff jener mächtigen Stadt in Erfüllung gegangen.
An Edom finden wir die von den Propheten deutlich ausge-
sprochenen Prophezeiungen auch auf eine merkwürdige Weise er-
füllt. Diese Prophezeiungen wurden zu einer Zeit gegen Edom
gemacht, als sein Land sehr fruchtbar und gut angebaut war und
überall viele blühende Städte waren. Aber jetzt sind aus seinen
Städten wüste Trümmerhaufen geworden, auf denen sich nur See-
raben, Rohrdommeln und wilde Tiere, Schlangen usw. aufhalten,
und sein Boden ist jetzt unfruchtbar geworden; der Herr hat Ver-
wirrung und die Steine der Leere darauf gelegt, und es hat wüste
–   21   –

dagelegen von einem Geschlechte zum andern, um ausdrücklich die
Prophezeiung zu erfüllen.
Wir wollen jetzt eine kurze Beschreibung von dem Gesichte
Daniels geben, von dem das 8. Kapitel seiner Prophezeiungen
in betreff des Bockes und der Ziege handelt. Der Leser dürfte
wohl daran tun, das ganze Kapitel zu lesen; aber wir wollen hier
besonders die Ausdeutung beachten, wie sie ihm von Gabriel ge-
geben wurde und dem 19. bis 25. Verse angeführt wird. Und
er sprach: „Siehe, ich will dir zeigen, wie es gehen wird zur Zeit
des letzten Zornes; denn das Ende hat seine bestimmte Zeit. Der
Widder mit den zwei Hörnern, den du gesehen hast, sind die
Könige in Medien und Persien. Der Ziegenbock aber ist der
König von Griechenland. Das große Horn zwischen seinen Augen
ist der erste König. Daß aber vier an seiner Statt stunden, da
es zerbrochen war, bedeutet, daß vier Königreiche aus dem Volke
entstehen werden; aber nicht so mächtig, wie er war. In der letzten
Zeit ihres Königreiches, wenn die Übertreter überhandnehmen,
wird ein frecher und tückische König aufkommen. Der wird
mächtig sein, doch nicht durch seine Kraft. Er wird greulich ver-
wüsten, und wird ihm gelingen, daß er es ausrichte. Der wird
die Starken samt dem heiligen Volk zerstören. Und durch seine
Klugheit wird ihm der Betrug geraten. Und wird sich in seinem
Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viel verderben;
und wird sich auflehnen wider den Fürsten aller Fürsten, aber
er wird ohne Hand zerbrochen werden.“
In diesem Gesichte finden wir zuerst die Meder und Perser
dargestellt, wie sie sein sollten, bis sie durch Alexander den Großen
besiegt wurden. Es ist nun eine wohlbekannte Tatsache, daß dieses
Reich eine Zeitlang nach dem Tode Daniels ungemein mächtig
und groß wurde, indem sich seine Eroberungen bis nach dem
Westen, Norden und Süden erstreckten, so daß niemand vor ihnen
standhalten konnte, bis Alexander, König von Griechenland, mit
einen kleinen Heere auserwählter Männer heranrückte und die
Perser, welche auf den gegenüberliegenden Ufer des Flusses
Stellung genommen hatten, angriff. Er stürzte sich mit seinem
Pferde in die Fluten, setzte an der Spitze seines Heeres über
den Fluß und lieferte den Persern, ungeachtet ihrer großen Über-
macht und vorteilhaften Stellung, eine Schlacht, worin er seinen
Gegner gänzlich besiegte. Dann begannen die Griechen das Land
zu überschwemmen und zu unterjochen, indem sie die Perser in
–   22   –

einer Anzahl Schlachten schlugen, bis sie dieselben gänzlich unter-
worfen hatten.
Es ist auch gut bekannt, daß Alexander, König von Griechen-
land, von Volk zu Volk zog und die Welt sich unterwarf, bis
er, nach Eroberung der Welt, in einem Alter von 32 Jahren zu
Babylon starb. Und da es aufs stärkste geworden war, zerbrach
das große Horn und wuchsen an dessen Statt ansehnliche vier
gegen die vier Winde des Himmels. Sein Königreich wurde unter
vier seiner Generäle geteilt, welche niemals seine Macht erlangten.
Nun in der letzten Zeit ihres Reiches, als die Sünden des jüdi-
schen Volkes sich überhäuften, vernichtete die römische Macht das
jüdische Volk, nahm Jerusalem und ließ die täglichen Opfer ein-
stellen, und nicht nur dies geschah, sondern sie zerstörten auch die
Starken samt dem heiligen Volke, d. h. die Apostel und die ersten
Christen, welche von den Machthabern Roms getötet wurden.
Wir wollen jetzt fragen: gibt die Geschichte aller dieser
Staaten einen deutlicheren Beweis von vergangenen Ereignissen,
als Daniels Weisheit ihn von Ereignissen gab, welche der Zu-
kunft angehörten und von denen einige dem Laufe der Zeit auf
mehrere Jahrhunderte vorausgeeilt waren, indem er Ereignisse
offenbarte, die kein menschlicher Scharfsinn möglicherweise vor-
ausgesehen haben konnte? Der Mensch kann mit seinem Scharf-
sinne vieles ausführen, er kann das pfadlose Meer ohne günstigen
Wind oder Strömung befahren; er kann sich ohne Flügel bis zu
den Wolken erheben; der kann ohne Tiere Länder mit erstaunlicher
Schnelligkeit durchreisen oder kann seine Gedanken seinem Neben-
menschen durch Briefe mitteilen. Es gibt jedoch etwas, was er
nie erlangen kann; nein, nicht einmal mit der Weisheit ganzer
Zeitalter; es ist nicht für Geld zu haben; es kommt nur von Gott
und wird dem Menschen als eine freie Gabe gegeben. So sagt
der Prophet zu den Götzen: Saget uns das Zukünftige,
auf daß wir wissen mögen, daß ihr Götter seid
.
Wir wollen jetzt weiter zeigen, wie genau die Prophezeiungen
in bezug auf die Person Jesu Christi buchstäblich erfüllet wur-
den. „Siehe“, sagt der Prophet, „eine Jungfrau wird empfangen
und einen Sohn gebären.“ Wiederum, Bethlehem sollte der Ort
seiner Geburt sein; und Ägypten, wo er sich mit seinen Eltern
aufhielt, der Ort, aus welchem er berufen werden sollte. Er wandte
sich nach Nazareth, denn es stand geschrieben: „Er soll Nazarenus
heißen.“ – Er zog ein zu Jerusalem, auf einem Esel und auf
–   23   –

einem Füllen der lastbaren Eselin, weil der Prophet gesagt hatte:
„Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem
Esel und auf einem Füllen der lastbaren Eselin.“ Und wiederum
sagte der Prophet: „Er wird gestraft und gemartert werden; er
wird sein voller Schmerzen und Krankheit; er wird wie ein Lamm
sein, das zur Schlachtbank geführet wird, und wie ein Schaf, das
verstummet vor seinem Scherer und seinen Mund nicht auftut;
in seiner Niedrigkeit war sein Gericht erhaben; wer will seines
Lebens Länge ausreden, denn sein Leben ist von der Erde ge-
nommen. Er wurde um unserer Missetat willen verwundet, und
durch seine Wunden sind wir geheilt; er wurde den Übeltätern
gleich gerechnet; er ist begraben wie ein Reicher. Ihm ist kein
Bein zerbrochen; sie teilen seine Kleidung; sie werfen das Los um
seine Kleider; sie geben ihm Galle und Bitterkeit zu trinken;
sie verraten ihn um dreißig Silberlinge; und als er geendet hatte,
ruhte er im Grabe bis zum dritten Tage, wo er dann trium-
phierend aufstand, ohne die Verwesung zu sehen.“
Nun, lieber Leser, hättest du unsern teuren Erlöser während
seines ganzen Verweilens im Fleische begleiten können und hättest
dir die Mühe gegeben, die einzelnen Umstände seines Lebens und
Todes aufzuzeichnen, wie sie von Zeit zu Zeit eintraten, so würde
deine Geschichte nicht deutlicher sein, als sie die Propheten von
ihm gaben mehrere hundert Jahre vor seiner Geburt. Wir wür-
den wohl daran tun, etwas in bezug auf die Weise zu beachten,
in welcher die Apostel eine Prophezeiung auslegten, und das ist
dies, – sie führten dieselben einfach an und berichteten ihre
buchstäbliche Erfüllung
. Diese Weise verfolgend, konn-
ten sie dem in den jüdischen Synagogen versammelten Volke mit
solchen überzeugenden Beweisen ins Herz dringen, daß dasselbe
genötigt war, den vermeintlichen Betrüger als den Messias an-
zuerkennen. Aber hätten sie nur einmal daran gedacht, eine geistige
oder ungewisse Auslegung zu machen, wie die Theologen der
Gegenwart, so würde alles Ungewißheit und Zweifel gewesen,
und ein Beweis würde von der Erde verschwunden sein.
Nachdem wir nun Prophezeiungen der Propheten des Alten
Testaments und ihre Erfüllung veranschaulicht und klar bewiesen
haben, daß immer eine buchstäbliche Erfüllung beabsichtigt
war, so kann der Gegner vielleicht fragen, ob dieselbe Auslegungs-
weise auch auf die im Neuen Testament enthaltenen Prophe-
zeiungen anzuwenden sei. Wir wollen daher einige wichtige Bei-
–   24   –

spiele von Prophezeiungen und ihrer Erfüllung aus den Neuen
Testamente anführen, worauf wir bereit sein werden, das große
Feld zu betreten, welches noch in der Zukunft liegt. Eine von
den merkwürdigsten Prophezeiungen der Heiligen Schrift ist in
Lukas 21, 20–24 enthalten. „Wenn ihr aber sehen werdet Jeru-
salem belagert mit einem Heere, so merket, daß herbeigekommen
ist ihre Verwüstung. Alsdann wer in Judäa ist, der fliehe auf
das Gebirge; und wer mitten drinnen ist, der weiche heraus; und
wer auf dem Lande ist, der komme nicht hinein. Denn das sind
die Tage der Rache; das erfüllet werde alles, was geschrieben ist.
Wehe aber den Schwangern und den Säugern in denselbigen
Tagen; denn es wird große Not auf Erden sein und ein Zorn
über dies Volk. Und sie werden fallen durch des Schwerts Schärfe
und gefangen geführt werden unter alle Völker; und Jerusalem
wird zertreten werden von den Heiden, bis daß der Heiden Zeit
erfüllt wird.“
Diese Prophezeiung enthält das Schicksal Jerusalems, des
Tempels und des ganzen jüdischen Volkes während wenigstens
achtzehnhundert Jahren. Um das Jahr Siebenzig wurde Jeru-
salem von dem römischen Heere belagert. Die Jünger, der War-
nung eingedenk, welche ihnen vierzig Jahre vorher von ihrem
Herrn und Meister gegeben worden war, entflohen in die Wüste.
Die Stadt Jerusalem wurde genommen nach einer langen und be-
schwerlichen Belagerung, in welcher die Juden das Äußerste durch
Hungersnot, Test und durchs Schwert zu leiden hatten und aus
Mangel an Begräbnisplätzen sogar die Häuser mit Toten anfüllten,
während Weiber aus Nahrungsmangel ihre eigenen Kinder ver-
zehrten. In diesem Kampf kamen in Judäa beinahe eine und
eine halbe Million Juden um, ohne die, welche in Gefangenschaft
gerieten. Ihr Land wurde verwüstet, ihre Stadt niedergebrannt,
ihr Tempel zerstört und der elende Überrest des Volkes unter
alle Völker der Erde zerstreut, in welcher Lage sie seither immer
geblieben und von einem Volke zum andern getrieben, oft fälsch-
lich der ärgsten Verbrechen angeklagt, wegen welcher sie verbannt
und ihrer Güter beraubt wurden. Sie wurden in der Tat meistens
für Geächtete unter allen Völkern gehalten; die Sohle ihrer Füße
hat keine Ruhe gefunden, und sie sind verlacht und verspottet
worden, und das Volk hat gesagt: „Dies ist das Volk des Herrn,
und sie sind aus diesem Lande hinausgegangen.“
Während dieser ganzen Zeit haben die Heiden das Land
–   25   –

Kanaan besessen und die heilige Stadt, wo die Vorfahren der
Kinder Israels Gott verehrten, unter ihre Füße getreten. Trotz-
dem, in dieser langen Gefangenschaft haben die Juden die Ver-
heißungen betreffs ihrer Heimkehr niemals aus den Augen ver-
loren. Mit schmachtenden Herzen erwarten sie die Zeit, in welcher
sie wieder jene gesegnete Erbschaft besitzen können, die ihren Vor-
fahren hinterlassen war; wo sie wieder ihre Stadt und ihren
Tempel aufbauen, ihr Priestertum wiederherstellen und wie ehe-
dem Gott verehren könnten. Sie haben in der Tat mehrerer Ver-
suche gemacht, heimzukehren, aber alle ihre Versuche wurden ver-
eitelt; denn es war ein unabänderlicher Beschluß, daß Jerusalem
von den Heiden sollte unter die Füße getreten werden, bis der
Heiden Zeit erfüllt sei. Über die Geschichte dieser langen Zer-
streuung haben Moses und die Propheten sehr deutlich geschrieben.
In der Tat hat Moses die Einzelheiten erwähnt, wie sie während
der strengen Belagerung ihrer Feinde in Verzweiflung und Not
ihre Kinder heimlich verzehren würden. Wer das 28. Kapitel des
5. Buches Moses liest, wird die Geschichte über das Schicksal der
Juden lesen, von Moses mit einer Klarheit prophezeit, welche die
Geschichte der Vergangenheit charakterisiert.
Unsere nächste Stelle steht in der Apostelgeschichte 21, 10–11,
wo ein Prophet mit Namen Agabus den Gürtel Pauli nahm,
seine eigenen Hände und Füße band und sprach: „Das saget der
Heilige Geist: Den Mann, des der Gürtel ist, werden die Juden
also binden zu Jerusalem und überantworten in der Heiden
Hände.“ Die Erfüllung dieser Weissagung ist zu bekannt, als daß
eine Beschreibung derselben nötig wäre. Wir wollen daher weiter
gehen und eine Prophezeiung Pauli beachten, die im 2. Tim. 4,
3–4 enthalten ist.
„Denn es wird eine Zeit sein, da sie die heilsame Lehre
nicht leiden werden; sondern nach ihren eignen Lüsten werden sie
ihnen selbst Lehrer aufladen, nach den ihnen die Ohren jucken, und
werden die Ohren von der Wahrheit wenden und sich zu den
Fabeln kehren.“ Diese Prophezeiung ist bis auf den Buchstaben
in Erfüllung gegangen; denn sie bezieht sich auf alle Religions-
lehrer, die seit jener Zeit bis heute aufgestanden sind, außer die-
jenigen, welche durch unmittelbare Offenbarung be-
auftragt waren und eine Eingebung des Heili-
gen Geistes empfangen hatten
. Und nun aber den Leser
von ihrer vollständigen Erfüllung zu überzeugen, brauchen wir nur
–   26   –

auf die unzähligen Priester der heutigen Zeit hinzuweisen, welche
um Lohn die Gebote der Menschen predigen und welche ihre Voll-
macht von ihren Mitmenschen erhalten; und was die Fabeln an-
betrifft, zu denen sie sich gekehrt haben, dürfen wir nur die geistigen
und besonderen Auslegungen erwähnen, welche fast aus jedem
religiösen Werk und von der Kanzel zu unserem Ohre gelangen.
Es gibt jedoch noch ein andere Prophezeiung Pauli, die
wohl unserer Beachtung verdient und die Zeiten erläutert, in wel-
chen wir leben; sie ist in den fünf ersten Versen des 3. Kapitels
2. Tim. zu finden: „Das sollst du aber wissen, daß in den letzten
Tagen werden greuliche Zeiten kommen. Denn es werden Men-
schen sein, die von sich selbst halten, geizig, ruhmredig, hoffärtig,
Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, ungeistlich, lieblos,
unversöhnlich, Schänder, unkeusch, wilde, ungütig, Verräter, Frev-
ler, aufgeblasen, die mehr lieben Wollust denn Gott; die da haben
den Schein eines gottseligen Wesens, aber seine Kraft verleugnen
sie. Und solche meide.“
Aus dem letzten Verse dieser Stelle erfahren wir zu unserem
Erstaunen, daß sich diese Masse gesetzlicher Gott-
losigkeit nur auf solche bezieht, die Religion zu
haben behaupten, das heißt, dies ist der Charakter
des sogenannten christlichen Teils der Gemeinde
in den letzten Tagen
. Verwundere dich darüber nicht, lieber
Leser, denn wir machen die Behauptung nicht, ohne den positiven
Beweis dafür zu haben; erinnere dich, Nichtbekenner haben
keinen Schein eines gottseligen Wesens, sondern
jene heuchlerischen Charaktere sollen einen Schein eines
gottseligen Wesens haben, aber seine Kraft ver-
leugnen
. Wenn du aber das Zeugnis Pauli über diesen Gegen-
stand bezweifelst, so blicke um dich und untersuche selbst. „An
ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“ Es betrübt mein Herz,
während ich schreibe. Ach, ist es so weit gekommen; hat der Geist
der Wahrheit den Schleier der Finsternis von den letzten Tagen
entfernt, nur um uns das Bild eines gefallenen Volkes zu zeigen;
eine abgefallende Kirche, die voll von Schändlichkeiten jeglicher Art
ist und sogar die Guten verachtet; indes ihr selbst nichts geblieben
ist als der Schein der Gottseligkeit, und sie die Kraft Gottes ver-
leugnet; das heißt, sie verwirft eine unmittelbare göttliche Ein-
gebung und die übernatürlichen Gaben des Geistes, welche immer
die Kirche Christi bezeichnen. War es nur für dies, daß der
–   27   –

Heilige Geist Ereignisse ungeborener Zeiten den Blicken heiliger
Männer offenbarte, durch welche sie die kommenden Herrlichkeiten
der letzten Tage schauen konnten? O! ihr Propheten und Apostel,
ihr alten heiligen Männer, was habt ihr getan, wenn ihr hier
stehen bleibt; wenn sich euer prophetisches Gesicht den Strom der
Zeit hinab nur bis auf die gegenwärtige Zeit erstreckte? Ach! ihr
habt unser Herz mit Sorge und Verzweiflung erfüllt; die Juden
habt ihr in Sorge und Finsternis wandeln lassen, weit von dem,
was ihren Herzen am teuersten ist; ihr Land ist eine Wüste, ihre
Stadt und Tempel in Trümmern, und sie haben keine Kenntnis vom
wahren Messias. Nachdem die Heiden Anteil an der Wurzel und der
Fruchtbarkeit des zahmen Ölbaumes gehabt haben, sind sie nach dem-
selben Beispiele des Unglaubens abgefallen und ohne Frucht abge-
storben, mit der Wurzel ausgerissen, indes ihnen nur der Schein der
Gottlosigkeit geblieben ist, während die Kraft, welche das Charakte-
ristische der alten Kirche war, von den Menschen gewichen ist. Ist
dies das Ziel aller eurer Arbeiten? Habt ihr darum geforscht, ge-
arbeitet, geblutet und den Tod erlitten? Ich warte auf eine Ant-
wort, wenn ihr ein Wort des Trostes bereit habt, in betreff der
Zukunft, so sprecht es schnell aus, damit unsere Seelen nicht
länger in dem finsteren Tale der Sorge und Verzweiflung bleiben.

___________

Kapitel 2.
Noch unerfüllte Prophezeiungen.
Was ist eine Prophezeiung anders als eine
Geschichte der Zukunft?
Nach dem wir nun offenbar und genügend bewiesen haben, das
die durchgenommenen Prophezeiungen wörtlich bis auf den Buch-
staben in Erfüllung gegangen sind, so hoffen wir, daß der Leser
dieselbe Regel auch in bezug auf ihn noch unerfüllten niemals aus
dem Auge lassen wird. Während wir an der Schwelle der Zukunft
stehen und im Begriffe sind, die Wunder noch zukünftiger Zeiten
zu schauen, die unsern erstaunten Blicken die größten und er-
habensten Handlungen, die erstaunlichsten Umwälzungen, die außer-
ordentlichsten Zerstörungen zeigen werden, sowie auch die wunder-
barste Offenbarung der Macht und Majestät Jehovas in der
–   28   –

großen Wiederherstellung seines lang zerstreuten Bundesvolkes
von den vier Enden der Erde; ich sage, da diese Gegebenheiten
sich unsern Blicken zeigen werden, so wollen wir uns beugen vor
dem großen Schöpfer, im Namen Jesu und im Glauben um seinen
Geist bitten, um unsern Mut zu stärken und unsern Geist zu er-
leuchten, auf daß wir verstehen und glauben mögen alles, was
geschrieben steht, wie wunderbar es auch sein mag.
Aber, o lieber Leser, wer du auch bist, wenn du dich nicht
vorbereitet hast, verfolgt zu werden, wenn du nicht bereit bist,
deinen Namen als schlecht verwerfen zu lassen, wenn du es nicht
ertragen kannst, ein Verführer, Betrüger, Toller oder Besessener
zu heißen; oder wenn du durch die Meinungen der Menschen
gebunden bist, gerade so viel und nicht mehr zu glauben, so wäre
es besser, du hieltest inne; denn wenn du an die in der Bibel
enthaltenen Dinge, die noch geschehen werden, glauben willst, so
wirst du genötigt sein, an Wunder, Zeichen, Offenbarungen und
an eine Entfaltung der Macht Gottes zu glauben, wie sie kein
früheres Geschlecht gesehen hat; ja, du wirst glauben, daß sich
die Wasser teilen werden und Israel trockenen Fußes hindurch-
gehen wird, wann sie nach ihrem Lande ziehen, wie zu Mosis
Zeiten; denn niemand glaubte je an die Bibel, der nicht auch an
solche glorreiche Ereignisse in den letzten Tagen glaubte und die-
selben erwartete.
Ich wage zu sagen, daß einer der an die Bibel buchstäblich
glaubt, in unsern Tagen eine Persönlichkeit sein würde, welche
wenige Menschen dieser Generation mit aller ihrer gerühmten Re-
ligion je gesehen haben, denn es ist ein großer Unterschied: das
Buch geschlossen für wahr zu halten oder an das darin Geschriebene
zu glauben. Man hält es heute in der Christenheit für eine große
Schande, nicht an die Bibel zu glauben, wenn sie geschlossen ist;
aber wer den Versuch macht, wird finden, daß es eine größere
Schande ist, zu glauben, daß die darin enthaltenen Dinge noch
geschehen werden. In der Tat, unser fester Glaube an die in der
Bibel enthaltenen Dinge und deren sorgfältiges Lehren sind eine
Hauptursache der Verfolgungen, die wir erleiden. Denn wenn
die Prophezeiungen von dem Volke verstanden werden und in
Erfüllung gehen, so werden dadurch alle religiösen Sekten in alle
vier Winde geweht und das Reich Christi auf ihren Trümmern
aufgerichtet werden, während die Erde von der wirklichen Er-
kenntnis der Wahrheit wie das Meer mit Wasser bedeckt sein wird.
–   29   –

Nachdem nun so viel zur Vorsicht gesagt worden ist, so wollen
wir, wenn irgendeiner von meinen Lesern so kühn und unbe-
kümmert um die Folgen ist, zum Wagen, mit mir in die Zukunft zu
blicken, mit Jesaia, 11. Kapitel, 11., 12., 15. und 16. Vers, an-
fangen: „Und der Herr wird zu der Zeit zum andern Mal seine
Hand ausstrecken, daß er das übrige seines Volkes erwerbe; so
übriggeblieben ist von den Assyrern, Ägyptern, Pathros, Mohren-
land, Elam, Sinear, Hamath und von den Inseln des Meeres.
Und wird ein Panier unter den Heiden aufwerfen und zusammen-
bringen die Verjagten Israels und die Zerstreuten aus Juda
zuhauf führen von den vier Örtern des Erdreichs. Die Kinder
Ammon werden gehorsam sein. Und der Herr wird verbannen
die Zunge des Meeres in Ägypten und wird seine Hand lassen
gehen über das Wasser mit seinem starken Winde und die sieben
Ströme schlagen, daß man mit Schuhen dadurch gehen mag. Und
wird eine Bahn sein dem Übrigen seines Volks, das übergeblieben
ist von den Assyrern; wie Israel geschah zu der Zeit, da sie aus
Ägyptenland zogen.“
Hier sehen wir ein Panier für die Völker aufgerichtet; nicht
nur für die Zerstreuten aus Juda, sondern auch für die Verjagten
aus Israel. Von den Juden heißt es, sie sind zerstreut, weil sie
unter die Völker zerstreut sind; die zehn Stämme werden Verjagte
genannt, weil sie außerhalb der Kenntnis der Völker in ein beson-
deres Land verstoßen sind. Der Leser wird sich jetzt erinnern, daß
die zehn Stämme nicht im Lande Kanaan gewohnt haben, seitdem
sie von Salmanasser (Königreich Assyrien) in die Gefangenschaft
geführt wurden. Wir haben auch in dem 15. Vers die wunder-
bare Macht Gottes vor unsere Augen gestellt, welche nicht nur in
der Vernichtung eines kleinen Armes des Roten Meeres, der die
Zunge des Ägyptischen Meeres heißt, entfaltet sein wird, sondern
auch dadurch, daß sich die sieben Ströme eines Flusses teilen
und die Menschen trockenen Fußes hindurch gehen werden; und
damit es ja nur buchstäblich aufgefaßt werde, heißt es in dem
15. Verse: „Und wird eine Bahn sein den Übrigen seines Volks,
das überblieben ist von den Assyrern; wie Israel geschah
zur Zeit, da sie aus Ägyptenland zogen
.“
Wir müssen jetzt fragen, ob zu Mosis Zeiten das Meer
buchstäblich geteilt wurde? oder ob es nur ein bildlicher Aus-
druck war? Denn was damals geschah, soll wieder geschehen.
Doch sagen uns die neueren Gottesgelehrten, daß die Tage der
–   30   –

Wunder auf immer vorbei sind, und diejenigen, die noch jetzt an
Wunder glauben, werden für Betrüger oder wenigstens für arme,
unwissende Schwärmer gehalten, und das Publikum wird vor
ihnen wie vor falschen Lehrern gewarnt, die, wenn es möglich
wäre, sogar die Auserwählten verführen würden. Über den
Gegenstand dieser Wiederherstellung haben die Propheten so aus-
führlich und wiederholt gesprochen, daß wir nur einige von den
merkwürdigsten Stellen anführen können, welche beweisen werden,
unter welchen besonderen Umständen und Ereignissen und wie
und wodurch dieses in Erfüllung gehen wird.
Im Jeremias 16,14–16 heißt es: „Darum siehe, es kommt
die Zeit, spricht der Herr, daß man nicht mehr sagen wird: So
wahr der Herr lebet, der die Kinder Israel aus Ägyptenland
geführet hat; sondern: So war der Herr lebet, der die Kinder
Israel geführet hat aus dem Lande der Mitternacht und aus
allen Ländern, dahin er sie verstoßen hatte. Denn ich will sie
wiederbringen in das Land, das ich ihren Vätern gegeben habe.
Siehe, ich will viele Fischer aussenden, spricht der Herr, die sollen
sie fischen: und danach will ich viele Jäger aussenden, sie sollen
sie fahen auf allen Bergen und auf allen Hügeln und in allen
Steinritzen.“ So pflegte nun Israel immer, wenn es die Größe
seines Gottes auszudrücken wünschte, zu sagen: „So wahr der
Herr lebet, der unsere Väter aus Ägyptenland geführet hat.“
Diese Worte erinnerten zugleich an die Macht und Wunder
jenes denkwürdigen Ereignisses und an alles Große und Erhabene,
so daß das Gemüt unter dem lebendigen Einflusse des Gottes
Israels mit Ehrfurcht erfüllt wurde. Aber zu unserem Erstaunen
wird etwas geschehen, das alle die großen Ereignisse jener Zeit
in den Schatten stellen wird, und die Kinder Israel werden wissen,
daß ihr Gott lebt, indem sie an die Ereignisse der letzten Zeit
denken, die noch glorreicher und wunderbarer sein werden als
ihr Auszug aus Ägypten (Jer. 16, 15). Sie werden ausrufen:
„So wahr der Herr lebet, der die Kinder Israel geführet hat
aus dem Lande der Mitternacht und aus allen Ländern, dahin er
sie verstoßen hatte! Denn ich will sie wiederbringen in das Land,
das ich ihren Vätern gegeben habe.“ Alles Große, Erhabene,
Wunderbare und Erstaunliche wird mit diesem Gedanken verbunden
sein; indes sie eingedenk sind, welche Offenbarungen, Enthüllungen
und Wunder geschahen und welche Barmherzigkeit gezeigt wurde bei
dem Eintritt jener großen Begebenheit vor den Augen aller Völker.
–   31   –

Im Blick auf diese Ereignisse ruft Jeremias im letzten Verse
dieses Kapitels aus: „Darum siehe, nun will ich sie lehren und
meiner Hand und Gewalt ihnen kund tun; daß sie erfahren sollen,
ich heiße der Herr.“
Aber die Mittel, die zur Ausführung dieser großen Begeben-
heit angewendet werden, bestehen nicht nur in dem Aufrichten einer
Fahne, eines Paniers, auf daß wir erfahren mögen, wann die
Zeit erfüllt ist, sondern auch darin, daß Fischer und Jäger aus-
gesandt werden sollten, um zu fischen und zu fahen auf allen
Bergen und auf allen Hügeln und in allen Steinritzen. Der
Leser mag hier bedenken, daß die Menschen nicht Missionare aus-
senden sollten, die nicht den Geist Gottes haben, um Israel
einige hundert verschiedene Lehren und Meinungen der Menschen
zu lehren und ihnen sagen, sie vermuten, die Zeit sei ungefähr für
sie gekommen, sich zu versammeln. Sondern Gott würde Menschen
durch wirkliche direkte Offenbarungen vom Himmel berufen und
ihnen sagen, wer Israel ist; wer die Indianer Amerikas sind, ob
sie von Israel herstammen, und auch, wo die zehn Stämme und
alle die zerstreuten Überreste jenes lange verlorenen Volkes sind.
Er würde Ihnen den Auftrag für ihre Mission geben und sie mit
Kraft von oben ausrüsten, um das große Werk trotz der widrigen
Elemente und der vereinigten feindlichen Mächte der Erde und
Hölle auszuführen. „Aber“, frägst du, „warum wird der Herr
Männer durch wirkliche Offenbarungen beauftragen?“ Ich erwidere,
weil er immer nur auf diese Weise Menschen aussendet. Kein
Mensch, sagt der Apostel, nimmt diese Ehre selbst auf sich, außer
wer von Gott berufen ist, wie Aron. Wir geben nun alle zu,
daß Aron durch Offenbarung berufen war.
Nun, der große Jehova anerkannte niemals und wird niemals
das Priestertum oder geistliche Amt irgendeines Mannes aner-
kennen, welcher nicht durch Offenbarung berufen und von Gott,
wie in alten Zeiten, inspiriert ist. Aber! sagt der Leser, Sie
erstaunen mich, denn alle unsere heutigen Gottesgelehrten lehren
keine Offenbarungen später als die Bibel, sowie auch keine un-
mittelbare göttliche Eingebung oder übernatürliche Gabe des Geistes.
Verwerfen Sie sie alle und sagen Sie, daß sie keine Vollmacht
haben? Ich erwidere: Nein; denn die Bibel tut es, und ich
füge mich bescheiden in das, was sie beschließt, da man jene in der
Schrift nur als Lehrer kennt, welche das Volk sich selbst aufge-
laden hat. Das Wort aufladen bedeutet nicht einige, sondern viele.
–   32   –

Um aber noch genauer zu beweisen, daß Gott Offenbarungen
geben wird, um dieses glorreiche Werk auszuführen, so verweisen
wir auf Hesekiel 20, 33–38. Die Stelle lautet: „So wahr ich
lebe, spricht der Herr, Herr, ich will über euch herrschen mit starker
Hand und ausgestrecktem Arm und mit ausgeschüttetem Grimm;
und ich will euch aus den Völkern führen und aus den Ländern,
dahin ihr zerstreuet seid, sammeln mit starker Hand, mit ausge-
strecktem Arm und mit ausgeschüttetem Grimm. Und will euch
bringen in die Wüste der Völker und daselbst mit euch rechten
von Angesicht zu Angesicht. Wie ich mit euren Vätern in der
Wüste bei Ägypten gerechtet habe, ebenso will ich auch mit euch
rechten, spricht der Herr, Herr. Ich will euch wohl unter die
Rute bringen und euch in die Bande des Bundes zwingen. Und
will die Abtrünnigen und so wider mich übertreten unter euch
ausfegen: ja, aus dem Lande, da ihr jetzt wohnet, will ich sie
führen und in das Land Israel nicht kommen lassen; daß ihr
lernen sollt, ich sei der Herr.“
Wie man sieht, fängt die Verheißung mit einer doppelten
Versicherung an; zuerst mit einem Eide: So wahr ich lebe;
zweitens mit einer Versicherung: Wahrlich, mit starker Hand usw.
Und damit ihn das Volk unter keinen Umständen mißverstehen
konnte, so ruft der am Ende desselben Kapitels aus: „Ach, Herr,
Herr, sie sagen von mir: Dieser redet eitel verdeckte Worte.“
Hier sehen wir, wie die Kinder Israel aus allen Völkern
mit starkem, ausgestrecktem Arm geführt werden sollen (o, ihr
Völker, die ihr diese Dinge bestreitet, erinnert euch des Pharao
und lernet Weisheit), wir sehen sie in die Wüste der Völker ge-
führt, wo der Herr mit ihnen, wie mit ihren Vätern in Ägypten,
von Angesicht zu Angesicht rechten wird. Dieses Rechten von
Angesicht zu Angesicht kann nie ohne eine Offenbarung oder per-
sönliche Erscheinung geschehen, gerade wie in den alten Zeiten. Ich
frage nun: Waren alle seine früheren Offenbarungen an Israel in
der Wüste bloße Fabeln, die nicht wörtlich zu verstehen sind? Wenn
wörtlich, so ist auch diese wörtlich zu verstehen, denn eine ist
genau so wie die andre, keine Fabel, sondern eine glorreiche Wirk-
lichkeit. Er will sie unter die Rute bringen und in die Bande
des Bundes zwingen. Dies erinnert an den in der Schrift so
oft verheißenen neuen Bund, der mit dem Haus Israel und mit
dem Hause Juda gerade zur rechten Zeit gemacht werden soll, um
sie aus ihrer langen Zerstreuung zu sammeln. Einige werden der
–   33   –

Meinung sein, daß der neue Bund, welcher Israel sammeln sollte,
zur Zeit Christi und seiner Apostel gemacht wurde.
Paulus sagt uns jedoch, daß es in zukünftigen Tagen ge-
schehen soll. So spricht er in seinem 11. Kapitel an die Römer:
„Blindheit ist Israel zum Teil widerfahren, so lange, bis die
Fülle der Heiden eingegangen sei und also das ganze Israel selig
werden, wie geschrieben steht: ’Es wird kommen aus Zion, der
da erlöse und abwende das gottlose Wesen von Jakob; und dies
ist mein Testament mit ihnen, wann ich ihre Sünden werde weg-
nehmen.‘“ Aus diesem ersehen wir, daß Paulus den Bund in die
Zukunft hinausschob, bis zur Sammlung Israels in den letzten
Tagen, wann die Fülle der Heiden eingegangen sein würde. Als-
dann würde der kommen, der Israel erlöse, und nicht eher, weil
er sah, daß sie das erste Kommen des Erlösers verworfen hatten.
Und er selbst sagte zu den Juden: „Siehe, euer Haus soll euch
wüste gelassen werden. Denn ich sage euch: ihr werdet mich von
jetzt an nicht mehr sehen, bis ihr sprecht: Gelobt sei der da kommt
im Namen des Herrn.“ Dann, und erst dann sollte der Bund mit
Israel erneuert werden. Und sogar als die Apostel fragten: „Wirst
du zu der Zeit das Reich Israel wiederherstellen?“ gab der Heiland
die Antwort, daß es sich nicht für sie gebühre, die Zeiten zu
wissen, welche der Vater in seine Macht gestellt hätte; sondern daß
sie Kraft empfangen und von ihm Zeugnis geben sollten usw.,
welches sagen will: „Dieses Werk wird nicht von euch Aposteln,
sondern in der vom Herrn dazu bestimmten Zeit, von wem er will,
ausgeführt werden, aber gehet ihr hin und vollbringt, was ich
euch befohlen habe.“
Ferner sagt uns Jesaia 61, 8–9, indem er von diesem Bunde
spricht: „Und man soll ihren Samen kennen unter den Heiden
und ihre Nachkommen unter den Völkern; daß, wer sie sehen
wird, soll sie kennen, daß sie ein Same sind, gesegnet vom Herrn.“
Wir wissen nun, daß die Frage, ob die Ureinwohner Amerikas
der Same Jakobs sind oder nicht, nur durch Offenbarung ent-
schieden werden kann. Ferner ist es ungewiß, wo oder wer die
zehn Stämme sind, aber wenn der neue Bund verwirklicht wird,
wird er diese Dinge offenbaren und die Sache nicht länger im
Zweifel lassen; dann werden wir ihren Samen kennen unter den
Heiden und ihre Nachkommen unter den Völkern. Aber, ach! was
für eine verschiedene Wirkung hat der vor neunzehnhundert Jahren
gemachte Bund auf Israel gehabt; er verwarf sie wegen ihres
–   34   –

Unglaubens und hatte zur Folge, daß alle diejenigen, welche die
Israeliten seit jener Zeit gesehen haben, wissen, das sie der Same
sind, den der Herr verflucht hat. Wenn der Bund in den letzten
Tagen erneuert ist, wird sie der Herr in die Bande des Bundes
zwingen, indem er sich ihnen selbst von Angesicht zu Angesicht
offenbart. Ich frage, wie macht Gott zu irgendeiner Zeit einen
Bund mit einem Volke? Die Antwort ist: Dadurch, daß er ihnen
seinen Willen durch wirkliche Offenbarung mitteilt: denn ohne
dies würde es unmöglich sein, zwischen zwei Teilen einen Bund
zu machen. Zur Erläuterung diene folgendes Beispiel, in welchem
wir sehen, wie wir miteinander Bündnisse machen. Ein junger
Mann wünscht zum Beispiel mit einer jungen Dame in das
Bündnis der Ehe zu treten; entziehe ihm aber das Vorrecht, seinen
Willen ihr zu offenbaren, schneide alle direkte Verbindung zwischen
ihnen ab, und ein Bündnis könnte niemals geschlossen werden;
und so verhält es sich auch mit dem Allmächtigen.
Ohne Offenbarungen hat er niemals mit seinen Geschöpfen
einen Bund gemacht; und wird es niemals können. Kurz, so oft
der mit dem Volke einen Bund machte, so waren, wo es ein ganzes
Volk betraf, das Priestertum, die Ämter, Autorität, verbunden
mit den dazugehörenden Verordnungen und Segnungen, immer
eingeschlossen, dasselbe wird zu dieser Zeit geschehen. Sobald der
neue Bund geschlossen ist, wird das Reich Gottes mit allen seinen
Ämtern, Verordnungen, Gaben und Segnungen wie vor alten
Zeiten aufgerichtet; aber noch mehr soll davon gesagt werden,
wenn wir das Reich Gottes besprechen.
„Doch“, wird man fragen, „weshalb soll ein Bund erneuert
werden, der nie gebrochen worden ist? Wenn der Herr in den
Tagen der Apostel einen Bund, einen sogenannten neuen Bund
machte, warum sollte jener Bund erneuert werden, wenn er noch
in voller Kraft und weder von dem einen noch von dem andern
Teile gebrochen worden war?“ Diese Frage ist sehr wichtig; von
ihrer Beantwortung hängt das Schicksal der ganzen Christenheit
ab; wir müssen daher ganz besonders darauf sehen, dies auf eine
ganz deutliche Weise zu entscheiden und einen leichtverständlichen
Beweis zu führen. Daß zwischen Gott und dem Volke in den
Tagen Christi und seiner Apostel ein neuer Bund gemacht wurde,
wird niemand leugnen wollen; wenn jener Bund niemals ge-
brochen worden ist, so muß er bis jetzt in Kraft sein, und folglich
ist kein neuer nötig. Wir müssen daher beweisen, daß jener Bund
–   35   –

gebrochen, vollständig gebrochen worden ist, so daß er sowohl
unter den Juden als auch unter den Heiden keine Gültigkeit mehr
hat, weil seine Ämter, Autorität, Macht und Segnungen verloren
gingen und dieselben nirgends mehr unter Menschen zu finden
sind. Zu diesem Zweck müssen wir die zum Bunde gehörenden
Ämter, Autorität, Macht und Segnungen untersuchen und dann
sehen, ob sie den Menschen noch bekannt sind.
Wir lesen, daß seine Ämter aus Aposteln und Propheten,
Evangelisten, Priestern und Lehrern bestanden, die alle den Geist
Gottes hatten und vom Herrn selbst zur Erbauung der Heiligen
und zur Bekleidung der geistlichen Ämter in der Kirche eingesetzt
waren. Und sie sollten in der Kirche bestehen, woimmer sie
gegründet war, bis alle hinankommen zu einerlei Glauben und
ein vollkommener Mann werden, der da sei in dem Maße des
vollkommenen Alters Christi. Zweitens die Gaben des Heiligen
Geistes, welche einige übernatürlich nennen, waren die Macht
und die Segnungen, welche zu jenem Bunde, woimmer er unter
den Juden und Heiden bestand, so lange gehörten, als der Bund
in Kraft war. Ich frage jetzt die Christenheit, ihre Sekten oder
ihre Parteien, ob sie Apostel, Propheten, Evangelisten, Priester
und Lehrer haben, die göttliche Eingebung und alle Gaben und
Segnungen des Heiligen Geistes besitzen, die zu dem Bunde des
Evangeliums gehörten? Wenn nicht, so sind die Ämter und die
Macht jenes Bundes verloren gegangen. Und weil jener Bund
gebrochen wurde, gingen diese Dinge verloren; denn auf diese
Weise verloren die Juden diese Vorrechte, als sie den Heiden
übergeben wurden. Und Paulus sagte den Heiden in seinem
11. Kapitel an die Römer, wenn sie nicht in der Güte Gottes
blieben, so würden sie fallen wie die Juden.
Um nun weiter zu beweisen, daß der Bund des Evangeliums
von den Juden, Heiden und andern Völkern so gebrochen worden
ist, daß er nicht mehr seine Gültigkeit hat, führe ich folgende
Stelle an, Jesaias 24, 1–6:
„Siehe, der Herr macht das Land leer und wüste und wirft
um, was darinnen ist, und zerstreut seine Einwohner; und es
gehet dem Priester wie dem Volk, dem Herrn wie dem Knecht,
der Frau wie der Magd, dem Verkäufer wie dem Käufer, dem
Leiher wie dem Borger, dem Mahnenden wie dem Schuldner.
Denn das Land wird leer und beraubt sein; denn der Herr hat
solches geredet. Das Land stehet jämmerlich und verderbet, der
–   36   –

Erdboden nimmt ab und verdirbt; die Höchsten des Volks im
Lande nehmen ab. Das Land ist entheiligt von seinen Ein-
wohnern; denn sie übertreten das Gesetz und
ändern die Gebote und lassen fahren den ewigen
Bund
. Darum frißt der Fluch das Land; denn sie verschulden
es, die darinnen wohnen. Darum verdorren die Einwohner des
Landes, also daß wenig Leute überbleiben.“
Aus diesen wenigen Versen ersehen wir, daß den Priestern
und dem Volke, den Reichen und Armen, den Leibeigenen und
Freien ein gleiches Unglück bevorsteht, so daß sie alle verdorren
müssen und nur wenig Leute überbleiben; und es wird geklagt;
daß das Land entheiligt ist von seinen Einwohnern; „denn sie
übertreten das Gesetz und ändern die Gebote und lassen fahren
den ewigen Bund“. Dies deutet nur auf den mit dem Volke zu
den Zeiten der Apostel gemachten Bund des Evangeliums und
auf dessen Gebote und Gesetze; denn wie auch irgendein früherer
Bund gebrochen sein mag, wurden die Bewohner der Erde nie-
mals durch Feuer vernichtet, also daß nur wenige Menschen wegen
eines früheren gebrochenen Bundes übrigbleiben; aber diese Zer-
störung wird durch Feuer geschehen, und zwar so buchstäblich, wie
die Sintflut in den Tagen Noahs kam; und sowohl die Priester
wie das Volk werden durch dieselbe von der Erde vertilgt werden,
weil sie den Bund des Evangeliums mit seinen Gesetzen und
seinen Geboten gebrochen haben; oder wir müssen eine neue
Ausgabe der Bibel bekommen, in welcher das 24. Kapitel des
Jesaia ausgelassen ist.
Da nun diese Frage beantwortet ist, so wird der Leser
hoffentlich die Notwendigkeit eines neuen Bundes einsehen, um
die wenigen zu retten, die nicht verdorren sollen. Wir wollen daher
diesen Gegenstand jetzt sein lassen und wieder zu der Sammlung
Israels zurückkehren und das 36. bis 39. Kapitel von Hesekiel
lesen. In dem 36. Kapitel finden wir diese Verheißung: Israel
soll aus allen Völkern, unter welche sie zerstreut worden sind,
geholt und wieder in das Land geführt werden, welches Gott ihren
Vätern gegeben hat; Jerusalem soll voll von Menschen-Herden
werden und alle zerstörten Städte von Judäa sollen wieder fest
gebaut stehen und besetzt werden; das Land soll wieder eingezäunt,
gepflügt und besäet werden, so daß man fragen wird: „Dies Land
war verheert, und jetzt ist es wie der Garten Eden; ich, der
Herr, sage es und tue es auch; dann sollen die Heiden erfahren,
–   37   –

daß ich der Herr bin, der da bauet, was zerrissen ist, und pflanzet,
was verheeret war. So sollen die verheerten Städte voll Menschen-
Herden werden und sollen erfahren, daß ich der Herr bin.“ Im
37. Kapitel nach dem Gesichte von der Auferstehung der Toten
fährt der Prophet fort, davon zu sprechen, daß aus den zwei
Völkern ein Volk auf den Bergen von Israel werden wird, und
sie sollen einen einigen König haben; und wenn dies stattfindet,
sollen sie nicht mehr in zwei Königreiche zerteilt sein. Ferner
wird der Herr unter ihnen wohnen, und sein Heiligtum wird
unter ihnen sein ewiglich; er wird für immer ihr Gott sein,
und sie werden sein Volk sein. „Und die Heiden sollen erfahren,
daß ich der Herr bin, der Israel heilig machet; wenn mein Heilig-
tum ewiglich unter ihnen sein wird.“ Es ist nun eine wohl-
bekannte Tatsache, daß Juda und die zehn Stämme niemals ein
Volk auf den Bergen Israels gewesen sind, seit dem Tage, an
welchem sie zuerst in zwei Völker geteilt wurden.
Wann aber dieses stattfindet, dann sollen es sogar die Heiden
wissen und überzeugt sein von dem wahren Gotte, wie es Cyrus
war. Wenn nun die Missionare die Welt bekehren, ehe der Herr
dieses große Werk tut, dann wird es dem Herrn die Mühe er-
sparen, es nach seiner Weise zu tun, und es wird ihm auch die
Mühe ersparen, die Propheten zu erfüllen, und das Wort des Herrn
wird ohne Wirkung sein, und die ganze Welt wird dem Unglauben
anhängen. Deshalb sagt der Herr: „Meine Wege sind nicht eure
Wege, und meine Gedanken sind nicht eure Gedanken.“
Das 38. und 39. Kapitel zeigt uns, wie viele Völker unter
einem obersten Fürsten vereinigt sind, den der Herr nach seinem
Gefallen Gog nannte; zu Pferde und alle wohl bekleidet, kommen
sie auf die Berge Israels wie eine Wolke, das Land zu bedecken;
ihr Zweck ist, zu rauben und Silber, Gold, Vieh und Güter in
Menge zu nehmen.
Dies ist ein Ereignis, welches nach der Rückkehr der Juden
und dem Wiederaufbau Jerusalems geschehen soll, während die
Städte des Landes Judäa ohne Mauern sind und weder Riegel
noch Tore haben. Während jedoch die Feinde im Begriff sind, die
Juden zu verschlingen und ihr Land zu verwüsten, siehe, so wird
des Herrn Zorn in seinem Grimme heraufziehen, ein großes
Zittern wird sein, daß vor seinem Angesicht zittern sollen die
Fische im Meer, die Vögel unter dem Himmel, das Vieh auf dem
Feld und alles, was sich reget und webet, und alle Menschen, so auf
–   38   –

der Erde sind; und alle Mauern sollen zu Boden fallen, und eines
jeglichen Schwert soll wider den andern sein, und der Herr wird
regnen lassen Platzregen mit Schloßen, Feuer und Schwefel, über
ihn und sein Heer und über das große Volk, das mit ihm ist.
Also wird er sich dann herrlich, heilig und bekannt machen vor
vielen Heiden, daß sie erfahren sollen, daß er der Herr ist; so
sollen sie auf dem Felde, auf den Bergen Israels darniederliegen,
sogar Gog und sein ganzes Heer, Rosse und Reiter; und die
Juden werden herausgehen und sammeln die Waffen, Schilde,
Tartschen, Bogen, Pfeile, Fauststangen und lange Spieße; und
werden sieben Jahr lang Feuer damit machen, daß sie nicht dürfen
Holz auf dem Felde holen, noch im Walde hauen, sondern von
den Waffen werden sie Feuer halten; und sollen rauben, von
denen sie beraubt sind; und plündern, von denen sie geplündert
sind; und sie werden sammeln Gold, Silber, Kleider über die
Maßen. Zu dieser Zeit wird den Vögeln unter dem Himmel und
dem Vieh auf dem Felde ein großes Schlachtopfer geschlachtet
werden; und sie sollen das Fette fressen, daß sie voll werden,
und das Blut saufen, daß sie trunken werden. Sie sollen das
Fleisch der Hauptleute, Fürsten, Starken und das von allerlei
Kriegsleuten fressen. Die Juden werden jedoch während mehr
als sieben Monden eine sehr ernste Pflicht zu erfüllen haben,
nämlich ihre Feinde zu begraben. Sie werden einen Ort zum
Begräbnis in Israel auswählen, nämlich das Tal, da man gehet
am Meer gegen Morgen; also, daß die, so vorübergehen, sich da-
vor scheuen werden; weil man daselbst Gog mit seiner Menge
begraben hat, und soll heißen „Gogs Haufental“; so werden sie
das Land reinigen.
„Und ich will meine Herrlichkeit unter die Heiden bringen;
daß alle Heiden sehen sollen mein Urteil, das ich habe ergehen
lassen; und meine Hand, die sich an sie gelegt habe, und also das
Haus Israel erfahre, daß ich, der Herr, ihr Gott bin, von dem
Tage und hinfürder; und die Heiden erfahren, wie das Haus
Israel um seiner Missetat willen sei weggeführt und daß sie sich
an mir versündigt hatten. Darum habe ich mein Angesicht vor
ihnen verborgen und habe sie übergeben in die Hände ihrer Wider-
sacher; daß sie allzumal durch das Schwert fallen mußten. Ich
habe ihnen getan, wie ihre Sünden und Übertretungen verdient
haben; und also mein Angesicht vor ihnen verborgen. Darum, so
spricht der Herr: Nun will ich das Gefängnis Jakobs wenden und
–   39   –

mich des ganzen Hauses Israel erbarmen und um meinen hei-
ligen Namen eifern. Sie aber werden ihre Schmach und alle ihre
Sünde, damit sie sich an mir versündigt haben, tragen, wenn sie
nun sicher in ihrem Lande wohnen, daß sie niemand erschrecke.
Wenn ich sie wieder von den Völkern gebracht und gesammelt habe
aus den Ländern ihrer Feinde und ich geheiligt werde durch sie
im Angesicht vieler Nationen, dann sollen sie erfahren, daß ich, der
Herr, ihr Gott bin, welcher zuließ, daß sie in die Gefangenschaft
der Heiden geführt wurden, aber sie auch wieder gesammelt in
ihr eigenes Land und auch nicht einer von ihnen zurückgelassen
wurde. Und will mein Angesicht nicht mehr vor ihnen verbergen;
denn ich habe meinen Geist über das Haus Israel ausgegossen,
spricht der Herr.“ (Hesekiel 39: 21–29.)
Aus dem Vorhergehenden ersehen wir, daß die Heiden er-
fahren sollen, wie das Haus Israel um seiner Sünde willen
weggeführt und durch die Hand Gottes wieder versammelt wurde,
nachdem es seine Schmach und alle seine Sünde getragen hatte,
und das Haus Israel wird erfahren, daß es der Herr, sein Gott,
war, der es in Gefangenschaft unter die Heiden wegführen ließ,
daß er es war, der es wieder in sein Land versammelt und
beschützt hat, daß er sein Angesicht nicht mehr verbergen, sondern
seinen Geist über das Haus Israels ausgießen wird.
O, du blindes, halsstarriges, hartherziges Geschlecht, da nun
die Bibel unter allen Völkern ist, werden sie nun so blind sein,
diese Prophezeiung zu erfüllen, und es nicht wissen, bis das Ver-
derben über sie kommt. Wozu diese Blindheit? Ach, wegen der
falschen Lehrer, die ihnen sagen, die Bibel müsse geistig aus-
gelegt werden. Andere erklären, daß man die Prophezeiungen
erst dann wird verstehen können, wenn sie ganz erfüllt sein
werden. Wenn dies der Fall ist, so werden wir nie den Gerichten
entgehen können, die darin vorhergesagt sind, sondern wir müssen
in der Finsternis bleiben, bis sie plötzlich über uns kommen
und uns von der Erde vertilgen. Wo wird dann der Trost sein,
einen Rückblick zu tun und sie erfüllt zu sehen? Aber gelobet
sei Gott, er hat uns durch den Mund Daniels gesagt, daß viele
es begreifen und großen Verstand finden, und die Klugen werden
es verstehen, aber keiner von den Gottlosen wird es verstehen.
und jetzt frage ich nun, wer gottloser ist als die absichtlich gott-
losen Führer der Blinden, welche uns sagen, daß wir die Schrift
nicht verstehen können?
–   40   –

Sacharja, in seinem 14. Kapitel, hat uns viel im betreff
der großen Schlacht und Niederlage der Völker gesagt, die gegen
Jerusalem streiten; und er hat uns mit deutlichen Worten gesagt,
daß der Herr gerade zu der Zeit kommen wird, wo jenes Heer
die Niederlage erleidet; ja, wirklich, während sie noch Jerusalem
bestürmen und schon die eine Hälfte der Stadt genommen, ihre
Häuser geplündert und ihre Weiber geschändet haben. Dann
wird ihr lang erwarteter Messias plötzlich kommen und auf dem
Ölberg stehen, der vor Jerusalem liegt gegen Morgen, um gegen
jene Völker zu streiten und die Juden zu erretten. Sacharja
sagt: „Der Ölberg wird sich mitten entzwei spalten, vom Auf-
gang bis zum Niedergang, sehr weit voneinander, daß die eine
Hälfte des Berges gegen Mitternacht und die andere gegen
Mittag weichen und plötzlich ein sehr großes Tal bilden wird,
in welches die Juden vor ihren Feinden fliehen werden, wie sie
vor dem Erdbeben flohen zur Zeit Usia, des Königs von Juda,
indes der Herr kommt und alle Heiligen mit ihm. Dann werden
die Juden jenen lang erwarteten Messias mit Macht zu ihrer
Befreiung kommen sehen, so, wie sie ihn immer erwarteten. Er
wird ihre Feinde vernichten und sie erretten zu einer Zeit, da
sie in der größten Trübsal sind und sie von ihren Feinden ver-
schlungen werden sollen. Wie werden sie jedoch erstaunen, wenn
sie eben im Begriff sind, ihrem Erlöser zu Füßen zu fallen, um
ihn als ihren Messias anzuerkennen, und die Male an seinen
Händen, Füßen und Hüften sehen und ein näherer Untersuchung
zugleich Jesum von Nazareth, den König der Juden, den so lange
verworfenen Messias erkennen werden? Daher sagte der Prophet,
sie werden trauern und weinen, eine jede Familie und alle ihre
Weiber. Aber dem Himmel sei Dank, ihr Trauern wird hier
ein Ende haben; denn er wird ihnen ihre Sünden vergeben und
sie von allen Vergehungen reinigen. Jerusalem wird eine heilige
Stadt sein von jener Zeit an; und man wird gehen im ganzen
Lande wie auf einem Gefilde, von Gibea nach Nimon zu, gegen
Mittag zu Jerusalem; denn sie wird erhaben und bewohnet
werden an ihrem Ort, und man wird darinnen wohnen, und
Jerusalem wird nicht mehr zerstöret werden; „zu der Zeit wird
der Herr nur einer sein und sein Name nur einer, und er wird
König sein über alle Lande“. (Sacharja, Kap. 11–14.)
Johannes gibt uns im 11. Kapitel der Offenbarung noch
genauere Nachrichten von demselben Ereignisse. Er erzählt uns,
–   41   –

daß, nachdem die Stadt und der Tempel von den Juden wieder
erbaut sind, so wird die heilige Stadt von den Heiden zwei-
undvierzig Monate zertreten werden, während welcher Zeit zwei
Propheten beständig prophezeien und große Wunder tun werden.
Und es scheint, als ob das Heer der Heiden von den beiden
Propheten gehindert werde, die Stadt gänzlich zu zerstören. Aber
nach einem Streite von drei Jahren und sechs Monaten gelingt
es ihnen endlich, die beiden Propheten zu töten und einen großen
Teil der Stadt zu verheeren; sie senden einander Geschenke
wegen des Todes der beiden Propheten, und unterdessen werden
sie ihre Leichname nicht lassen in Gräber legen, sondern ihre
Leichname werden liegen auf den Gassen der großen Stadt
Jerusalem, drei Tage und einen halben; während dieser Zeit
werden die Heere der Heiden, die aus vielen Völkern, Geschlechtern
und Zungen bestehen, durch die Stadt der Juden ziehen und die
Toten auf der Straße liegen sehen. Aber nach drei Tagen
und einem halben fährt plötzlich der Geist des Lebens von Gott
in   sie,   sie   stehen   auf   und   treten   auf   ihre   Füße,   und   eine
große Furcht fällt über die, welche sie sehen. Und dann werden
sie eine große Stimme vom Himmel zu ihnen sagen hören:
„Steiget herauf“; und sie werden aufsteigen in den Himmel in
einer Wolke, und ihre Feinde werden es sehen. Nachdem nun
alle diese Dinge beschrieben sind, dann kommt das von Hesekiel
erwähnte Zittern und das Spalten des Ölberges, von dem
Sacharja spricht. Johannes sagt: „Zu derselben Stunde ward
ein großes Erdbeben, und der zehnte Teil der Stadt fiel, und
wurden getötet in dem Erdbeben siebentausend Namen der
Menschen. Darauf wurden große Stimmen im Himmel laut,
die Sprachen: Es sind die Reiche der Welt unseres Herrn und
seines Christus worden, und er wird regieren von Ewigkeit zu
Ewigkeit.“ (Offenb. 11: 13–15.)
Nachdem nun diese großen von diesen Propheten erwähnten
Ereignisse beschrieben worden, will ich nur bemerken, daß es nicht
schwer ist, einzusehen, daß sie alle deutlich und in ihrer Erfüllung
buchstäblich sind. Es mag genügen, dies zu sagen: Die Juden
werden heimgeführt und bauen Jerusalem wieder auf. Die Völker
versammeln sich zum Streit gegen sie. Ihre Heere belagern die
Stadt und haben mehr oder weniger Macht über sie während
drei und einem halben Jahre. Ein paar jüdische Propheten ver-
hindern die Feinde durch ihre mächtigen Wunder, die Juden ganz
–   42   –

zu überwinden, bis sie zuletzt ermordet werden und die Stadt
großenteils der Willkür ihrer Feinde überlassen ist, während
drei und einem halben Tage; die Propheten stehen von den Toten
auf und fahren gen Himmel. Der Messias kommt, macht die
Erde beben, vernichtet das Heer der Heiden, befreit die Juden,
reinigt Jerusalem, verbannt alle Gottlosigkeit von der Erde, er-
weckt die Heiligen von den Toten, nimmt sie mit sich und beginnt
sein tausendjähriges Reich, während welcher Zeit sein Geist auf
alles Fleisch ausgegossen sein wird. Menschen und Tiere, Vögel
und Schlangen werden ganz unschädlich sein, und die Erde wird
des Friedens, der Erkenntnis und Herrlichkeit Gottes voll sein,
wie das Wasser in Tiefe des Meeres bedeckt; und das Reich,
Gewalt und Macht unter dem ganzen Himmel wird dem heiligen
Volke des Höchsten gegeben werden.

Das tausendjährige Reich.
Während dieser tausend Jahre wird der Teufel gebunden
sein und keine Macht über die Menschen haben. Und von der
Erde wird der Fluch genommen sein, der durch den Fall kam.
Alle Täler sollen erhöhet und alle Berge und Hügel erniedrigt
werden; was ungleich und höckericht ist, soll geebnet, die trockene
Wüste fruchtbar gemacht werden; Dornen und Disteln soll man
nicht mehr finden, sondern die ganze Erde soll ihre Erzeugnisse
im Überfluß den Heiligen Gottes geben. Und wenn tausend
Jahre vollendet sind, wird der Satan los werden aus seinem
Gefängnis und wird ausgehen, zu verführen die Heiden in den
vier Orten der Erde, sie zu versammeln in einem Streit, um sie
zu führen gegen das Heerlager der Heiligen. Dann wird der
große und letzte Kampf zwischen Gott und Satan um die Herr-
schaft der Erde stattfinden. Satan und sein Heer wird vernichtet
werden. Nach diesen großen Dingen kommt das Ende der Erde,
die Auferstehung der Gottlosen und das Jüngste Gericht. Und
es wird eine neue Erde und ein neuer Himmel sein, denn die
erste Erde und der erste Himmel werden vergangen sein, das heißt,
sie werden aus dem zeitlichen Zustande in den ewigen verwandelt
und zu einem passenden Wohnsitze für die Unsterblichen gemacht
worden sein. Dann kommt Jerusalem von Gott aus dem Himmel
herab, nachdem es ebenso neu gemacht worden ist, wie der Himmel
und die Erde. „Denn siehe“, sagte er, „ich mache alles neu.“
–   43   –

Diese neue Stadt auf die neue Erde gestellt, Gott der Herr und
das Lamm in ihrer Mitte, scheint den Menschen als ewiger Wohn-
sitz bestimmt zu sein, daß wir endlich, nach all unserm Sehnen,
wie der Dichter sagt, für einen Ort über die Grenzen der Zeit
und des Raumes zu innerm, wahren Bewußtsein und der Er-
kenntnis gelangen, daß der Mensch bestimmt ist, den nämlichen
Planeten, worauf er erschaffen wurde, ewig zu besitzen; welcher
erlöst, geheiligt, erneut, gereinigt und zubereitet werden wird als
ewiges Erbteil für die Unsterblichkeit und das ewige Leben; seine
Hauptstadt wird die heilige Stadt und in ihrer Mitte der Thron
Gottes als Regierungssitz sein, sie wird von einem kristallklaren
Strome, das vom Strome Gottes quellende Wasser des Lebens,
bewässert werden, während sie auf jeder Seite mit Bäumen von
unvergänglicher Schönheit geschmückt ist.
„Selig sind, die seine Gebote halten, auf daß sie ein Recht
haben zu dem Baum des Lebens und zu den Toren eingehen in
die Stadt.“ Jetzt fangen wir an, die Worte des Heilandes zu
verstehen! „Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das
Erdreich besitzen.“ Und auch das Lied, welches Johannes im
Himmel hörte: „Wir werden auf Erden herrschen.“ Leser, wundere
dich nicht; gesetzt, du würdest in den Himmel aufgenommen, um
bei den Erlösten aller Völker, Geschlechter und Zungen zu sein
und mit ihnen zu singen, und zu deinem Erstaunen ist der ganze
Himmel voll Freude, während sie die unsterbliche Leier an-
stimmen, in freudiger Erwartung des Tages, an welchem sie auf
der Erde regieren werden – auf einem Planeten, der jetzt unter
der Herrschaft des Satans steht, ein Ort des Elends und Unglücks,
von dem, wie du glaubst, dein froher Geist auf ewig geflohen ist.
Du wirst vielleicht einen Augenblick erstaunt sein und dich fragen,
warum habe ich denn niemals etwas davon in den Kirchen der
Erde gehört? Wohlan, mein Freund, darauf würde zu antworten
sein: Weil du zum jener Zeit lebtest, in welcher das Volk die
Schrift nicht verstand.
Abraham würde dir sagen, du hättest die Verheißung lesen
sollen, die Gott ihm gab, 1. Buch Mose 17, 8, wo Gott nicht
nur seinem Samen, sondern auch ihm das ganze Land Kanaan
zu ewiger Besitzung anordnete. Dann hättest du auch das Zeugnis
Stephani lesen sollen, Apostelgeschichte 7, 5, worin du dich über-
zeugt hättest, daß Abraham nie die verheißenen Dinge bekommen
hatte, sondern immer noch hoffte, von den Toten aufzuerstehen
–   44   –

und in das Land Kanaan geführt zu werden, um es zu besitzen.
Ja, sagt Hesekiel, wenn du das 37. Kapitel meiner Prophe-
zeiungen gelesen hättest, so würdest du die bestimmte Verheißung
gefunden haben, daß Gott die Gräber des ganzen Hauses Israel,
welche schlummern, auftun, und ihre verdorrten Gebeine sammeln,
und sie wieder, ein jegliches zu seinem Gebein, zusammensetzen
will und ihnen Fleisch, Adern und Haut geben, und seinen Odem
in sie bringen will, und sie leben sollen; und anstatt daß sie als-
dann in den Himmel aufgenommen, sollen sie in das Land
Kanaan geführt werden, welches der Herr ihnen gab, und sie
sollen es besitzen.
Aber immer noch erstaunt, könntest du dich zu Hiob wenden,
und er, überrascht, jemanden anzutreffen, der mit einer so einfachen
Sache ganz unbekannt ist, würde ausrufen: Lasest du nie mein
19. Kapitel, von dem 23. bis zum 27. Verse, worin es heißt:
„Ich wünsche, daß meine Worte in ein Buch geschrieben würden;
ich weiß, daß mein Erlöser lebet; und er wird mich hernach aus
der Erde auferwecken, denselben werde ich mir sehen; und meine
Augen werden ihn schauen und kein Fremder; und werde danach
mit dieser meiner Haut umgeben werden.“
Sogar David, der süße Sänger von Israel, würde dich an
seinen 37. Psalm erinnern, worin er wiederholt: „Die Elenden
werden das Land erben auf ewig, nachdem die Bösen ausgerottet
sind.“ Und zuletzt würdest du, um die Sache zu beendigen, die
sanfte Stimme des Heilandes vernehmen, der in seiner Berg-
predigt ausdrücklich sagt: „Selig sind die Sanftmütigen, denn sie
werden das Erdreich besitzen!“
Darauf würdest du antworten: „Allerdings habe ich diese
Stellen gelesen, aber man lehrte mich immer, daß sie nicht diesen
Sinn hätten, deshalb verstand ich sie bisher nicht. Laß mich dem
Volke sagen, welche Wunder sich meinen Blicken gezeigt haben,
seitdem ich im Himmel bin, obgleich ich nur einen kurzen Gesang
gehört habe. Ich habe zwar viel von der Herrlichkeit des Himmels
gehört, als ich noch auf Erden war, aber nie dachte ich daran,
daß ich sie genießen und hoffen würde, wieder auf die Erde
zu kommen.“ Der Heiland sagt: „Sie haben Mose und die Pro-
pheten; wenn sie ihnen nicht glauben, so werden sie auch dem
nicht glauben, der von den Toten auferstehen wird.“
Wir wollen jetzt den Abschnitt, der von der Wiederkunft
des Messias und der Ankunft des glorreichen Tages (Millennium
–   45   –

oder tausendjähriges Reich) handelt, wieder aufnehmen. Aus den
durchgenommenen Prophezeiungen entnehmen wir zuerst, daß
jener glorreiche Tag mit der persönlichen Erscheinung Christi und
der Auferstehung der Heiligen beginnen wird. Zweitens, daß alle
Gottlosen durch Feuer und viele furchtbare Gerichte Gottes von
der Erde vertilgt werden, dermaßen, daß die Erde von ihren gott-
losen Einwohnern, wie einst durch die Sintflut, gereinigt werden
wird. Es wird den Priestern gehen wie dem Volke, nur wenige
werden übrigbleiben. Dieses Verbrennen bezieht sich weit mehr
auf die gefallene Kirche, als auf die Heiden oder Juden, die
sie jetzt zu bekehren suchen. Wehe euch, ihr Heiden, die ihr euch
des Herrn Volk nennt, ihr habt das Gesetz Gottes durch eure
Überlieferungen zunichte gemacht; denn umsonst ruft ihr Herr,
Herr, da ihr nicht das tut, was Jesus befiehlt; umsonst betet ihr
ihn an, da ihr anstatt seiner Lehren die Gebote der Menschen
lehrt. Seht, das Schwert der Rache hängt über euch, und wenn
ihr nicht Buße tut, so wird es bald auf euch fallen; und an jenem
Tage wird es den Juden und Heiden erträglicher gehen wie euch.
Seht, ihr schmeichelt euch, daß jener glorreiche, von den Propheten
erwähnte Tag durch eure neuen Erfindungen und Geldpläne
kommen wird, die nur gemacht worden sind, um die Juden und
Heiden zu den verschiedenen sektierischen Prinzipien, welche unter
euch existieren, zu bekehren, und nachdem hofft ihr ein nach eurem
Herzen gewünschtes tausendjähriges Reich zu sehen. Die Juden
und Heiden werden jedoch als ein Volk niemals nach einem
andern Plane, als dem in der Bibel dargelegten, zur Wieder-
herstellung Israels bekehrt werden. Und ihr selbst habt den Bund
gebrochen und macht euch so schnell wie möglich zum Feuer reif.
Haltet mich jedoch nicht für euren Feind, weil ich euch die Wahr-
heit sage, denn Gott ist mein Zeuge, daß ich eure Seelen zu
sehr liebe, als ich euch eine Wahrheit vorenthalten sollte, wie
hart sie auch scheinen mag. Die Wunden eines Freundes sind
besser als die Küsse eines Feindes. Was nun die Zeichen der
Zeit betrifft, so entsteht oft die Frage, wann sollen diese Dinge
eintreten, und welche Zeichen sollen geschehen, wann diese Dinge
sich ereignen werden? Oft wurde ich gefragt, ob die Zeit nahe
wäre; ich will euch daher alles sagen, damit ihr selbst wissen
mögt, daß sie nahe, ja sogar schon vor der Tür ist, und euch
nicht darauf zu verlassen braucht, was andere wissen.
–   46   –

Zeichen der Wiederkunft Christi.
Seht zum Beispiel den Apfelbaum und alle Bäume an:
sobald sie ausschlagen, so wißt ihr selbst, daß der Sommer nahe
ist; also auch, wenn ihr große Erdbeben, Kriege, Hungersnot, Pest
und böse Krankheiten aller Art sehen werdet; wann die Seen aus
ihren Grenzen treten und alles in Aufruhr sein wird; wann die
Menschen vor Furcht und vor Erwartung der Dinge, die da kommen
sollen, auf Erden schmachten und verzagen werden, wann ihr Zeichen
sehen werdet am Himmel und auf Erden, Blut, Feuer und Rauch;
wann die Sonne verdunkelt, der Mond blutrot werden wird und
die Sterne aus ihren Bahnen werden geschleudert werden – wenn
ihr sehen werdet, wie die Juden nach Jerusalem heimgeführt
und die Heere der Völker sich gegen sie sammeln werden zum
Streit – dann könnt ihr vollkommen wissen, daß seine Wieder-
kunft nahe ist, sogar vor der Türe. Wahrlich, wahrlich, ich sage
euch: „Dies Geschlecht wird nicht vergehen, bis daß dieses alles
geschehe.“ Himmel und Erde werden vergehen, aber nicht ein Wort
von allem, was der Herr durch den Mund aller seiner heiligen
Propheten und Apostel gesprochen hat, wird unerfüllt bleiben.
Wer nachsehen will, was die Propheten und selbst Jesus
Christus hierüber gesagt haben, der wird sich überzeugen, daß
alle die Zeichen, von denen ich gesprochen habe, deutlich als die
Zeichen seiner Wiederkunft angegeben sind. Aber trotz aller
dieser geschriebenen Dinge wird seine Wiederkunft, wie zu Noahs
Zeiten die Sintflut, die Welt überraschen. Der Grund ist der:
sie wollen die Propheten nicht verstehen. Sie wollen keine ver-
nünftigen Lehren leiden; ihre Ohren haben sich von der Wahr-
heit abgewandt und den Fabeln zugekehrt wegen der falschen
Lehren und Vorschriften der Menschen; und was noch schlimmer
ist: wann Gott Männer mit dem neuen und ewigen Bunde
aussendet und ihnen Kraft verleiht, die Wahrheit zu bezeugen,
so werden sie behandelt wie die Diener Gottes vor ihnen von
den gefallenen Kirchen behandelt worden sind; jede Kirche wird
ihren eigenen Weg gehen, und sie werden einstimmig sagen:
„Wir bedürfen dieser neuen Dinge nicht, der gute alte Weg ist
der beste“; indessen sie zu derselben Zeit aber so viele verschiedene
Wege gehen, als es Sekten gibt, und sie nur einig sind, wenn sie
die Fischer und Jäger, die Gott senden wird, verfolgen und gegen
sie alle nur möglichen Verleumdungen aufbringen. Aber dem
–   47   –

Himmel sei Dank, es gibt in jeder Sekte Leute, die demütig
die Wahrheit suchen, die Stimme der Wahrheit erkennen und in
den neuen und ewigen Bund werden gesammelt und gepflegt
werden; und sie werden in die Familie Israel aufgenommen und
mit ihnen versammelt werden und an demselben Bunde der Ver-
heißung teilhaben. Ja, wie Jeremia im 16. Kapitel seiner
Prophezeiungen sagt: „Die Heiden werden zu dir kommen von
der Welt Ende und sagen: Unsere Väter haben falsche und
nichtige Götter gehabt, die nichts nützen können.“ So wie aber
die Juden sein erstes Kommen übersahen, indem sie die Propheten
nicht verstanden und alle ihre Hoffnungen auf sein glorreiches
Kommen in den letzten Tagen setzen, um ihr Reich wieder auf-
zurichten und sie an ihren Feinden zu rächen und wegen dieses
Irrtums abgebrochen und zerstreut wurden – so werden auch viele
die Prophezeiungen hinsichtlich seines zweiten Kommens dadurch
übersehen, daß sie dieselben mit dem Jüngsten Gerichte verwechseln,
welches tausend Jahre später kommen wird. Aber sie werden
durch diesen unglücklichen Irrtum nicht abgebrochen und zerstreut,
sondern zermalmt werden.
O, meine Brüder nach dem Fleische! meine Seele trauert
über euch, und hätte ich eine Stimme wie eine Trompete, so
würde ich rufen: „Erwachet, erwachet aus eurem Schlafe, denn
die Zeit ist erfüllt, euer Verderben ist nahe.“ Denn ich habe
vom Herrn der Heerscharen gehört, daß eine Verwüstung über
die ganze Erde kommen wird. „Macht euch bereit, vor eurem
Gott zu stehen! Erwache, o Haus Israel, erhebe dein Haupt,
denn deine Erlösung ist nahe; ja, gehet, gehet von hier und ver-
sammelt euch in der Heimat, nachdem ihr lange zerstreut gewesen
seid; baut eure Städte auf; ja, kommt heraus aus den Völkern,
von einem Ende des Himmels zum andern; aber flüchtet nicht
eilig; denn der Herr wird vor euch hergehen, und der Gott Israel
wird hinter euch sein. Und endlich sage ich allen Juden und
Heiden: tut Buße, tut Buße, denn der große Tag des Herrn ist
nahe; denn wenn ich, der ich ein Mensch bin, meine Stimme er-
hebe und euch zur Buße rufe, und ihr haßt mich, was werdet
ihr sagen, wann der Tag kommt, an dem die Donner ihre Stimme
bis zu den Enden der Erde senden und zu den Ohren der Leben-
den sprechen werden: Tut Buße und bereitet euch zu dem großen
Tage des Herrn.“ Ja, ferner, wenn der Blitz ausgehen wird
vom Osten bis zum Westen, und seine Stimme zu allen Lebenden
–   48   –

ertönen lassen, und die Ohren aller, die hören, zittern machen
wird wegen der Worte: „Tut Buße, denn der große Tag des
Herrn ist gekommen.“ Und wiederum wird der Herr seine Stimme
vom Himmel ertönen lassen und sagen: „hört, o ihr Völker der
Erde, hört die Worte jenes Gottes, der euch schuf: O ihr Völker
der Erde, wie oft habe ich euch versammeln wollen wie eine
Henne ihre Küchlein unter ihren Flügeln, und ihr habt nicht ge-
wollt? Wie oft habe ich euch gewarnt durch den Mund meiner
Diener, durch dienende Engel, und mit meiner eigenen Stimme,
durch Donner, Blitz, Stürme, große Hagelschauer, Hungersnot
und böse Krankheiten aller Art, mit dem lauten Schall einer
Trompete, durch Gerichte und durch die Stimme der Barmherzig-
keit, in ganzen Tag lang, durch Preis und Ehre und den Reich-
tum des ewigen Lebens; und habe euch zu einer ewigen Selig-
keit erretten wollen, und ihr habt nicht gewollt.“ „Siehe, der
Tag ist gekommen, an denen der Kelch des Zornes meiner Ent-
rüstung voll ist.“
____________

Kapitel 3.
Das Reich Gottes.
„Trachtet zuerst nach dem Reiche Gottes.“
So heißt das Gebot, das der Heiland auf Erden den
Menschenkindern lehrte.
Da wir jetzt im allgemeinen sowohl die erfüllten wie auch
die nicht erfüllten Prophezeiungen durchgegangen haben, so wollen
wir nun weitergehen, dieses Gebot erfüllen und das Reich Gottes
suchen. Doch möchte ich vorher dem Leser noch einmal raten, mich
bei diesen Nachforschungen zu begleiten, wenn er nicht bereit ist,
für die Wahrheit alles zu opfern, sogar seinen guten Namen, ja
nötigenfalls sein Leben; denn sollte er einmal eine Einsicht von
dem Reiche Gottes bekommen, so wird er ein solches Entzücken
empfinden, daß er nicht eher zufrieden sein wird, als bis er
ein Bürger desselben ist. Doch wird es von einem jeden, jetzt
auf der Erde existierenden Religionssysteme so verschieden sein,
daß er sich wundert, wie eine bibellesende Person die Gebilde
der Menschen für das Reich Gottes halten konnte. Es gibt ge-
wisse Kräfte, Vorrechte und Segnungen in dem Reiche Gottes,
–   49   –

die man in keinem andern Reiche findet und die kein anderes
Volk hat. Dadurch unterschied es sich von allen andern Reichen
und Systemen, so daß der forschende Geist, der nach dem Reiche
Gottes trachtet und einmal mit seinen Merkmalen bekannt ist,
sich niemals irren, sondern immer wissen kann, wenn er es ge-
funden hat. Ehe wir jedoch unsere Nachforschungen fortsetzen,
wollen wir uns über die Bedeutung des Ausdruckes „Reich
Gottes“ oder über den Sinn, in dem wir es brauchen, ver-
ständigen; denn einige beziehen diesen Ausdruck auf die Herrlich-
keit im Himmel und andere auf die persönlichen Genüsse ihrer
eigenen Seelen, indes andere ihn auf seine auf Erden eingesetzte
Regierung beziehen. Wenn wir nun vom Reiche Gottes sprechen,
so wünschen wir dem Leser zu erklären, daß wir damit die auf
Erden eingesetzte Regierung Gottes meinen.
Leser, wir betreten jetzt ein weites Feld, um ein Königreich
zu suchen. Doch halt, wir wollen fragen: Was ist ein Königreich?
Darauf antworte ich: Zur Bildung eines Königreiches im Himmel
oder auf Erden gehören vier Dinge, nämlich:
1. Ein König.
2.
 
Gesetzmäßig ernannte Beamte, die die Vollmacht besitzen,
alle Verordnungen und Gesetze auszuführen.
3. Ein Gesetzbuch, welches für die Regierung maßgebend ist.
4. Untertanen oder Bürger des Reiches.
Da, wo diese Dinge in ihrer gehörigen Ord-
nung und regelmäßigen Vollmacht vorhanden
sind, besteht ein Reich oder ein Staat; wo aber
eins von diesen fehlt, da löst sich das Reich auf;
es besteht also nicht mehr, bis es wieder auf dieselbe Weise ge-
bildet wird. In dieser Beziehung ist das Reich Gottes wie alle
übrigen Reiche; überall, wo wir finden, daß die Beamten von
dem Herrn Jesu gehörige Vollmacht und Eigenschaften erhalten
haben und daß seine Gebote und Gesetze rein, unverfälscht von
den Vorschriften und Verordnungen der Menschen sind, da besteht
das Reich Gottes, da ist seine Macht offenbar und seine Seg-
nungen werden genossen wie vorzeiten.

Das Reich Christi in der „Mitte der Zeiten“.
Die erste Ankündung der Geburt Christi wurde dem
Zacharias von einem Engel gegeben, der ihm einen Sohn verhieß,
welcher dem König vorangehen werde, um seinen Weg zu bereiten.
–   50   –

Die nächste Offenbarung wurde Maria und endlich Joseph von
einem heiligen Engel gemacht, der die Geburt des Messias ver-
hieß, während zu gleicher Zeit der Heilige Geist dem Simon im
Tempel offenbarte, daß er nicht dem eher sterben werde, ist der den
Heiland gesehen habe. Alle diese, zusammen mit den Hirten und
den weisen Männern aus dem Morgenlande, jauchzten über die
unaussprechliche Freude und Herrlichkeit, während die Welt die
Ursache ihrer Freude nicht kannte.
Darauf schien alles in stummer Erwartung zu bleiben, bis
Johannes, jetzt ein erwachsener Mann, mit einer seltsamen und
neuen Botschaft aus der Wüste eilte und rief: „Tut Buße, denn
das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!“ Er taufte zur Buße
und sagte zu ihnen deutlich, daß ihr König schon unter ihnen und
im Begriffe wäre, sein Reich zu errichten. Und während er noch
taufte und predigte, kam der Messias und wurde getauft und mit
dem Geiste Gottes gesiegelt, welcher auf ihm ruhte in der Gestalt
einer Taube; und bald darauf brachte er dieselbe Botschaft wie
Johannes und sprach: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist
nahe herbeigekommen.“ Darauf wählte er zwölf Jünger und
sandte sie aus in alle Städte des jüdischen Landes mit derselben
Botschaft: „Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen“; und nach
ihnen sandte er siebenzig, und darauf noch siebenzig, mit derselben
Botschaft, um alle gehörig zu warnen und für das Königreich
vorzubereiten, welches bald unter ihnen errichtet werden sollte.
Als aber diese Dinge die gewünschte Wirkung hervorgebracht
hatten, indem sie in allen, besonders in den Herzen seiner Jünger,
große Hoffnungen hervorriefen, die täglich durch die Krönung
dieser glorreichen Person über ihre Verfolger zu triumphieren
erwarteten, indes sie selbst für alle ihre Mühe und Opfer um
seinetwegen dadurch belohnt zu werden hofften, zu irgendeiner,
seiner Person nahestehenden Würde erhoben zu werden, – wie
groß muß ihre Täuschung gewesen sein, als sie sahen, daß ihr
König überantwortet und gekreuzigt wurde, nachdem ihn Juden
und Heiden verspottet, verhöhnt, verlacht und zuletzt über ihn
triumphiert hatten?
Sie würden für ihn gern in der Schlacht gestorben sein, um
ihn auf den Thron zu bringen; aber so gutwillig ohne Kampf
zu unterliegen, alle ihrer Erwartungen aufzugeben und von der
höchsten Begeisterung bis zur tiefsten Erniedrigung und Verzweif-
lung zu sinken, war mehr, als sie ertragen konnten. Voller Kum-
–   51   –

mer zog sich ein jeder zu seinem Netze oder zu andern Beschäf-
tigungen zurück, in der Meinung, alles sei verloren; wahrschein-
lich hegten sie Gedanken wie diese: Ist dies das Resultat unserer
ganzen Arbeit? Haben wir deshalb alle unserer weltlichen Ge-
schäfte, unsere Freunde, unsere Häuser und Länder aufgegeben,
Verfolgungen, Hunger, Mühsale und Schande erlitten? – und
wir hofften mit Zuversicht, er würde Israel befreien; aber ach,
sie haben ihn getötet, und alles ist vorbei. Drei Jahre lang
haben wir das ganze jüdische Land voller Erwartung gemacht,
indem wir ihnen sagten, das Himmelreich sei nahe herbeigekom-
men, nun aber ist unser König tot; wie sollen wir dem Volke
in das Gesicht sehen?
Unter diesen Betrachtungen ging jeder seines Weges, alles
wurde wieder still und man hörte nicht mehr die Stimme im
jüdischen Lande rufen: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist
nahe herbeigekommen.“ Jesus schlief in den Armen des Todes;
ein großer Stein mit dem Siegel des Staates sicherte sein Grab,
während die römische Schildwache im wachsamen Schweigen
darauf sah, daß alles wohl verwahrt bliebe. Plötzlich kam aus
den Regionen der Herrlichkeit ein mächtiger Engel herab, bei
dessen Erscheinen die Soldaten wie tot zurückfuhren, während er
den Stein von der Öffnung des Grabes wälzte. Der Sohn
Gottes erwachte aus seinem Schlafe, zerbrach die Fesseln des
Todes und erschien bald darauf Maria, die er zu seinen Jüngern
sandte mit der frohen Nachricht seiner Auferstehung, und einen
Ort bestimmte, wo er sie sehen werde.
Nach seiner Erscheinung verwandelte sich ihr ganzer Kummer
in Freude, und alle ihre früheren Hoffnungen lebten wieder auf.
Sie brauchten nicht mehr länger zu rufen: „Das Himmelreich ist
nahe herbeigekommen“, sondern sie mußten zu Jerusalem ver-
weilen, bis das Reich errichtet war; und sie bereiteten sich vor,
die Türe des Reiches zu öffnen und Fremde als gesetzliche Bürger
aufzunehmen, indem sie in gewissen Gesetzen und Verordnungen
amtierten, welche die unveränderlichen Gesetze waren, unter
denen die Aufnahme stattfand und ohne die niemand Bürger
werden konnte.
Nachdem er aufgefahren zur Höhe und mit aller Macht des
Himmels und der Erde gekrönt worden, kommt er wieder zu seinen
Jüngern und gibt ihnen ihre Vollmacht, indem er ihnen sagt:
„Gehet den in alle Welt und prediget das Evangelium jeder Kreatur:
–   52   –

Wer da glaubt und getaufet wird, der wird selig werden. Wer
aber nicht glaubet, der wird verdammet werden. Die Zeichen aber,
die da folgen werden denen, die da glauben, sind die: In meinem
Namen werden sie Teufel austreiben, mit neuen Zungen reden,
Schlangen vertreiben, und so sie etwas Tödliches trinken, wird es
ihnen nicht schaden; auf die Kranken werden sie die Hände legen,
so wird es besser mit ihnen werden.“ (Mark. 16, 15–18.)
Ich wünsche nun, daß der Leser über diesen Auftrag nicht
eher weggeht, als bis er ihn verstanden hat, weil, wenn einmal
verstanden, er sich nicht mehr im Reiche Gottes irren, sondern
sogleich jene Merkmale entdecken kann, welche es immer von
allen andern Reichen oder religiösen Systemen auf Erden unter-
scheiden sollten; und damit wir nicht mißverstanden werden, so
wollen wir ihn erläutern und jeden Teil sorgfältig in seinem
passenden Lichte betrachten; erstens: Sie sollten das Evangelium
oder, mit andern Worten, die frohe Botschaft eines gekreuzigten
und auferstandenen Heilandes in aller Welt predigen; zweitens:
Wer da glaubte und getauft würde, sollte selig werden; drittens:
Wer ihren Worten nicht glaubte, würde verdammt werden;
viertens: Folgende Zeichen sollten den Gläubigen folgen, erstens
würden sie Teufel austreiben; zweitens mit neuen Zungen reden;
drittens Schlangen vertreiben; viertens, so sie etwas Tödliches
tränken, würde es ihnen nicht schaden; fünftens, auf die Kranken
sollten sie die Hände legen und es würde besser mit ihnen werden.
Es ist nun eine absichtliche Blindheit oder Unwissenheit in
der Sprache, die immer hier jenes Mißverständnis verursacht hat.
Denn einige sagen uns, daß jene Zeichen nur den Aposteln oder
den zu ihrer Zeit lebenden Gläubigen folgen sollten. Doch Christus
stellt das Predigen, den Glauben, die Seligkeit und die Zeichen,
die folgen sollten, alles auf einen gleichen Fuß; wo das eine
beschränkt war, muß es auch das andere sein; wo das eine auf-
hörte, hörte auch das andere auf. Wenn die Sprache diese Zeichen
auf die Apostel beschränkt, so beschränkt sie auch Glauben und
Seligkeit auf sie. Wenn allen andern diese Zeichen nicht folgen
würden, so würden auch alle andern weder glauben noch selig
werden. Wenn ferner die Sprache diese Zeichen auf die ersten
Zeiten des Christentums beschränkt, alsdann beschränkt sie auch
die Seligkeit auf die ersten Zeiten des Christentums; denn das
eine wird ebensosehr beschränkt wie das andere; und wo das eine
in Kraft ist, ist es das andere auch; und wo das eine aufhört,
–   53   –

muß es das andere auch. Ebensogut könnten wir sagen: das
Predigen des Evangeliums ist nicht mehr länger nötig; auch
brauchen wir weder Glauben noch Seligkeit; dies wurde nur zuerst
gegeben, um das Evangelium einzusetzen; das heißt, die Zeichen
sind länger nicht mehr nötig, sie wurden nur zuerst gegeben, um
das Evangelium einzusetzen. Aber, sagt der erstaunte Leser, haben
nicht diese Zeichen unter den Menschen aufgehört? Ich erwidere:
„Beweise mir, daß sie aufgehört haben, und es wird ein Beweis
sein, daß das Evangelium nicht mehr gepredigt wird, und daß die
Menschen nicht mehr glauben und selig werden, und daß die Welt
ohne das Reich Gottes ist; oder es wird dadurch bewiesen, daß
Jesus Christus ein Betrüger war und seine Verheißungen nicht
erfüllt wurden.“
Nachdem wir nun diesen Auftrag erläutert und verstanden
haben, wollen wir die Organisation des Reiches Gottes in den
Tagen der Apostel weiter verfolgen. Nachdem ihnen der Heiland
ihre Vollmacht gegeben, befiehlt er ihnen zu warten und nicht
eher auf Missionen zu gehen, als bis sie von oben die Kraft dazu
erhalten haben werden. Warum jedoch dieses Warten? Weil kein
Mensch jemals geeignet war oder jemals sein wird, jenes Evan-
gelium zu predigen, wenn er nicht den Heiligen Geist empfangen
hat; und dieser Heilige Geist ist sehr verschieden von dem, den
die Menschen jetzt haben, die ohne göttliche Eingebung sind; denn
der Heilige Geist, von dem Jesus sprach, sollte zu aller Wahrheit
führen, auch alles das erinnern, was er ihnen gesagt hatte,
und ihnen die zukünftigen Dinge zeigen – abgesehen davon, daß
er sie befähigen würde, alle Sprachen der Erde zu sprechen. Es
hat also jeder Prediger den Heiligen Geist sehr nötig; erstens, um
zu aller Wahrheit zu kommen, damit er wisse, was zu lehren;
zweitens, um sein Gedächtnis zu stärken, damit er nicht vergesse,
die Dinge zu lehren, die ihm befohlen waren; und drittens muß er
die zukünftigen Dinge wissen, um seine Zuhörer vor der nahenden
Gefahr zu warnen, und dieses würde ihn als Prophet erweisen.
Aus diesem wird der Leser ersehen, welche Sorge Jesus trug,
daß niemand predigen sollte, ohne den Heiligen Geist empfangen
zu haben. Er wird auch sehen, wie verschieden der Geist der Wahr-
heit von den Geistern ist, die jetzt auf Erden sind und die Welt
unter dem Namen des Heiligen Geistes verführen. Wenn die
jetzigen Kirchen den Heiligen Geist haben, warum
können sie dann nicht die Wahrheit verstehen?
–   54   –

Warum gehen sie so verschiedene Wege und haben
so viele voneinander abweichende Lehren? Warum
brauchen Sie ganze Bibliotheken von Predigten
Traktaten, Streitschriften, Beweisen und Mei-
nungen, die alle von der Weisheit der Menschen
geschrieben sind, und die nicht einmal beanspruchen,
göttliche Eingebung zu haben?
Deshalb klagt der
Herr und spricht: „Ihre Furcht vor mir wird ihnen von den Vor-
schriften der Menschen gelehrt.“ Aber, um wieder zurückzukommen,
die Apostel verweilten in Jerusalem, bis sie die Kraft empfangen
hatten, und dann fingen sie an, das Evangelium zu verkünden.
Nun haben wir verschiedenes in betreff eines Königreiches
entdeckt; erstens: Wir haben einen König gefunden, gekrönt zur
rechten Hand Gottes, dem alle Macht im Himmel und auf Erden
gegeben ist; zweitens: Beauftragte, gesetzmäßig ernannte Beamte,
und die Regierungsangelegenheiten zu leiten; drittens: Die Ge-
setze, nach welchen sie regiert werden sollten. Dies war alles,
was Jesus seinen Jüngern befohlen hatte, den
Menschen zu lehren
.
Und wenn wir nun gefunden haben, wie die Menschen
Bürger jenes Königreichs wurden, ich meine nach den Vorschriften
der Aufnahme, dann haben wir das Reich Gottes in jener Zeit
gefunden, und wir werden sehr unzufrieden sein mit allem in
unserer Zeit, was das Reich Gottes zu sein vorgibt, das aber
nicht nach diesem Vorbilde ist.

Wie wird man Bürger des Reiches Gottes?
Zufällig gab es in jenem Reiche keine geborenen Untertanen,
denn sowohl Juden als auch Heiden waren in Sünden und Un-
glauben; und niemand konnte Bürger werden, ohne dem Gesetze
der Aufnahme nachgekommen zu sein, und alle, die an den Namen
des Königs glaubten, hatten die Macht, aufgenommen zu werden;
es gab jedoch nur eine unveränderliche Vorschrift oder nur
einen Plan, nach welchem sie aufgenommen wurden, und alle,
die das Bürgerrecht auf irgendeine andere Weise erlangen wollten,
wurden für Diebe und Räuber gehalten und konnte niemals das
Siegel der Aufnahme erhalten. Diese Vorschrift war auch in der
Leere, die der Heiland im Nikodemus gab: „Es sei denn, daß
jemand geboren werde aus dem Wasser (das heißt getauft werde
–   55   –

in dem Wasser) und Geiste (das heißt getauft werde mit dem
Geiste), so kann er nicht in das Reich kommen.“ Petrus er-
hielt die Schlüssel des Himmelreichs; daher war es seine Pflicht,
das Reich den Juden und auch den Heiden zu öffnen. Wir wollen
deshalb sorgfältig untersuchen, auf welche Weise er die Juden
am Pfingstfeste in das Reich aufnahm.
Als nun die Menge am Pfingstfeste zusammenkam, da trat
Petrus auf mit den Elfen, erhob seine Stimme und sprach mit
ihnen über die Schrift, gab Zeugnis von Jesu Christo, seine Auf-
erstehung und Himmelfahrt, so daß viele von der Wahrheit über-
zeugt wurden und fragten, was sie tun sollten. Diese waren nicht
Christen, sondern es waren Leute, die in jenem Augenblick die
Überzeugung erlangt hatten, daß Jesus der Christus war; und
weil sie von dieser Tatsache überzeugt waren, so fragten sie: „Was
sollen wir tun?“ Petrus sprach zu ihnen: „Tut Buße und
lasse sich ein jeglicher taufen auf den Namen Jesu
Christi zur Vergebung der Sünden, so werdet ihr
empfangen die Gabe des Heiligen Geistes
. Denn
euer und eurer Kinder ist die Verheißung, und aller, die ferne sind,
welche Gott, unser Herr, herzurufen wird.“ (Apost. 2:38–39.)
Lieber Leser, verstehst du diese Botschaft? Wenn es der Fall
ist, so wirst du sehen, daß dieses Evangelium in unserer Zeit
gewöhnlich nicht gepredigt wird. Wir wollen es daher Wort für
Wort durchgehen und untersuchen. Wie du weißt, glaubten sie
schon, und das nächste für sie war, Buße zu tun; zuerst: Glauben;
zweitens: Buße; drittens: Taufe; viertens: Vergebung der Sün-
den; und fünftens: der Heilige Geist. So war die Ordnung des
Evangeliums. Der Glaube gab die Macht, Kinder oder Bürger
zu werden; Buße und Taufe in seinem Namen war der Gehorsam,
durch den sie aufgenommen wurden; der Heilige Geist der Ver-
heißung war das Siegel ihrer Aufnahme, und sie empfingen ihn
gewiß, wenn sie gehorchten? Nun, Leser, wo hörst du dies heut-
zutage predigen? Wer lehrt, daß die, welche glauben und Buße
tun, getauft werden sollen und keine andern? Vielleicht wird der
Leser sagen, die Baptisten lehren es; fordern Sie jedoch die Menschen
auf, sich taufen zu lassen, sobald als sie glauben und Buße tun?
Und noch mehr, versprechen sie die Vergebung der Sünden mit
der Gabe des Heiligen Geistes? Bedenke nun, welche Wirkung
der Heilige Geist auf Leute hat, die ihn empfangen. Er wird sie
zu aller Wahrheit führen, das Gedächtnis stärken und ihnen zu-
–   56   –

künftige Dinge zeigen. Und Joel hat gesagt, daß sie durch den
Heiligen Geist Träume und Gesichte haben und prophezeien
werden. O, lieber Leser, wo findest du, daß dieses Evangelium
unter den Menschen gepredigt wird? Würden die Menschen
wochenlang trauern, ohne die Vergebung der Sünden oder den
Trost des Heiligen Geistes, wenn Petrus unter uns wäre und
uns genau sagte, wie wir solche Segnungen bekommen könnten?
Was würdest du sagen, wenn auf freiem Felde eine Ver-
sammlung von dreitausend Menschen stattfände, die deshalb zusam-
menkamen, um für sich beten zu lassen, und einer von den Geist-
lichen (wie Petrus) ihnen allen befehlen würde, Buße zu tun und
sich taufen zu lassen zur Vergebung der Sünden, indem er den Ge-
horsamen die Vergebung der Sünden und die Gaben des Heiligen
Geistes verhieß, und sie durch denselben Träume haben und pro-
phezeien würden; und dann mit seinen Brüdern desselben Amtes
aufstehen und zu derselben Stunde anfangen würden zu taufen
und so fortfahren, bis sie alle getauft wären; und der Heilige Geist
auf sie kommen und sie anfangen würden, Gesichte zu sehen, mit
andern Zungen zu reden und zu prophezeien? Würde nicht weit
und breit die Nachricht verbreitet werden, daß eine neue Lehre ge-
kommen sein, ganz verschieden von allem, was jetzt unter den Menschen
besteht? O ja, sagt der Leser, dies würde sicherlich für uns etwas
ganz Neues und Unbekanntes sein. Wohlan, so unbekannt es auch
zu sein scheint, es ist das Evangelium, welches Petrus am Pfingst-
feste predigte; und es heißt auch: „Wenn wir oder ein Engel vom
Himmel ein anderes Evangelium predigen, dies seien verflucht.“ Der
Leser braucht sich jetzt nicht länger zu wundern, wenn er sieht, daß
diese Zeichen denen nicht folgen, die an ein anderes Evangelium oder
an eine andere Lehre glauben, als die von den Aposteln gepredigte.
Wir wollen jedoch zum Reiche Gottes zurückkehren, das in
den Tagen der Apostel gegründet wurde. Wir finden, daß drei-
tausend Personen am ersten Tage, an welchem die Türe geöffnet
wurde, in das Reich aufgenommen wurden. Diese, nebst den
vielen, welche später hinzukamen, wurden die Untertanen dieses
Reiches, welches, da es vollkommen organisiert war, dem Herrn ein
heiliger Tempel wurde. So haben wir den Schutt der sektierischen
Überlieferungen und des Aberglaubens, der sich um uns auf-
häufte, weggeräumt; und da wir sorgfältig gesucht, so haben wir
zuletzt das Reich Gottes gefunden, so wie es mit seiner ersten
Gründung in den Tagen der Apostel bestand; und wir haben
–   57   –

gesehen, daß es sich sehr von allen andern neuern Religions-
systemen, sowohl in seinen Ämtern, Verordnungen, in seiner
Macht, als auch in seinen Vorrechten unterscheidet, so daß niemand
das eine mit dem andern verwechseln kann.
Nachdem wir diese Entdeckung gemacht haben, so wollen wir
weiter das Wachstum jenes Königreichs unter den Juden und
Heiden untersuchen und sehen, welches seine Früchte, Gaben und
Segnungen waren, die seine Bürger genossen. Bald nach der
Gründung des Reiches Gottes zu Jerusalem kam Philippus nach
Samarien und predigte das Evangelium; und als sie Philippus
glaubten, so wurden sowohl Männer als auch Frauen getauft und
hatten große Freude. Und nachher kamen Petrus und Johannes
von Jerusalem, beteten, legten ihre Hände auf sie, und sie emp-
fingen den Heiligen Geist. Merkt wohl, zuerst glaubten sie und
dann wurden sie getauft, indem sie große Freude empfanden und
doch noch nicht den Heiligen Geist empfangen hatten. Aber dieser
wurden später durch das Auflegen der Hände und durch Gebet im
Namen Jesu gegeben. O, wie verschieden ist dies von den Systemen
der Menschen!
Denket daran, was dem Paulus auf seiner Reise nach Damas-
kus geschah: Der Herr Jesus erschien ihm auf dem Wege, jedoch
anstatt ihm zu sagen, seinen Sünden wären vergeben, und den
Heiligen Geist auf ihn auszugießen, sandte er ihn nach Damaskus
mit den Worten, daß er dort erfahren würde, was er tun sollte.
Und als er nach Damaskus kam, befahl ihm Ananias, nicht zu
verweilen, sondern den Namen des Herrn anzurufen, sich auf-
zumachen und taufen zu lassen; dann stand er auf und wurde
getauft und mit dem Heiligen Geist erfüllt – und predigte so-
gleich, daß Jesus der Christus sei.
Wiederum sieh, wie Petrus zu Kornelius ging, einem Heiden
von großer Frömmigkeit, dessen Gebete erhört und dessen Almosen
gedacht wurden, und dem sogar Engel gedient hatten; doch mit
seiner Frömmigkeit und dem Heiligen Geiste, der auf ihn und
seine Freunde ausgegossen war, ehe er getauft wurde, mußten sie
doch getauft werden, oder sie konnten nicht selig werden. Warum?
Weil der Herr den Aposteln befohlen hatte, aller Kreatur zu pre-
digen, und jede Kreatur, die nicht glauben und sich taufen lassen
wollte, sollte ohne Ausnahme verdammt werden. Denke an die
Worte, die der Engel zu Kornelius sprach: „Er (Petrus) wird
dir Worte sagen, durch welche du und dein ganzes Haus selig
–   58   –

werden wirst.“ Nun entsteht die Frage, konnte Kornelius selig
werden, ohne den Worten Petri zu gehorchen? Wenn dies der
Fall ist, dann war der Auftrag des Engels umsonst.
Wenn nun ein Prediger einen Menschen finden sollte, der
ebenso gut wäre wie Kornelius, so würde er vielleicht zu ihm
sagen: „Gehe vorwärts, Bruder, du kannst selig werden, du hast
Religion geübt, du kannst dich ja taufen lassen, um dein gutes Ge-
wissen zu befriedigen, wenn du es für deine Pflicht hältst; oder,
wenn es nicht der Fall ist, so hat es auch nichts zu bedeuten, ein
neues Herz ist alles, was wirklich für die Seligkeit notwendig ist.
Das heißt, die Gebote Jesu sind nicht durchaus nötig zur Selig-
keit; es kann ihn jemand anrufen, Herr, Herr und ebensogut
selig werden, als wenn er seine Gebote hielte.“ O, nichtige und
törichte Lehre! – O, ihr Menschenkinder, wie habt ihr das
Evangelium verkehrt! Vergebens ruft ihr ihn an mit Herr, Herr,
und gehorchet nicht seinen Geboten.
Weiter erinnern wir an den Kerkermeister und alle, die bei
ihm waren, welche zu derselben Stunde, in welcher sie glaubten,
getauft wurden und nicht erst den andern Tag abwarteten. Auch
an Lydia und alle, die mit ihr waren, die das Gebot der ersten
Predigt befolgten, die sie über diesen Gegenstand hörten. Auch
an Philippus und an den Kämmerer, die den Wagen bei dem
ersten Wasser halten ließen, zu dem sie kamen, um sich taufen zu
lassen, obgleich er vor wenigen Minuten zum ersten Male von Jesu
gehört hatte. Ich entnehme nun aus allen diesen Beispielen alter
Zeiten und aus den darin enthaltenen Lehren, daß die Taufe das
erste Gebot war, durch welches alle, welche glaubten und Buße
taten, in die Kirche oder das Reich Gottes aufgenommen wurden,
so daß sie ein Recht hatten, Vergebung der Sünden und die Seg-
nungen des Heiligen Geistes zu erhalten; es war in der Tat das
Gebot, durch welches sie Söhne und Töchter wurden; und weil
sie Kinder waren, goß der Herr den Geist seines Sohnes in ihre
Herzen, rufend Abba, Vater. Zwar goß der Herr den Heiligen
Geist auf Kornelius und seine Freunde, ehe sie getauft wurden;
jedoch schien es nötig, um die gläubigen Juden zu überzeugen,
daß die Heiden auch an dieser Seligkeit teilhatten. Und ich
glaube, daß dies das einzige Beispiel in der ganzen Urkunde ist,
wo das Volk den Heiligen Geist empfing, ohne den Gesetzen der
Aufnahme zu gehorchen. Doch höre! Wenn auch jemand den
Gesetzen der Aufnahme gehorcht, so wird er doch nicht ein Erbe
–   59   –

des Königreiches oder ein Bürger werden, der Ansprüche auf die
Segnungen und Gaben des Geistes hat, insofern diese Gesetze
und Gebote nicht von einem vollzogen werden, der die gehörige
Vollmacht und den Auftrag von dem Könige hatte, und die Voll-
macht, die einer Person gegeben war, konnte niemals eine andere
bevollmächtigen, an seiner Statt zu handeln. Dies ist einer der
wichtigsten Punkte, der wohl verstanden werden muß, da er für
jeden Prediger der Christenheit ein Prüfstein ist und die Voll-
macht jeder auf Erden existierenden und gewesenen Kirche, seitdem
göttliche Verbindung aufhörte, in Frage stellt.

Vollmacht zum Amt.
Um diesen Gegenstand deutlich zu machen, wollen wir die
Verfassung irdischer Regierungen in bezug auf die Vollmacht
und Gesetze der Aufnahme untersuchen. Wir wollen z. B. sagen,
der Präsident der Vereinigten Staaten gibt A. B. einen Auftrag
versieht ihn mit gehöriger Vollmacht, ein gewisses Amt in der
Regierung zu bekleiden. Während seiner Amtszeit kommen zwei
Herren aus Europa, um in diesem Lande sich ansässig zu machen,
und da sie Fremde sind und den Wunsch hegen, Bürger zu
werden, begeben Sie sich zu A. B., der ihnen in gehöriger Form
den Bürgereid abnimmt und denselben bescheinigt. Dadurch wer-
den sie gesetzmäßige Bürger und haben ganz gleiche Rechte mit
in geborenen Bürgern oder Untertanen. Darauf stirbt A. B.,
und C. D., der seine Papiere durchsucht, findet zufällig die Voll-
macht des A. B. und wendet dieselbe zu seinem Besten an, indem
er die leere Stelle einnimmt; unterdessen kommen zwei Fremde,
die Bürger werden wollen, und da sie von Leuten, die die Re-
gierungs-Angelegenheiten nicht kennen, gehört haben, daß C. D. in
den Gesetzen der Aufnahme amtieren könne, schwören sie ihm den
Eid, ohne erst seine Vollmacht zu prüfen; C. D. bescheinigt ihr
Bürgerrecht, und sie glauben, nun ebenso gesetzmäßig wie die
andern aufgenommen zu sein und alle Vorrechte der Bürger ge-
nießen zu können. Doch allmählich wird ihr Bürgerrecht angefoch-
ten, und sie zeigen die Bescheinigung des C. D. Der Präsident
fragt: „Wer ist C. D.? Ich gab ihm niemals den Auftrag, irgend-
ein Amt zu bekleiden, ich kenne ihn nicht und Sie gehören nicht zum
Staate und sind Fremde, bis Sie zu einem gesetzmäßig ernannten
Nachfolger des A. B. oder zu irgendeinem andern mit gleicher
–   60   –

Vollmacht versehenen Beamten gehen, der die Autorität vom Prä-
sidenten hat, und zwar unmittelbar auf seinen eigenen Namen.“
Mittlerweile wird C. D. verhaftet und nach den Gesetzen bestraft,
weil er Betrug verübt und sich unrechtmäßig ein Amt angemaßt
hat, das ihm niemals übertragen worden war.
Genau so verhält es sich mit dem Reiche Gottes. Der Herr
bevollmächtigte die Apostel und andere durch unmittelbare Offen-
barungen und durch den Geist der Prophezeiung, zu predigen und
zu taufen, und seine Kirche und sein Reich aufzubauen; doch nach
einer Weile starben sie und eine lange Zeit verging, und die
Männer, die ihre Berufung durchlasen, worin zu den elf Aposteln
gesagt wird: „Gehet in alle Welt und predigt das Evangelium
aller Kreatur“, haben in ihrer Vermessenheit diese Worte als
ihre Autorität betrachtet, und ohne irgendeine andere Vollmacht
sind sie aufgetreten, um das Evangelium zu predigen, zu taufen
und die Kirche und das Reich Gottes aufzubauen; doch die, welche
sich so taufen lassen, empfangen niemals dieselben Segnungen
und Gaben, die einen Heiligen oder Bürger des Königreiches
zu den Zeiten der Apostel auszeichneten. Warum? Weil sie noch
Fremde sind, denn die den Aposteln gegebene Autorität bevoll-
mächtigte keine andere Persönlichkeit, in ihrer Stelle zu amtieren.
Dieses ist ein Vorrecht, das sich der Herr allein vorbehält. Nie-
mand hat ein Recht, dieses Amt zu übernehmen, es sei denn, daß er
durch Offenbarung dazu berufen, befähigt und durch den Heiligen
Geist inspiriert sei, seinem Berufe vorzustehen.

Andersgläubige Prediger und Pastoren ohne Vollmacht.
Doch erstaunt fragt der Leser: „Wie! ist keiner von allen
den jetzigen Predigern zum Amte berufen und gesetzmäßig beauf-
tragt?“ Wohlan, lieber Leser, ich werde dir sagen, wie du dies
aus ihrem eigenen Munde erfahren kannst, und das wird weit
besser sein als eine Antwort von mir; erkundige dich bei den
Geistlichen, ob Gott seit der Vollendung des Neuen Testaments
direkte Offenbarung gegeben hat, frage sie, ob die Gabe der
Prophezeiung mit den früheren Zeiten der Kirche aufhörte, kurz,
ob Offenbarungen, Propheten, dienende Engel usw. noch jetzt
nötig oder zu erwarten seien, oder ob sie glauben, diese Dinge
seinen von der Erde verschwunden, um nie wieder hergestellt zu
werden. Du wirst die Antwort erhalten, daß die Bibel genug
–   61   –

enthält und daß, seitdem die Heilige Schrift vollendet ist, Offen-
barungen, der Geist der Prophezeiungen und dienende Engel
aufgehört haben, weil sie nicht mehr notwendig sind. Kurz,
sie werden jeden für einen Betrüger erklären, der so etwas be-
hauptet.
Und wann du diese Antwort erhalten hast, so frage sie, wie
sie selbst berufen und beauftragt wurden, das Evangelium zu
predigen, und sie werden nicht imstande sein, dir zu antworten,
und zuletzt erwidern, daß die Bibel sie durch die Worte: „Gehet
hin in alle Welt“ usw., beauftrage. Du siehst, daß alle, welche
nicht direkte Offenbarung vom König des Himmels empfingen, sei
es durch Engel, der Stimme Gottes, den Geist der Prophezeiung,
mit angemaßter Vollmacht amtieren, die einst von verstorbenen
Männern entwendet und ermächtigt wurde; darum wird der
König sagen: „Petrus kenne ich und Paulus kenne ich, ich beauf-
tragte sie, wer aber seid ihr? Ich kenne euch nicht, ich redete nie
in meinem Leben zu euch; in Wirklichkeit habt ihr meine Stimme
in euren Tagen verleugnet. Daher habt ihr nie im Glauben
nach Offenbarung getrachtet und ich gab sie euch nicht, und wenn
ich zu den andern sprach, so verspottetet ihr sie und nanntet sie
Betrüger und verfolgtet sie, weil sie Dinge bezeugten, die ich zu
ihnen geredet hatte. Deshalb gehet hin von mir, ihr Verfluchten,
in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen
Engeln: Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich nicht ge-
speiset. Ich bin ein Gast gewesen, und ihr habt mich nicht beher-
bergt. Ich bin nackend gewesen, und ihr habt mich nicht bekleidet.
Ich bin krank und gefangen gewesen, und ihr habt mich nicht
besuchet.“ Ach, Herr, wann haben wir nicht diese Dinge getan?
„Was ihr nicht getan habt einem unter diesen Geringsten (indem
ihr sie für Betrüger hieltet, weil sie von den Dingen zeugten,
die ich ihnen geoffenbaret hatte), das habt ihr mir auch nicht
getan.“ Doch wieder zur Sache; nachdem wir das Reich Gottes
in bezug auf seine Ämter und Gebote untersucht und das einzige
Mittel entdeckt haben, durch welches man hineinkommen kann,
so wollen wir noch genauer untersuchen, welches seine Segnungen,
Vorrechte und Genüsse sind. Wie schon bemerkt, sollten sie Teufel
austreiben, mit neuen Zungen reden, Kranke durch das Auflegen
der Hände im Namen Jesu gesund machen, Gesichte sehen, Träume
haben, prophezeien usw.
–   62   –

Gaben und Ämter des Reiches.
Wir wollen jedoch das Reich in seinem organisierten Zu-
stande betrachten und sehen, ob diese Verheißungen an den
Juden und Heiden, wo auch immer das Reich Gottes bestand, in
Erfüllung gingen. Paulus schreibt zuerst der Gemeinde Gottes zu
Korinth, zweitens „den Geheiligten in Christo Jesu“, drittens
„den berufenen Heiligen“, viertens, „die den Namen unseres
Herrn Jesu Christo anrufen“, und sagt ihnen allen im 1. Korinther
12, 1: „Von den geistlichen Gaben aber will ich euch, lieben
Brüder, nicht verhalten.“ Und dann fährt er einige Verse weiter
mit seinen Lehren also fort: „In einem jeglichen erzeigen sich
die Gaben des Geistes zum gemeinen Nutzen. Einen wird
gegeben durch den Geist zu reden von der Weisheit; dem
andern wird gegeben zu reden von der Erkenntnis, nach dem-
selben Geiste; einem andern der Glaube, in demselbigen Geiste;
einem andern die Gabe, gesund zu machen, in demselbigen Geiste;
einem andern Wunder zu tun; einem andern Weissagung; einem
andern Geister zu unterscheiden; einem andern mancherlei Sprachen;
einem andern die Sprachen auszulegen. Dies aber alles wirkt
derselbige einige Geist und teilt einem jeglichen seines zu, nachdem
er (Christus) will. Denn gleichwie ein Leib ist und hat doch
viele Glieder; aller Glieder aber eines Leibes, wiewohl ihrer
viele sind, sind sie doch ein Leib, also auch Christus. Denn wir
sind durch einen Geist alle zu einem Leibe getauft, wir seien
Juden oder Griechen, Knechte oder Freie, und sind alle zu einem
Geiste getränket. Denn auch der Leib ist nicht ein Glied, sondern
viele. So aber der Fuß spräche: „Ich in keine Hand, darum
bin ich des Leibes Glied nicht.“ Sollte er um deswillen nicht
des Leibes Glied sein? Und so das Ohr spräche: „Ich bin kein
Auge, darum bin ich nicht des Leibes Glied.“ Sollte es um
deswillen nicht des Leibes Glied sein? Wenn der ganze Leib
Auge wäre, wo bliebe das Gehör? So er ganz Gehör wäre,
wo bliebe der Geruch? Nun aber hat Gott die Glieder gesetzt,
ein jegliches sonderlich am Leibe, wie er gewollt hat. So aber
alle Glieder ein Glied wären, wo bliebe der Leib? Ich erwidere,
es würde gar keinen geben. „Nun aber sind der Glieder viele,
aber der Leib ist einer. Es kann das Auge nicht sagen zu der
Hand: Ich bedarf deiner nicht; oder wiederum das Haupt zu den
Füßen: Ich bedarf euer nicht. Sondern vielmehr die Glieder
–   63   –

des Leibes, die uns dünken die schwächtsten zu sein, sind die
nötigsten; und die uns dünken am wenigsten ehrbar zu sein, den-
selbigen legen wir am meisten Ehre an; und die uns übel anstehen,
die schmückt man am meisten; denn die uns wohl anstehen, die
bedürfen es nicht. Aber Gott hat den Leib also vermenget und
im dürftigen Gliede am meisten Ehre gegeben, auf daß nicht
eine Spaltung im Leibe sei, sondern die Glieder füreinander
gleich sorgen. Und so ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit,
und so ein Glied wird herrlich gehalten, so freuen sich alle Glieder
mit. Ihr seid aber der Leib Christi und Glieder ein jeglicher nach
seinem Teile.
Und Gott hat gesetzt in der Gemeinde aufs erste die Apostel,
aufs andere die Propheten, aufs dritte die Lehrer, darnach die
Wundertäter, darnach die Gaben, gesund zu machen, Helfer, Re-
gierer, mancherlei Sprachen. Sind sie alle Apostel? Sind sie
alle Propheten? Sind sie alle Lehrer? Sind sie alle Wunder-
täter? Haben Sie alle Gaben, gesund zu machen? Reden sie alle
mit mancherlei Sprachen? Können sie alle auslegen? Strebt aber
nach den besten Gaben. Und ich will euch noch einen köstlicheren
Weg zeigen.“
Aus dem 13. Verse des obigen Kapitels ersehen wir, daß
der Apostel noch zur ganzen Kirche aller Zeiten spricht, sie seien
Juden oder Heiden, Knechte oder Freie, sogar zu allen, die je den
Leib Christi ausmachen sollten, und indem er zeigt, daß Christi
Leib aus vielen Gliedern bestand, die durch einen Geist zu einem
Leibe getauft wurden, die alle diese verschiedenen Gaben besaßen;
das eine diese und jenes eine andere, sagt er ausdrücklich, daß ein
Glied mit einer Gabe nicht zum Nebenglied mit einer andern
Gabe sagen kann, wir bedürfen deiner nicht.
Nachdem gezeigt worden ist, daß Apostel, Propheten, Evan-
gelisten, Priester und Lehrer, ferner die Gaben zu prophezeien,
Wunder zu tun, gesund zu machen und alle übrigen Gaben erfor-
derlich sind, um zu irgendeiner Zeit die Kirche oder den Leib
Christi zu bilden, es seien Juden oder Heiden, Knechte oder Freie;
und nachdem er allen Gliedern gänzlich verboten hat, von irgend-
einer von diesen Gaben zu sagen, wir bedürfen deiner nicht, so
erklärt er, daß der Leib niemals vollkommen sein könnte, wenn
nicht alle Glieder denselben bilden, und daß, wenn sie weggetan
sind, kein Leib, das heißt keine Kirche Christi, bestehen würde.
Nachdem er alles dieses deutlich bewiesen, so ermahnt er sie, nach
–   64   –

den besten Gaben zu streben. Im 13. Kapitel ermahnt er sie zum
Glauben, zur Hoffnung und Liebe, ohne welche alle diese Gaben
nichts sein würden; und dem 14. Kapitel wiederholt er die Er-
mahnung: „Strebet nach der Liebe. Fleißiget euch der geistigen
Gaben, am meisten aber, daß ihr weissagen möget.“
Ferner in den Ephesern 1, 17 bittet Paulus, daß der Herr der
Kirche gebe den Geist der Weisheit und der Offen-
barung zu Gottes selbst Erkenntnis
. Ferner:
Epheser 4 sagt der ihnen: „Es ist ein Leib und ein Geist, ein Herr,
ein Glaube und eine Taufe; und Christus ist aufgefahren zur
Höhe und hat das Gefängnis gefangen geführt und hat den
Menschen Gaben gegeben. Und er hat etliche zu Aposteln gesetzt,
etliche aber zu Propheten, etliche zu Evangelisten, etliche zu Hirten
und Lehrern.“ Und wenn der Leser fragt, warum diese Gaben
und Ämter bestanden, so kann er den 12. Vers lesen: „Daß die
Heiligen zugerichtet werden zum Werke des Amts, dadurch der
Leib Christi erbaut werde.“ Wenn wir fragen, wie lange diese
bestehen sollten, so sagt der 13. Vers: „Bis daß wir alle hinan-
kommen zu einerlei Glauben und Erkenntnis des Sohnes Gottes
und ein vollkommener Mann werden, der da sei in dem Maße
des vollkommenen Alters Christi.“ Fragen wir noch, welche
weitere Absicht Christus hatte, als er uns diese Gaben verlieh,
so wollen wir den 14. Vers lesen, worin es heißt: „Auf daß
wir nicht mehr Kinder seien und uns wägen und wiegen lassen
von allerlei Wind der Lehre, durch Schalkheit der Menschen und
Täuscherei, damit sie uns erchleichen und verführen.“
Ohne diese Gaben und Ämter können erstens die Heiligen
nicht vollkommen werden; zweitens das Werk des Amtes kann
keinen Fortgang haben; drittens kann der Leib Christi nicht erbaut
werden; und viertens werden sie sich von allerlei Wind der Lehre
wiegen lassen. Ich erkläre nun frei, daß die Ursache aller Spal-
tungen, Verwirrungen, Mißhelligkeiten und Feindseligkeiten und
der ergiebigen Quelle so vieler Glaubensmeinungen, Herren,
Taufen und Geister und des verdunkelten Verstandes und der
Grund, weshalb sie von den Wegen Gottes durch die innewohnende
Unwissenheit, wegen der Blindheit ihres Herzens, abgewichen sind,
die ist, daß sie weder inspirierte Apostel, Propheten noch Gaben
von oben haben; denn würden sie solche Gaben besitzen und
dieselben beachten, so würden sie zu einem Leib in der wahren
Lehre Christi aufgebaut sein und einen Herrn, einen Glauben,
–   65   –

eine Taufe und eine Hoffnung ihres Berufes haben; ja, sie
würden erbaut sein zu Christum in allen Dingen, in welchen der
ganze Leib passend zusammengefügt, ein heiliger Tempel Gottes
werden würde.
Doch solange die Schalkheit der Menschen sie überreden kann,
daß sie dieser Dinge nicht bedürfen, so lange können sie sie wiegen
mit jedem Wind der Lehre, gerade wie es ihnen gefällt.
Nun, Leser, bin ich mit der Untersuchung des Reiches Gottes,
wie es in den Tagen der Apostel bestand, fertig; und wir finden
es in keiner andern Zeit, bis es wieder in den letzten Tagen
erneuert wurde, denn es bestand niemals, noch wird es jemals
bestehen ohne Apostel und Propheten und alle die andern Gaben
des Geistes.
Würden wir die Kirchen seit den Tagen, wo jene göttlichen
Eingebungen aufhörten, bis jetzt durchgehen, so würden wir nichts
von den Königreiche sehen, das wir mit so vieler Verwunderung
und Freude betrachtet haben. Sondern statt der Apostel und
Propheten würden wir falsche Lehrer sehen, welche die Menschen
sich aufgeladen haben, und anstatt der Gaben des Geistes würden
wir die Weisheit der Menschen sehen; anstatt des Heiligen Geistes,
viele falsche Geister; anstatt der Gebote Gottes, Verordnungen
der Menschen; anstatt der Erkenntnis, Meinungen; Vermutungen,
anstatt Offenbarungen; Zwiespalt, anstatt Einigkeit; Zweifel,
anstatt Glauben; Verzweiflung, statt Hoffnung; Haß, statt Liebe;
einen Arzt, anstatt daß Hände aufgelegt werden sollten, um die
Kranken gesund zu machen; Fabeln, anstatt der Wahrheit; Böses
für Gutes, Gutes für Böses; Dunkelheit für Licht, Licht für
Dunkelheit; mit einem Worte, einen Antichristen anstatt Christus;
die Mächte der Erde, wie sie mit den Heiligen kriegen und sie
überwältigen, bis die Worte Gottes erfüllt sein würden. O, mein
Gott, laß das Gesicht verschwinden! Ich kann nicht mehr länger
hinsehen; und lasse den Tag hereineilen, an welchem die Erde
durch Feuer von solcher Besudelung gereinigt werden wird; doch
erfülle zuerst deine Verheißung, die du durch den Mund deines
Dieners Johannes gemacht hast, daß du dein Volk von ihr rufen
und sprechen würdest: Gehe heraus, mein Volk, daß ihr nicht
teilhaftig werdet ihrer Sünden, auf daß ihr nicht empfanget von
ihren Plagen. Und dann, o Herr, wann du dein Volk aus ihrer
Mitte durch Fischer und Jäger, welche du zu senden versprochen,
um Israel in den letzten Tagen zu sammeln, gerufen hast, ja,
–   66   –

wann dein ewiger Bund erneuert und das Volk dadurch eingesetzt
worden ist; dann laß ihre Plagen an einem Tag kommen, Tod,
Trauer und Hungersnot; laß sie durch Feuer verbrennen, damit
deine heiligen Apostel und Propheten und alle, die deinen Namen
fürchten, klein und groß sich freuen mögen, daß du das Blut
deiner Heiligen auf ihr gerächt hast. Ich bitte dich um diese
Dinge in dem Namen Jesu Christi. Amen.
_____________

Kapitel 4.
Das Buch Mormon, Ursprung der amerikanischen Indianer usw.
Ihr düstern Bilder, schnell hinweg, entflieht!
Erhabeneres die Muse jetzt ersieht,
Indessen Szenen, herrlich, groß und neu,
Das Aug' entzück'n, den Geist erfüll'n mit Scheu.
Sieh! aus dem offnen Himmel in Herrlichkeit
Ein Engel kommt zur Erd' in dieser Zeit;
Gesandt mit Macht wie einst, macht Menschen offenbar
Des Evangeliums Füll', die lang nicht war.
Die Erd' aus ihrem Schoße offenbart,
Was sie getreu so lange aufbewahrt;
Es sehen es die Gelehrten mit Erstaun',
Indes der Stolze fühlt ein sonder Graun.
Der Söldlingspriester ist der Wahrheit Feind,
Indes die Höll' vor Wut zu zittern scheint;
Ihr Hoffen und ihr Kämpfen ist um nichts,
Sie fallen jetzt, denn sie entbehrn des Lichts;
Der Taube hört, der Sanfte freut sich sehr;
Der Arme wird nun froh, kein Joch ist mehr.

Während Finsternis die Erde bedeckte und Dunkelheit die
Völker, jedes seinen eigenen Weg ging und von seinem Stand-
punkte aus nach Gewinn trachtete, und der Herr lange in Schwei-
gen verharrt hatte – während das Volk sich schmeichelte, daß die
Stimme der göttlichen Eingebung nie mehr in die Ohren der
Sterblichen tönen würde, um sie in ihrer sündhaften Laufbahn
zu stören oder zu beunruhigen – indes einige Trost von Israel
erwarteten und Gott anriefen, jenen langersehnten Tag zu senden,
an welchem ein Engel mitten durch den Himmel fliegen und ein
ewiges Evangelium allen, die auf Erden wohnen, verkündigen
würde, – da erschallte plötzlich eine Stimme aus der Wüste, ein
Ruf begrüßt die Sterblichen, ein Zeugnis, welches bis zum
–   67   –

Innersten des Herzens dringt, ist unter ihnen hörbar. Als plötz-
lich die Heiden zu wüten und sich ein nichtiges Ding einzubilden
anfangen, erhebt die Geistlichkeit ihre warnende Stimme und
ruft: „Betrüger, falsche Propheten, hütet euch vor Betrügerei“
usw.; indes werden Bekenner der Religion, Trunkenbolde, Flucher,
Gelehrte und Ungelehrte die Stimme bald entdecken und sie
immer aufs neue wiederholen. So ertönt sie lange Zeit von
einem Ende unseres Landes zum andern, und wenn jemand
glücklicherweise seine gesunden Sinne behalten und aufrichtig
fragen sollte: Was meint dieses? So ist die Antwort: wir wissen
kaum etwas davon, doch mag es genügen zu sagen, es sind einige
Menschen wie Paulus aufgetreten, die etwas von dienenden
Engeln oder von irgendeiner Offenbarung oder göttlichen Ein-
gebung bezeugen, gerade als ob die Religion der alten Zeiten und
der Glaube, der einst den Heiligen gegeben wurde, auf die Erde
in dieser aufgeklärten Zeit zurückgekehrt wäre, so daß nicht nur
unser Handwerk gefährdet, sondern auch unsere neueren, auf die
Weisheit und Gelehrsamkeit der Menschen gegründeten Religions-
systeme, die der unmittelbaren göttlichen Eingebung entbehren,
wahrscheinlich Widerspruch, und ihre große Pracht, obgleich von
aller Welt geehrt, Verachtung erleiden werden.
Dann rufen sie wieder alle mit lauter Stimme und sagen:
„Groß ist die Weisheit der Menschen; groß sind diese Systeme
neuerer Gottesgelehrsamkeit; groß ist die Weisheit der Pastoren,
die keine göttliche Eingebung haben, die zu uns kommen, vor-
treffliche Reden führen und die Weisheit der Menschen besitzen,
und die nur ihre eigenen Meinungen und Glaubensbekenntnisse
unter uns haben wollen, und ihre Reden und Predigten werden
mit den verlockenden Worten menschlicher Weisheit gehalten, nicht
um den Geist und die Macht zu beweisen, denn die hat man ver-
worfen, damit unser Glaube nicht auf der Macht Gottes, sondern
auf der Weisheit der Menschen beruhe.“
Mitten in dem Lärm, Geschrei und den Vorurteilen einer
streitenden Welt ist es schwierig, die Leute mit den Tatsachen
einer der wichtigsten Dinge, die jemals der Erwägung der
Menschen überlassen wurden, bekannt zu machen.
Das Buch Mormon ist vielleicht von der Welt im all-
gemeinen weniger verstanden und falscher dargestellt worden als
irgendeine andere bisher erschienene Schrift. Amerika und Eng-
land sind mit Schriften gegen das erwähnte Buch gleichsam über-
–   68   –

flutet worden; und zwar sind viele derselben aus der Feder derer
gekommen, die das Buch entweder niemals gesehen oder darin
nur eine oder zwei Seiten gelesen oder es oberflächlich mit Partei-
lichkeit und dem Entschlusse zu tadeln durchgegangen haben. Einige
haben es als einen Roman, andere wieder als eine neue Bibel
dargestellt, die gekommen sei, um die Bibel zu beseitigen oder
zu verwerfen. Einige haben es für etwas ganz Abgeschmacktes,
Albernes, erklärt, das nicht wert wäre, gelesen zu werden; andere
für das geistreichste literarische Werk, das jemals erschien. Einige
haben es getadelt, weil es der Bibel so ähnlich ist und mit ihr
übereinstimmt; andere wieder haben es verdammt, weil es der
Bibel nicht ähnlich genug sei und von ihr abweiche. Einige haben
gesagt, daß seine Grundsätze Verdorbenheit, Sittenlosigkeit und
Gotteslästerungen enthielten; andere haben es wieder verdammt
wegen seiner außerordentlich reinen und moralischen Grundsätze,
weil es gerade recht geeignet wäre, andere zu verführen. Ein
Geistlicher besonders, in einer 60 Seiten starken Abhandlung
dieses Werkes, verdammt es als eine seltsame Mischung des
Glaubens und der Werke, der Barmherzigkeit Gottes und des
Gehorsams der Kreatur. Einige Gelehrte haben es in seinem
Stil, Sprache und Gegenständen für etwas ganz Altes gehalten,
das schon in sich den ganzen Beweis seines Alters trage, indes
haben es andere, weil es alle Zeichen eines neueren Ergebnisses
an sich habe, verdammt. Einige behaupteten, keine bestimmte
Weissagungen in bezug auf die Zukunft darin zu finden, durch
der Erfüllung seine prophetischen Verdienste erprobt werden
könnten; andere haben wieder die deutlichsten und bestimmtesten
Prophezeiungen angeführt, die auf Ereignisse Bezug haben, die
noch in Erfüllung gehen sollen, und haben es wegen seiner Deut-
lichkeit verdammt.
Mitten unter diesen sich widersprechenden Berichten ist es jetzt
unsere Pflicht, soweit wie möglich zu zeigen, was eigentlich
das Buch Mormon ist.
Als der Herr die Sprachen zu Babel verwirrte, führte er
von da eine Kolonie nach dem westlichen Festlande, das jetzt
Amerika heißt. Nachdem diese Kolonie auf acht Schiffen über
in Ozean gefahren und in jenem Lande gelandet war, wurde
sie im Laufe der Zeit ein großes Volk – es bewohnte Amerika
ungefähr 1500 Jahre lang. Zuletzt wurden sie wegen ihrer
Gottlosigkeit ungefähr 600 Jahre vor Christi vernichtet. Ein
–   69   –

Prophet, namens Ether, schrieb ihre Geschichte und einen Bericht
ihres Unterganges.
Ether war Zeuge ihres gänzlichen Unterganges und hob seine
Urkunde da auf, wo sie später von einer Kolonie Israeliten, die
600 Jahre v. Chr. von Jerusalem kamen und Amerika wieder
bevölkerten, gefunden wurde.
Die letzte Kolonie sind Nachkommen vom Stamme Joseph;
sie nahmen zu und vermehrten sich, bis aus ihnen endlich zwei
mächtige Völker wurden. Das eine hieß die Nephiten – da
Nephi ihr Gründer war –, daß andere hieß die Lamaniten, nach
ihrem ersten Führer namens Laman.
Die Lamaniten wurden ein dunkles und umnachtetes Volk,
von dem die amerikanischen Indianer noch ein Überrest sind.
Die Nephiten waren ein aufgeklärtes und gesittetes Volk, sie
wurden vom Herrn hoch begünstigt, sie hatten Gesichte, Engel und
die Gabe der Weissagung unter sich, von einem Jahrhundert zum
andern; und endlich wurden sie mit dem persönlichen Erscheinen
Jesu Christi nach seiner Auferstehung gesegnet, aus dessen Munde
sie die Lehre des Evangeliums und eine Erkenntnis der Zukunft
bis auf alle folgenden Zeiten herab erhielten. Aber nach den
Segnungen und Vorrechten, die ihnen geworden waren, verfielen
sie im dritten und vierten Jahrhundert der christlichen Zeit-
rechnung in große Gottlosigkeit und wurden zuletzt von den
Lamaniten ungefähr vierhundert Jahre n. Chr. vernichtet.
Mormon lebte zu jener Zeit und war ein Nephite und ein
Prophet des Herrn. Er machte auf Befehl des Herrn einen ab-
gekürzten Bericht von den heiligen Urkunden, welche die Geschichte
seiner Vorfahren, die Weissagungen und das Evangelium ent-
hielten, das ihnen offenbart worden war, und fügte noch einen
Umriß der Geschichte seiner Zeit und des Unterganges seines
Volkes hinzu. Vor seinem Tode fielen die abgekürzten Urkunden
in die Hände des Sohnes Moroni, der sie bis zum Jahre des
Herrn 420 fortsetzte; um diese Zeit verbarg er sie sorgfältig in
die Erde, auf einem Hügel, der damals Cumorah hieß und in der
Township Manchester, Grafschaft Ontario, Staat New York in
Nordamerika, gelegen ist. Dies tat er, um sie vor den Lamaniten
zu bewahren, die das Land überschwemmten und sie und alle auf
die Nephiten bezüglichen Urkunden zu vernichten suchten. Diese
Urkunden blieben versiegelt und verborgen, vom Jahre 420 bis
–   70   –

auf den 22. September 1823, wo Joseph Smith, von einem
Ende des Herrn geleitet, sie auffand.
Der folgende Bericht von der Entdeckung und Übersetzung
dieser Urkunde ist aus einer 1840 zu Edinburg erschienenen Schrift
des Ältesten Orson Pratt entnommen und heißt: „Merkwürdige
Gesichte“ usw., worauf wir unsere Leser wegen des Näheren
verweisen:
„Wie tief die so Uhrkunden vor alten Zeiten in die Erde
gelegt worden waren, kann ich nicht sagen; doch aus dem Um-
stande, daß sie ungefähr 1400 Jahre vergraben gewesen sind, und
noch dazu auf der Seite eines so steilen Hügels, kann man wohl
schließen, daß sie einige Fuß tief lagen, da sich natürlich die Erde
mehr oder weniger während jener langen Zeit nach und nach ver-
lieren würde, aber indem sie nahe am Gipfel des Hügels ver-
borgen wurden, konnte nicht mehr wie etwa zwei Drittel der zu-
deckenden Erde verloren gehen. Ein Umstand konnte verhindern,
daß sich die Erde um viel verminderte; aller Wahrscheinlichkeit nach
war der Hügel, sobald als das Holz Zeit hatte zu wachsen, mit
Gebüsch und Bäumen bedeckt, und die Wurzeln derselben würden
die Erddecke zusammenhalten; doch über diesen Punkt will ich
jeden seine eigenen Schlüsse und Betrachtungen machen lassen.
„Es mag genügen zu sagen: Ein Loch von gehöriger
Tiefe war gegraben, auf dessen Boden ein Stein von passender
Größe lag und dessen obere Seite glatt war; auf jeder Kante
war eine große Menge Zement, und in diesem Zement, an den
vier Kanten dieses Steines waren vier andere senkrecht aufgestellt;
die Bodenkanten dieser ruhten in dem Zement auf den Außen-
kanten des ersten Steines. Die vier zuletzt genannten bildeten
einen Kasten; die Ecken, oder wo die Kanten der vier Steine zu-
sammenstießen, waren auch so fest mit Zement bestrichen, daß die
äußere Feuchtigkeit nicht eindringen konnte. Es ist auch zu
bemerken, daß die inneren Seiten der vier gerade aufgestellten oder
Seitensteine glatt waren. Der Kasten war groß genug, um eine
Brustplatte hineinzutun, so wie sie von den Alten gebraucht wurde,
um die Brust vor den Pistolen und Waffen ihres Feindes zu
schützen. Von dem Boden des Kastens oder von der Brustplatte
erhoben sich drei kleine Säulen, die aus demselben Zement
bestanden, den man bei den Kanten brauchte; und auf diesen drei
Säulen lagen die Urkunden.“ – Dieser Kasten enthielt die Ur-
kunden, die mit einem andern Stein bedeckt waren, dessen Boden
–   71   –

flach und die obere Seite erhaben war. „Als er zuerst von Joseph
Smith, am Morgen des 22. Septembers 1823, besucht wurde,
war ein Teil des Decksteins über der Erde sichtbar, indes die
Kanten mit Erde und Gras bedeckt waren. Aus diesem Umstande
geht hervor, daß sich durch die Zeit und den Regen, wie tief
auch zuerst dieser Kasten gelegen haben mag, ein Teil der Erde
verlor, so daß er, wenn darauf hingewiesen, leicht zu entdecken
war, jedoch nicht genug, um den Vorübergehenden aufmerksam zu
machen. Nachdem Joseph an diesem Verwahrungsorte ange-
kommen war, entfernte er mit geringer Mühe die Erde oben
von den Kanten des Kastens, und nach kurzem Suchen fand er
seinen Inhalt.“
Während er diesen heiligen Schatz mit Erstaunen betrachtete,
stand der Engel Gottes, der ihn zuvor besucht hatte, wieder bei
ihm, und seine Seele wurde wieder erleuchtet wie in der vorigen
Nacht, und er war des Heiligen Geistes voll, die Himmel waren
offen und die Herrlichkeit des Herrn umgab ihn und ruhte auf
ihm. Während er so im Anschauen und Bewundern begriffen
war, sagte der Engel: „Sieh!“ – und alsbald sah er den
Fürsten der Finsternis, umgeben von der zahllosen Schar seiner
Anhänger. Wie diese an ihm vorüberzogen, sagte der himm-
lische Bote:
„Alles dieses ist dir gezeigt worden, das Gute und das Böse,
das Heilige und das Unreine, die Herrlichkeit Gottes und die
Macht der Finsternis, damit du in der Zukunft beide Gewalten
kennest und von Bösen niemals verleitet oder überwunden werdest.
Siehe, alles, was uns anzieht und zum Guten führt und uns an-
leitet, Gutes zu tun, kommt von Gott, und alles, was diesem
entgegenstrebt, kommt von dem Bösen. Dieser ist es, der die
Herzen der Menschen mit Bösem erfüllt, sie verleitet, in Finsternis
zu wandeln und Gott zu lästern, und du wirst von nun an wissen,
daß seine Wege zum Verderben führen, aber der Weg der Heilig-
keit ist Frieden und Ruhe. Du siehst nun, warum du diese Ur-
kunden nicht erhalten konntest, denn Gottes Befehle sind streng,
und wenn jemals diese heiligen Dinge erlangt werden, so muß
es durch Gebet, Treue und Gehorsam gegen den Herrn sein. Sie
sind nicht hier niedergelegt worden, um Gewinn und Reichtum
für diese Welt zu erwerben. Sie sind durch das Gebet des
Glaubens und wegen der Erkenntnis, die in demselben enthalten
sind, versiegelt und haben keinen andern Wert für die Menschen-
–   72   –

kinder, als dieser Erkenntnis wegen. In ihnen ist die Fülle des
Evangeliums Jesu Christi enthalten, wie es dem Volke in diesem
Lande gegeben wurde, und wenn es durch die Macht Gottes ans
Licht gebracht ist, wird es zu den Heiden gelangen, von denen es
viele annehmen werden; dann werden die Abkömmlinge Israels,
durch den Gehorsam zu seinen Geboten, wieder zur Herde des
Heilands zurückgeführt werden. Diejenigen, welche die Gebote des
Herrn in diesem Lande hielten, haben dieses von Gott gewünscht
und durch das Gebet des Glaubens diese Verheißung erhalten,
das, im Falle ihre Nachkommen sündigen und sich von den Wegen
Gottes entfernen, diese Urkunden doch erhalten und in den letzten
Tagen zu ihren Kindern gelangen würden. Diese Sachen sind
heilig und müssen so gehalten werden, denn die Verheißung des
Herrn in betreff derselben muß in Erfüllung gehen. Kein Mensch
kann sie erlangen, dessen Herz unrein ist, weil sie nur das Heilige
enthalten. – Durch sie wird der Herr ein großes und wunder-
bares Werk tun; die Weisheit der Weisen wird zunichte und der
Verstand der Klugen verblendet werden, und weil sich die Macht
Gottes zeigen wird, so werden die, die die Wahrheit zu wissen
behaupten, aber in Betrug einherwandeln, vor Ärger zittern; doch
die Herzen der Treuen werden durch Zeichen, Wunder, Gaben,
durch das Heilen der Kranken, durch die Offenbarungen der Macht
Gottes und durch den Heiligen Geist gestärkt werden. Du hast
jetzt gesehen, wie sich die Macht Gottes und die Macht des
Satans offenbarten; du siehst, daß die Werke der Finsternis nichts
Wünschenswertes enthalten; sie können kein Glück bringen; die-
jenigen, die von diesen überwältigt sind, sind elend; wohingegen
die Gerechten mit einem Platze im Reiche Gottes gesegnet sind,
wo sie unaussprechliche Freude umgibt, dort ruhen sie aus, außer-
halb der Macht des Feindes der Wahrheit, wo kein Übel sie stört;
die Herrlichkeit Gottes krönt sie, sie weiden sich beständig an seiner
Güte und erfreuen sich seiner Gnade. Siehe, dessenungeachtet,
daß du gesehen, wie sich diese Macht entfaltete, durch welche du
immer fähig sein wirst, diese Macht zu erkennen, gebe ich dir noch
ein anderes Zeichen, und wenn es geschieht, dann wisse, daß der
Herr Gott ist, und daß er seine Pläne erfüllen, und daß die Er-
kenntnis, welche in dieser Urkunde enthalten ist, zu allen Nationen,
Geschlechtern, Zungen und Völkern unter dem ganzen Himmel
kommen wird. Das Zeichen ist folgendes: Wann diese Dinge
anfangen bekannt zu werden, das heißt, wann es bekannt wird,
–   73   –

daß dir der Herr diese Dinge gezeigt hat, so werden die Gottlosen
dich zu vernichten suchen; sie werden Lügen in Umlauf bringen,
um deinen Ruf zu untergraben; und werden auch nach deinem
Leben trachten; aber denke immer daran, daß, wenn du treu bist
und künftig die Gebote des Herrn halten wirst, so wirst du er-
halten werden, um diese Dinge bekannt zu machen; denn zu
gehöriger Zeit wird er dir einen Befehl geben, zu kommen und sie
zu nehmen. Wann sie übersetzt sind, wird der Herr einigen das
heilige Priestertum geben, und sie werden anfangen, dieses Evan-
gelium zu verkündigen und mit Wasser zu taufen, und nachher
werden Sie die Macht haben, den Heiligen Geist zu geben durch
das Auflegen ihrer Hände. Dann wird die Verfolgung immer
mehr wüten; denn die Sünden der Menschen werden offenbar
werden, und die, welche nicht auf den Felsen gebaut sind, werden
die Kirche zu vernichten suchen; aber je größer der Widerstand
wird, desto mehr wird sie wachsen und sich immer weiter aus-
dehnen und an Kenntnis zunehmen, bis sie geheiligt sein und
eine Erbschaft empfangen wird, wo die Herrlichkeit Gottes auf
ihr ruhen wird; und wenn dieses geschieht und alle Dinge vor-
bereitet sind, werden die zehn Stämme Israels offenbar gemacht
werden, welche im Norden sich befinden, wo sie lange Zeit ge-
wesen; und nach diesem werden die Worte des Propheten in
Erfüllung gehen: ’Und der Erlöser wird nach Zion kommen,
und zu denen, die sich von den Sünden zu Jakob wenden, sagt
der Herr.‘ Und obgleich die Gottlosen dich zu vernichten trachten
werden, wird doch der Herr seinen Arm ausstrecken und dir den
Sieg verleihen, wenn du alle seine Gebote hältst. Dein Name
wird unter den Völkern bekannt werden, denn das Werk, das
der Herr durch deine Hände ausführen wird, wird die Gerechten
freudig und die Gottlosen wütend machen; von dem einen wird
er in Ehren gehalten und vom andern getadelt werden; doch wird
der diesen ein Schrecken sein wegen des großen und wunderbaren
Werkes, welches dem Erscheinen der Fülle des Evangeliums folgen
wird. Gehe jetzt deines Weges und erinnere dich, was der Herr
für dich getan hat, und halte fleißig seine Gebote, und er wird
dich von den Versuchungen und allen Fallstricken und Verlockungen
der Gottlosen erretten. Vergiß nicht zu beten, und deinen Geist
zu stärken, auf daß, wann er sich dir offenbaren wird, du die
Macht haben mögest, dem Übel zu entgehen und die köstlichsten
Dinge zu erlangen.“
–   74   –

Wir bemerken hier, daß die obige angeführte Stelle ein
Auszug aus einem Briefe des Ältesten Oliver Cowdery ist, welcher
in einer Nummer des „Boten und Verteidiger der Heiligen der
letzten Tage“ veröffentlicht wurde.
Obgleich der Engel den Joseph Smith noch über vieles
andere belehrte, was wir hier nicht anführen, so sind doch in dem
vorhergehenden Berichte die wichtigsten Punkte enthalten. Während
der vier folgenden Jahre wurde er häufig von dem himmlischen
Boten belehrt, und am Morgen des 22. September, im Jahre
1827, übergab der Engel des Herrn die Urkunden in seine Hände.
Auf diesen Tafeln, welche das Ansehen von Goldplatten hatten,
waren die Urkunden eingraviert. Jede Platte war ungefähr sieben
bis acht Zoll lang und breit, etwas dünner als gewöhnliche Blech-
platten. Auf beiden Seiten der Platten waren Gravierungen in
der ägyptischen Hieroglyphen-Schrift; sie waren aneinander ge-
heftet wie die Blätter eines Buches und an einer Seite mit drei
Ringen aneinander befestigt, die durch alle Platten gingen. Diese
Platten hatten im ganzen eine Dicke von sechs Zoll. Ein Teil von
ihnen war versiegelt. Die Charaktere oder Buchstaben auf dem
unversiegelten Teile waren klein und ausgezeichnet schön graviert.
Das ganze Buch trug die Zeichen seines großen Alters, sowohl
in seiner Zusammensetzung als auch in der Gravierung. Bei
diesen Urkunden befand sich ein ganz merkwürdiges Instrument,
das von den Alten „Urim und Thummim“ genannt wurde. Dieses
bestand aus durchsichtigen Steinen, klar wie Kristall, welche in zwei
Rahmen eines kleinen Bogens eingefaßt waren. Dieses wurde in
alten Zeiten von Männern, welche Seher genannt wurden, ge-
braucht; mittels dieses Instruments erhielten sie Offenbarung über
entfernte, vergangene oder zukünftige Dinge.
Mittlerweile begannen die Nachbarn, welche vernommen
hatten, daß Herr Smith himmlische Gesichte gesehen und die
heiligen Urkunden entdeckt hätte, die Sache lächerlich zu machen
und zu verspotten. Und nachdem er diese heiligen Dinge erhalten
hatte, wurde er, als er durch die Wildnis und Felder nach Hause
ging, von zwei Meuchelmördern angefallen, die sich versteckt hatten,
um sich der Urkunden zu bemächtigen. Einer von diesen schlug
ihn mit einem Knüttel, ehe er ihrer ansichtig wurde; da er aber
ein starker Mann und von großer Statur war, vermochte er sich
durch große Anstrengung von ihnen zu befreien und floh, immer
hart verfolgt, bis er der Behausung seines Vaters nahe kam, wo
–   75   –

seine Verfolger, aus Furcht, entdeckt zu werden, umkehrten und
entflohen.
Bald verbreitete sich die Nachricht von seinen Entdeckungen
in jener Gegend. Falsche Gerüchte und Darstellungen und die
niedrigsten Verleumdungen wurden wie auf Flügeln des Windes
nach allen Seiten hingetragen. Das Haus wurde oft vom Pöbel
und übelgesinnten Menschen umlagert. Mehrmals wurde nach
ihm geschossen und er entkam nur mit knapper Not. Jede List
wurde angewandt, um sich der Platten zu bemächtigen, und da
sein Leben beständig von einer Bande nichtswürdiger Menschen
gefährdet war, so beschloß er zuletzt, den Ort zu verlassen und
nach Pennsylvanien überzusiedeln; er packte seine Sachen zusam-
men, verbarg die Platten in ein Faß Bohnen und machte sich auf
die Reise.
Bevor er eine weite Strecke zurückgelegt hatte, wurde er
bald von einem Beamten, der im Besitze eines Untersuchungs-
befehls war und die größten Hoffnungen hegte, die Platten sicher
zu erlangen, eingeholt; dieser war jedoch nach einer genauen
Untersuchung wegen seines Mißerfolges sehr enttäuscht. Joseph
Smith setzte dann seine Reise fort, aber ehe er noch am Ende
derselben anlangte, wurde er nochmals von einem Beamten in
derselben Angelegenheit eingeholt. Nach genauer Untersuchung
ging auch dieser verdrossen seines Weges, denn er hatte, wie der
erste, den gesuchten Gegenstand nicht entdeckt. Ohne weiter beun-
ruhigt zu werden, setzte Joseph seine Reise fort, bis er in den nörd-
lichen Teil von Pennsylvanien in der Nähe des Susquehanna-
flusses kam, wo sein Schwiegervater wohnte.
Nachdem er eine Heimat hatte, fing er an, die Urkunde durch
die Gabe und Macht Gottes und vermittelst des Urim und
Thummim zu übersetzen; da er aber ein schlechter Schreiber war,
war er zu der Einstellung eines Schreibers gezwungen, der die
Übersetzung, wie er sie ihm diktierte, niederschrieb.
Mittlerweile wurden einige von den Original-Charakteren
sorgfältig von Joseph Smith abgeschrieben und übersetzt. Ein
Mann namens Martin Harris ging mit denselben nach New York,
um sie dort einem Gelehrten mit Namen Anthon zu zeigen,
einem Professor, der eine weitumfassende Kenntnis vieler Sprachen,
sowohl alter als auch neuer, zu haben vorgab. Er untersuchte
sie, erklärte sie für echt und deren Übersetzung, soweit er im-
stande sei zu entscheiden, als richtig.
–   76   –

Doch wieder zur Sache, Joseph Smith setzte die Übersetzung
fort, soweit als es seine Vermögensumstände erlaubten, bis er
die Übersetzung des unversiegelten Teiles der Urkunden vollendet
hatte. Der übersetzte Teil heißt: „Das Buch Mormon“, welches
beinahe ebenso viel enthält wie das Alte Testament.
Wohlan, sagt der Gegner, wenn nicht Wunder damit ver-
bunden wären, würde das Buch für eine der größten Entdeckungen
in der Welt gelten. Wenn du beim Pflügen oder beim Graben
eines Brunnens oder Kellers zufällig eine Urkunde, einen Bericht
der alten Geschichte des amerikanischen Kontinents mit seinen
Urbewohnern und den Ursprung der heute lebenden Indianer ent-
haltend, gefunden hättest; und diese Urkunde mit Gott, Engeln
oder göttlicher Inspiration nichts zu tun hätte, so würde es von
allen Gelehrten Amerikas und Europas als eine der größten und
wichtigsten Entdeckungen der neueren Zeit begrüßt worden sein,
weil es ein Geheimnis enthüllte, das bis dahin allen Nachfor-
schungen der gelehrten Welt Trotz geboten hatte. Alle Zeitungen
würden der erfreulichen Nachricht voll gewesen sein, während sein
Inhalt auf die Welt und auf Gegenstände, die vorher in einem
Labyrinth von Ungewißheit und Zweifel waren, ein helles Licht
geworfen haben würde. Doch wer kann sich in dieser aufgeklärten
und durch seine Religion und Gelehrsamkeit berühmten Zeit so
weit herablassen und erniedrigen, etwas von dienenden Engeln
und göttliche Eingebung anzunehmen? Das ist zu viel; fort
mit solchen Sachen, sie berühren die heutige Weisheit und
Popularität.
Darauf erwidere ich: Der Herr wußte das, ehe er es offen-
barte; dies war ein Hauptzweck, den er im Auge hatte; so ver-
fährt er gerade mit den Menschenkindern, er schlägt immer einen
Weg ein, der von dem verschieden ist, den ihm die Weisheit der
Welt vorgeschrieben hat, auf daß die Weisheit der Weisen ver-
nichtet und der Verstand der Klugen verblendet werde; er wählt
Menschen aus dem niedrigen Stande, ja sogar die Einfältigen
und Ungelehrten aus, und diejenigen, die verachtet sind, um seine
Werke zu tun und seine Pläne auszuführen, auf daß sich in seiner
Gegenwart kein Fleisch rühme! O, ihr Weisen und Gelehrten, die
ihr die Weisheit von oben verachtet, wißt ihr nicht, daß es für
die Welt unmöglich war, durch ihre Weisheit Gott zu finden?
Wißt ihr nicht, daß alle eure Weisheit bei Gott Torheit ist? Wißt
ihr nicht, daß ihr wie ein kleines Kind werden und willig sein
–   77   –

müßt, von dem Geringsten seiner Diener Weisheit zu lernen, oder
ihr werdet in eurer Unwissenheit umkommen?
Doch welche Beweise haben wir in der Schrift für das Hervor-
kommen dieses glorreichen Werkes? Wir wollen zuerst versuchen
zu beweisen, daß Amerika das Land ist, welches den Nachkommen
Josephs verheißen wurde! zweitens, daß der Herr sowohl ihnen
als auch den Juden die Wahrheit offenbaren würde; und drittens,
daß ihrer Urkunden zum Vorschein kommen und ihr Zeugnis mit
der Urkunde der Juden vereinigen würde, zur Zeit der Wieder-
herstellung Israels in den letzten Tagen.
Zuerst aus dem 1. Buch Moses, 48. Kapitel, wo Jakob die
beiden Söhne Josephs segnet und sagt: „Mögen sie wachsen und
viel werden auf Erden.“ In demselben Segen heißt es von
Ephraim: „Sein Same wird ein groß Volk werden.“ Stellt
man nun den Sinn dieser Worte zusammen, so wird Ephraim
ein großes Volk auf Erden. Im 49. Kapitel des 1. Buches
Moses ist von Joseph prophezeit, während Jakob ihn segnet:
„Joseph wird wachsen, er wird wachsen wie ein Baum an der
Quelle, daß die Zweige emporsteigen über die Mauer. Und ob-
gleich ihn die Schützen erzürnen und wider ihn kriegen und ihn
verfolgen, so bleibt doch sein Bogen fest.“ Ferner sagt er: „Du
bist gesegnet mit Segen von der Tiefe, die unten liegt; die Segen
deines Vaters gehen stärker denn die Segen meiner Voreltern,
nach Wunsch der Hohen in der Welt; und sollen kommen auf das
Haupt Joseph und auf den Scheitel des Geweihten unter seinen
Brüdern.“ Nun frage ich, wer waren Jakobs Voreltern und
welcher Segen wurde ihm gegeben? Abraham und Isaak waren
seine Voreltern und das Land Kanaan der ihm erteilte Segen,
oder das Land, welches Gott ihnen als Erbteil verhieß. Erinnere,
daß Jakob dem Josef ein viel größeres Land erteilt als Kanaan;
noch ein größeres als seine Voreltern ihm gegeben hatten, denn
Josephs Segen sollte sich bis auf die Tiefe, die unten liegt, er-
strecken. Nun, Leser, sei in Ägypten, wo Jakob damals war, und
messe bis zur Tiefe, die unten liegt, und du wirst irgendwo
in Mittelamerika landen. Ferner sagt einer von den Propheten
von Ephraim: „Und wenn der Herr wird brüllen, so werden die
Kinder Ephraims erzittern im Westen.“
Wenn wir nun diese Worte zusammenfassen, was haben wir
dann: Erstens wird Ephraim ein großes Volk werden; zweitens
sollte Joseph mit einer großen Erbschaft gesegnet werden, die so
–   78   –

entfernt wie Amerika liegt; drittens sollte dies westlich von
Ägypten oder Jerusalem sein. Wenn nun die Welt von einem Pole
bis zum andern sucht, so wird er nirgends ein so großes Volk auf
Erden finden, das möglicherweise von Ephraim abstammen kann,
außer in Amerika; denn alle übrigen Teile der Erde werden von
gemischten Rassen verschiedener Abkunft bewohnt; indes hier ein
beinahe unermeßliches Land von der übrigen Welt abgesondert
und von einer Menschenrasse bewohnt war, die offenbar dieselbe
Abkunft hatte, obgleich sie augenscheinlich in viele Völker geteilt
war. Die Schrift kann nicht verworfen werden; folglich muß sich
diese Schriftstelle auf Amerika beziehen, aus dem einfachsten
Grunde, weil sie sich auf keinen andern Ort beziehen kann.
Zweitens müssen wir beweisen, daß Gott sich den Nachkommen
Josephs oder Ephraims, die, wie wir schon bewiesen haben, in
Amerika sind, offenbarte. Deshalb führen wir das 8. Kapitel,
12. Vers aus Hosea an, der von Ephraim durch den Geist der
Prophezeiung dieses sagt: „Wenn ich ihm gleich viel tausend
Gebote meines Gesetzes schreibe, so wird's geachtet wie eine fremde
Lehre.“ Dies ist ein positiver Beweis und bedarf keiner weitern
Erörterung, daß die großen Wahrheiten des Himmels zu Ephraim
geoffenbart und wie eine fremde Lehre geachtet wurden.
Drittens sollten diese Schriften kurz vor der Versammlung
Israels zum Vorschein kommen? Antwort: Ja, denn im 37. Ka-
pitel Hesekiel heißt es: „Des Herrn Wort geschah zu mir, und
sprach: Du Menschenkind, nimm dir ein Holz und schreib darauf:
des Juda und der Kinder Israel, samt seiner Zugetanen, und
nimm noch ein Holz und schreib darauf: des Joseph, nämlich das
Holz Ephraim, und des ganzen Hauses Israel, samt seiner Zu-
getanen. Und tue eines zum andern zusammen, daß ein Holz
werde in deiner Hand. So nun dein Volk zu dir wird sagen und
sprechen: Willst du uns nicht zeigen, was du damit meinst: So
sprich zu ihnen: So spricht der Herr: Siehe, ich will das Holz
Joseph, welches ist in Ephraims Hand, nehmen, samt seinen Zu-
getanen, den Stämmen Israel; und will sie zu dem Holz Juda
tun, und ein Holz daraus machen, und sollen eines in meiner
Hand sein. Und sollst also die Hölzer, darauf du geschrieben hast,
in deiner Hand halten vor ihren Augen. Und sollst zu ihnen
sagen: So spricht der Herr: Siehe, ich will die Kinder Israel
holen aus den Heiden, dahin sie gezogen sind; und will sie allent-
halben sammeln, und will sie wieder in ihr Land bringen. Und
–   79   –

will ein einig Volk aus ihnen machen im Lande auf dem Gebirge
Israel, und sie sollen allesamt einen einigen König haben; und
sollen nicht mehr in zwei Völker, noch in zwei Königreiche geteilt
werden.“
Es kann nun nichts Deutlicheres geben als die obige Prophe-
zeiung; es sind hier zwei Schriften aufgestellt, die eine für Ephraim,
die andere für Juda; die Ephraims wird der Herr selbst offen-
baren und zu der Judas tun, und sie werden in ihrem Zeugnisse
eins sein und so zusammenwachsen, um die Versammlung Israels
zustande zu bringen. Der 85. Psalm ist darüber sehr klar, indem
er von der Wiederbringung Israels in ihr eigenes Land spricht,
es heißt darin: „Doch die Hilfe des Herrn ist nahe denen, die
ihn fürchten; das in unserem Lande Ehre wohne; daß Güte und
Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen; daß
Treue auf der Erde wachse und Gerechtigkeit vom Himmel schaue;
daß uns auch der Herr Gutes tue; damit unser Land sein Gewächs
gebe; daß Gerechtigkeit fürder für ihn bleibe und im Schwange
gehe.“ Der Heiland sagte, während er für seine Jünger betete:
„Heilige sie in deiner Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit.“ Aus
diesen Stellen ersehen wir, daß sein Wort auf der Erde wachsen
soll, während Gerechtigkeit vom Himmel schaut. Und das nächste,
was folgt, ist dies: „Israel geht im Schwange und genießt die
Früchte seines eigenen Landes.“ Jeremias im 33. Kapitel, 6. Verse,
spricht von der endlichen Erlösung Judas und Israels aus der
Gefangenschaft und sagt: „Siehe, ich will sie heilen und gesund
machen; und will ihnen Friede und Treue in Fülle gewähren.“
Jesaja, der von dem ewigen Bunde spricht, der sie versammeln
würde, bricht in die folgenden außerordentlichen und sehr merk-
würdigen Worte aus: „Und man soll ihren Samen kennen unter
den Heiden und ihren Nachkommen unter den Völkern.“
Nun, lieber Leser, erlaube mir die Frage, kann man ohne
Offenbarungen von Gott sagen, ob die Indianer Amerikas von
Israel sind? Dies war mithin ein Geheimnis, daß zur Zeit ihrer
Versammlung offenbar gemacht werden mußte.
So viel haben wir aus der Schrift angeführt, um zu be-
weisen, daß eine Urkunde, wie das Buch Mormon, in diesen Tagen
erscheinen wird; wir wollen noch gar nicht vom 29. Kapitel
des Jesaias sprechen. Aber, fragt man, welchen Nutzen hat denn
das Buch Mormon, auch wenn es wahr ist? Ich antworte: zu-
erst bringt es eine wichtige Geschichte an das Licht, die den
–   80   –

Menschen vorher unbekannt war. Zweitens enthüllt es die Ab-
stammung der amerikanischen Indianer, was vorher ein Geheim-
nis war. Drittens enthält es wichtige Prophezeiungen, die noch
erfüllt werden sollen und die unmittelbar das jetzige Geschlecht
betreffen. Viertens gibt es manchen Aufschluß über die Lehren,
so daß es alle verstehen und mit eigenen Augen sehen können,
wenn sie sich die Mühe geben, darin zu lesen.
Doch wo sind die Zeugen, die durch ihre Aussage beweisen,
daß das Buch durch göttliche Eingebung übersetzt wurde? Wegen
dieses Zeugnisses verweise ich den Leser auf das Zeugnis der
Zeugen auf der ersten Seite des Buches Mormon; dort wird
er ein ebenso bestimmtes Zeugnis finden, wie man es nur in der
Schrift von einer Wahrheit haben kann, welche Gott jemals
offenbarte. Männer bezeugen dort, nicht nur die Platten gesehen
und mit den Händen angefaßt zu haben, sondern auch, daß ein
Engel Gottes vom Himmel kam und ihnen die Platten zeigte,
indes die Herrlichkeit Gottes sie umgab: daß die Stimme Gottes
vom Himmel ertönte und ihnen sagte, daß diese Dinge wahr und
durch die Gabe und Macht Gottes übersetzt seien und ihnen befahl,
allen Völkern Zeugnis davon zu geben.
Geheiligt sei der Herr, der Gott unserer Väter, er hat sein
Volk besucht, und noch einmal hat der Himmel über unsere in
Finsternis schmachtende Welt das Morgenrot der göttlichen Wahr-
heit aufgehen lassen; denn sobald als das Buch übersetzt war und
die Menschen anfingen, davon Zeugnis zu geben, kam der Engel
des Herrn wieder vom Himmel herab und gab ihnen den Auf-
trag, das Evangelium zu predigen aller Kreatur, und mit Wasser
zu taufen zur Vergebung der Sünden. Sobald als das Volk
anfing, ihr Zeugnis zu glauben und sich taufen zu lassen, fiel der
Heilige Geist auf sie, durch das Auflegen der Hände im Namen
Jesu, und die Himmel öffneten sich, während einige die Be-
dienungen der Engel empfingen, andere in neuen Zungen sprachen
und prophezeiten; von dieser Zeit an wurden viele durch das Auf-
legen der Hände geheilt, und so wurde das Wort Gottes mächtig
und stark; und so sind Tausende aufgetreten, um zu bezeugen, daß
sie nicht das Zeugnis eines Menschen brauchen, sondern selbst
wissen, daß diese Dinge wahr sind, denn diese Zeichen folgen
denen, die da glauben; und wenn jemand der Wahrheit glaubt,
durch das Zeugnis der Zeugen Gottes, dann werden diese Zeichen
nicht nur denen, sondern auch ihm folgen; wenn ihm Engel dienen,
–   81   –

wenn er gesund gemacht worden ist oder andere gesund gemacht
hat, durch das Auflegen der Hände in Namen Jesu, oder wenn er
in andern Zungen redet oder weissagt, so weiß er es selbst, und
so sind die Worte der Schrift erfüllt: „So jemand will des Willen
tun, der wird inne werden, ob diese Lehre von Gott sei oder ob ich
von mir selbst rede.“ So entsteht der Glaube durch das Wort,
Erkenntnis durch Gehorsam; doch kann man nur hören, wenn ge-
predigt wird, und nur predigen, wenn man gesandt ist; wie es ge-
schrieben steht: „Wie sollen sie aber predigen, wo sie nicht gesandt
werden?“ Doch gibt es viele, die da sagen: zeige uns ein Zeichen,
und wir werden glauben. Vergiß nicht, daß der Glaube nicht
durch Zeichen kommt, sondern Zeichen geschehen durch den Glauben.
Gaben wurden nicht verliehen, um den Menschen Glauben zu
geben; sondern es sagt die Schrift: „Gaben sind da zur Er-
bauung der Kirche.“ Wenn dies nicht der Fall ist, warum steht
da nicht geschrieben: „Glauben kommt durch Wunder“; anstatt
„Der Glaube entsteht durch das Wort“. Ich halte es immer für
ausgemacht: daß ein Mann oder eine Frau, die ein Zeichen ver-
langt, um zu glauben, zu einer bösen und ehebrecherischen Gene-
ration, wenn nicht zu einer schlimmeren gehört; denn allen, die zu
Jesum gehen mit reinem Herzen und im Glauben hoffen und
beten, in betreff dieser Dinge die Wahrheit zu wissen, wird der
Herr es ihnen offenbaren, und sie werden es wissen und Zeugnis
geben; denn durch den Geist Gottes werden sie die Wahrheit vom
Irrtum unterscheiden können; wie geschrieben es steht: „Meine
Schafe hören meine Stimme.“
Und wer nicht zu Jesum im Glauben kommen will, wird
niemals die Wahrheit kennen, bis es zu spät, die Ernte und der
Sommer vorbei und seine Seele nicht gerettet ist.
So hat die Religion Jesu, ganz verschieden von den andern
Religionssystemen, ihren eigenen Eindruck, bringt Gewißheit
und Erkenntnis und läßt keinen Raum für den Betrug. Und
nun sage ich ferner zu allem Volke: Kommt zum Vater im Namen
Jesu; zweifelt nicht, sondern glaubet, wie vor Zeiten, und bittet
im Glauben um alles, dessen ihr bedürft; bittet nicht, um euren
Lüsten zu fröhnen, sondern bittet mit unerschütterlicher Festigkeit,
allen Versuchungen zu widerstehen und alle seine Gebote zu halten,
so schnell als er sie euch offenbart; und wenn ihr dieses tut
und er euch offenbart, daß er uns mit einem neuen und ewigen
Bunde gesandt hat, und uns befahl zu predigen und zu taufen,
–   82   –

und seine Kirche wie vor Zeiten aufzubauen, dann tretet hervor
und gehorchet der Wahrheit; doch wenn ihr nicht wißt oder
unzufrieden seid, daß er uns gesandt hat, dann nehmet die Lehre,
die wir predigen, nicht an. So sollt ihr für euren eigenen Herrn
stehen oder fallen; und eines Tages werdet ihr wissen, ja, an
jenem großen Tage, wenn jedes Knie sich beugen wird, dann
sollt ihr wissen, daß Gott uns mit der Wahrheit gesandt hat,
um seinen Weinberg zum letzten Male zu beschneiden.
Wir werden jetzt aus den amerikanischen Altertümern und
aus den Überlieferungen der Eingeborenen viele ausführliche
Beweise anführen:
Zuerst sagt Herr Boudinot: „Unter ihren Häuptlingen oder
geliebten Männern geht die Sage, daß ihnen von ihren Vor-
fahren überliefert wurde, daß das Buch, welches die Weißen haben,
einst das ihrige war; daß, solange sie es hatten, es ihnen außer-
ordentlich gut ging usw. Sie sagten auch, daß ihre Väter einen
außerordentlichen göttlichen Geist besaßen, mit dessen Hilfe sie
künftige Dinge vorhersagten und den gewöhnlichen Lauf der Natur
beherrschen; und dieses überlieferten sie an ihre Nachkommen unter
der Bedingung, daß sie den heiligen Gesetzen gehorchen würden;
daß sie dadurch ungemein viele Segnungen auf ihr geliebtes Volk
brachten; daß jedoch diese Macht schon seit langer Zeit aufgehört
hätte.“ Oberst James Smith sagt in seinem Tagebuche während
seiner Gefangenschaft unter den Eingeborenen: „Sie haben eine
Überlieferung, wonach beim Beginn der Besiedlung dieses Fest-
landes die Engel oder himmlischen Bewohner, wie sie sie nennen,
das Volk häufig besuchten und mit ihren Vorfahren sprachen und
Belehrung gaben, wie sie beten sollten.“
Herr Boudinot bemerkt in seinem vortrefflichen Werke über
ihre Sprache: „Ihre Sprache, besonders in ihren Wurzeln, Mund-
arten und deren Satzverbindung, scheint ganz das Gepräge des
hebräischen Geistes an sich zu tragen, und was uns noch merk-
würdiger und beachtenswerter dünkt, daß sie den größten Teil der
Eigentümlichkeiten dieser Sprache, und zwar insbesondre die sie
von allen übrigen Sprachen unterscheidenden Kennzeichen wirklich
besitzt.“
Es gibt eine Überlieferung, die von einem alten Indianer
von dem Stamme der Stockbridge herrührt, daß ihre Väter einst
im Besitz „eines heiligen Buches“ waren, das von Geschlecht
zu Geschlecht überliefert und zuletzt in der Erde verborgen wurde,
–   83   –

seit welcher Zeit sie unter den Füßen ihrer Feinde gewesen
seien. Doch würden ihnen diese Orakel wiedergegeben werden;
und dann würden sie über ihre Feinde triumphieren und ihre
Rechte und Privilegien wieder erlangen. Nachdem Herr Boudinot
viele Überlieferungen, ähnlich der obigen, angeführt hat, macht er
zuletzt diese Bemerkung: „Kann man diese kurze Erzählung
indianischer Überlieferungen lesen, die von den Stämmen ver-
schiedener, über Ost und West, Süd und Nord zerstreut und gänz-
lich voneinander getrennt lebender Völker herrühren und die von
verschiedenen, sehr achtbaren Gelehrten, die alle Mittel, sich über
diese Sache aufzuklären, in der Hand hatten, in verschiedenen Zeit-
perioden verfaßt sind, ohne daß denselben eine Gelegenheit zum
gegenseitigen Umgange geboten war – kann man, frage ich, einen
solchen Bericht lesen und annehmen, daß alles dies nur Spiel und
Werk des Zufalls oder ein im voraus berechneter und durch die
Liebe zum Wunderbaren veranlaßter Betrug sei, dessen Entdeckung
doch den wohlbegründeten Ruf der Berichterstatter wenn nicht zer-
stören, doch gefährden müßte? Wenn man diese Überlieferungen
und Völker genau betrachtet und sie mit der Lage und den Um-
ständen der längst verlorenen zehn Stämme Israels vergleicht, so
wird man gewiß zur Annahme kommen, daß diese wandernden
Eingeborenen von den zehn Stämmen Israels herrühren.
Joseph Merrick, ein höchst achtbarer Einwohner von Pittsfield
in Massachusetts, gab folgenden Bericht: „Im Jahre 1815 hatte
ich mich angeschickt, die Erde unter und neben einem alten Block-
hause in der Gegend eines Hügels, Indian Hill genannt, auf-
zugraben. Ich pflügte und räumte alte Späne und Erde bis zu
einer ziemlichen Tiefe hinweg. Nach dieser Arbeit ging ich dar-
über und fand nahe an der Stelle, wo die Erde am tiefsten auf-
gegraben worden war, etwas, das den Anschein eines Stückes
Leder hatte, schwarz, sechs Zoll lang, anderthalb Zoll breit, etwa
wie ein Pferdestrang. Ich bemerkte, daß an jedem Ende ein Öhr
war, das aus einer harten Masse bestand, wahrscheinlich um ihn
so leichter zu tragen. Ich trug ihn nach Hause und legte ihn in
ein Kasten, in dem sich alte Gerätschaften befanden. Später fand
ich, daß er vor das Haus geworfen worden war, und legte ihn
wieder in den Kasten.“
Als er nach einiger Zeit den Fund untersuchen und durch-
schneiden wollte, so fand er ihn so hart wie Bein; jedoch gelang
es ihm, den Gegenstand zu öffnen, und er entdeckte, daß dieser
–   84   –

aus zwei sehr dicken Riemenstücken verfertigt und mittels Sehnen
eines Tieres wie mit Gummi verschlossen und undurchdringlich
war. Inwendig befanden sich vier Stücke zusammengefalteten
Pergaments. Diese waren von dunkelbrauner Farbe und mit einer
Art Schrift überlegt. Seine Nachbarn, die ihn besuchten, um
die Pergamente zu sehen, zerrissen eines davon in kleine Stücke.
Merrick hob die drei übriggebliebenen Stücke auf und schickte sie
nach Cambridge, wo man darüber Nachforschungen anstellte. Man
entdeckte, daß die Schriftzüge deutlich und leserlich hebräische
waren. Es waren angeführte Stellen aus dem Alten Testamente,
5. Buch Mose 6:4–9; 11:14–21; 2. Buch Mose 13:11–16,
worauf wir den Leser verweisen, wenn er diese äußerst interessante
Entdeckung lesen will.
An den Ufern des Weißen Flusses, im Staate Arkansas, sind
Ruinen gefunden worden, die ohne Zweifel von einem äußerst
kultivierten Volke herrühren, worauf ihre große Ausdehnung und
ihr Baumaterial hindeuten. Eines von diesen Werken ist ein
Erdwall, der eine Fläche von 640 Acres oder ungefähr 2,6 qkm
einschließt, und in dessen Mitte sich der Grund zu einem großen
kreisförmigen Gebäude oder Tempel befindet. Ein anderes, noch
merkwürdigeres und bedeutenderes Werk ist der Grund zu einer
großen Stadt, deren Straßen, die einander in rechten Winkeln
schneiden, man leicht durch den Urwald hinweg verfolgen kann.
Außerdem findet man noch den Grund zu Häusern aus gebrannten
Ziegeln, wie die heutigen, welcher bis zur Ausdehnung von
1600 Metern verfolgt wurde.
Obiges ist aus „Priest: Amerikanische Altertümer“ entnommen,
und demselben Werke, Seite 246, entnehmen wir das Folgende:
Ruinen der Stadt Otolum, die in Nordamerika entdeckt
worden sind. – In einem Briefe des C. S. Rafinesque, den wir
vorher angeführt haben, an einen Korrespondenten in Europa,
finden wir die folgende Stelle: . . . Vor einigen Jahren setzte die
Geographische Gesellschaft zu Paris eine große Prämie aus für
eine neue Vermessung der Altertümer von Jucatan und Chiapa,
vorzüglich derer, die 24 km von Palanque entfernt liegen. „Ich
habe“, sagt der Schriftsteller, „ihnen den wahren Namen Otolum
wiedergegeben, welches auch noch der Name des Flusses ist, der
durch die Ruine fließt. Sie wurden von Kapitän Del Rio im
Jahre 1787 besichtigt, wovon ein Bericht im Englischen 1822 er-
schien. Dieser Bericht beschreibt teilweise die Ruinen einer aus
–   85   –

Stein gebauten Stadt, die 120 km im Umfang hat, 51 km lang
und 19 km breit ist, voller Paläste, Denkmäler, Bildsäulen und In-
schriften; sie war einer der frühesten Sitze amerikanischer Zivilisa-
tion und kam ungefähr dem Theben des alten Ägyptens gleich. In
dem Family Magazine, Nummer 34, Seite 266 des Jahres 1833
heißt es: Die Ruinen einer alten Stadt, die in Guatemala auf-
gefunden worden sind, haben kürzlich die Aufmerksamkeit des
Publikums in hohem Grade auf sich gezogen. Wie es scheint
werden jetzt diese Ruinen untersucht, und man erwartet für die
Wissenschaften, besonders für die Geschichte, viele seltene und schätz-
bare Beiträge. Wir halten die Gegenwart für den günstigsten
Zeitpunkt, da jetzt die Aufmerksamkeit des Publikums dem Gegen-
stande zugewandt ist, um seinen Inhalt unsern Lesern als eine
Einleitung zu künftigen Entdeckungen vorzuführen, während jetzt
die Nachforschungen ihren Fortgang nehmen.
Kapitän Del Rio, der die Ruinen, wie oben erwähnt, 1787
teilweise untersuchte, erzählt folgende Einzelheiten: „Wenn man
von Palanque, der letzten Stadt im Norden der Provinz Ciudad
Real de Chiapa,
in südwestlicher Richtung geht und einen kleinen
Bergrücken hinansteigt, der den Staat Guatemala von Jucatan
in einer Entfernung von 10 km trennt, so kommt man an den
kleinen Fluß Micol, der in westlicher Richtung fließt und sich mit
dem großen Flusse Tulijah vereinigt, der seinen Lauf nach der
Provinz Tobasco nimmt. Wenn man jenseits des Micol ist, geht
es bergan, und 2½ km weiter kommt der Reisende über einen
kleinen Strom, der Otolum heißt; von diesem Punkte aus sieht
man Trümmerhaufen, welche die Straße noch 2½ km weit sehr
schlecht machen, alsdann erreicht man die Höhe, auf der die
steinernen Häuser stehen, deren sich noch 14 an der Zahl an einem
Platz befinden, die mehr oder weniger zerstört sind, in denen man
aber noch viele ihrer Gemächer vollkommen erkennen kann. Sie
stehen auf einer rechtwinkeligen Fläche, die 280 m breit und 420 m
lang ist und deren ganzer Umfang 280 Ruten oder etwas mehr
als 1200 m beträgt. Diese Fläche ist eine Ebene, die auf der
Basis des höchsten Berges einen Rücken bildet. Mitten auf dieser
Ebene befindet sich das größte dieser Gebäude, die man bis jetzt
unter diesen Ruinen aufgefunden hat. Es steht auf einem 18 m
hohen Hügel oder Pyramide, deren senkrechte Höhe mithin 60 Fuß
oder beinahe 4 Ruten beträgt, was dem Gebäude ein erhabenes,
schönes, majestätisches Ansehen gibt, als wenn es ein in den
–   86   –

Wolken schwebender Tempel wäre. Es ist von andern Gebäuden
umgeben, nämlich: von fünf nach Norden, vieren nach Süden,
einem nach Südwesten und dreien nach Osten – im ganzen von
dreizehn. Nach allen Richtungen ziehen sich die Ruinen andrer
verfallener Gebäude längs des Berges hin, der sich westlich und
östlich von diesen Häusern weiter erstreckt, als wenn es der große
Tempel Gottes oder ihr Regierungsgebäude wäre, um welches
sie ihre Stadt bauten und worin ihre Könige und Staatsbeamten
wohnten. Auf dieser Stelle wurde eine sehr feste und dauerhafte
unterirdische, steinerne Wasserleitung gefunden, die unter dem
größten Gebäude hindurch geht.
Wohlgemerkt, diese Stadt Otolum, deren Ruinen so ungeheuer
groß sind, ist in Nord- und nicht in Südamerika, unter derselben
Breite wie die Insel Jamaica, die ungefähr 18 Grad nördlich vom
Äquator liegt und das höchste Land zwischen dem nördlichen Ende
des Caraibischen und des Stillen Meeres ist, wo der Kontinent
gegen die Landenge von Darien hin schmäler wird und ungefähr
1280 km von New Orleans entfernt ist.
Die Entdeckung dieser und auch noch vieler andrer ebenso
wunderbarer Ruinen in demselben Lande fangen gerade an, die
Aufmerksamkeit der gelehrten Welt Europas auf sich zu ziehen,
die bisher Amerika nicht einräumen wollte, daß es auf seine
Altertümer stolz sein könnte. Doch, da jetzt die unermeßlichen
Ruinen unter der Leitung sachkundiger Gelehrten untersucht wer-
den, so ist ohne Zweifel deren ausführliche Geschichte zu gehöriger
Zeit zu erwarten, von der schon, wie wir gehört haben, zwei Bände
im Manuskript geschrieben sind und die von den Amerikanern nur
mit dem größten Enthusiasmus aufgenommen werden können.
Ein Herr, der im Jahre 1826 in der Nähe der Stadt Cin-
cinnati auf deren höhergelegenem Teile wohnte, wollte zu seiner
Bequemlichkeit einen Brunnen anlegen und grub bis zu einer
Tiefe von 28 m, ohne Wasser zu finden; als jedoch die Arbeit
wieder fortgesetzt wurde, stießen seine Arbeiter auf etwas, so daß
sie nicht tiefer graben konnten, obgleich es offenbar kein Stein
war. Als sie von allen Seiten die Erde wegmachten, fand es sich,
daß es ein Baumstumpf war, der 92 cm im Durchmesser und
eine Höhe von 62 cm hatte und der mit einer Axt niedergehauen
worden war. Die Schläge der Axt konnte man noch sehen.
Äußerlich sah er beinahe wie eine Kohle aus, konnte jedoch
nicht wie jene Substanz zerrieben werden. Zehn Fuß tiefer spru-
–   87   –

delte das Wasser auf und die Quelle hat jetzt einen beständigen
Vorrat und ist sehr berühmt. In Morses allgemeiner Geographie,
im ersten Bande, Seite 142, wird die Entdeckung des Baum-
stumpfes bestätigt: Beim Graben eines Brunnens in Cincinnati
wurde 29 m unter der Erde ein Baumstumpf gefunden, der noch
ganz gut erhalten war; und beim Graben eines andern Brunnens
wurde auf derselben Stelle 30 m unter der Erde noch ein Stumpf
gefunden, der unverkennbare Spuren von Axtschlägen an sich
trug. Auf diesem erschienen die Zeichen eines scheinbaren, von
Rost zerfressenen Handwerkzeuges.
Wir könnten ein Buch füllen mit Berichten über amerika-
nische Altertümer, die alle beweisen, daß dieses Land von einem
Volke bewohnt war, das Künste und Wissenschaften verstand,
Städte anlegte, den Boden bebaute und eine Schriftsprache hatte.
Doch das hier Angeführte genügt völlig unserm Zwecke. Wenn
einige auf Pergament geschriebene hebräische Buchstaben in
Amerika in der Erde gefunden worden sind, so kann man wohl
ebenso zugeben, daß ein ganzes Buch in Amerika entdeckt wurde,
das in ägyptischen Buchstaben auf Platten eingraviert war. Die
erstaunliche Tatsache, daß Baumstämme 25 oder 30 m tief unter
der Erde zu Cincinnati gefunden und ähnliche Entdeckungen an
vielen andern Orten Nord- und Südamerikas gemacht worden
sind, so wie man z. B. vergrabene Städte und andre Altertümer
entdeckt hat, alles beweist, daß eine großartige Erschütterung und
Umwälzung nicht nur der Völker, sondern auch der Natur statt-
gefunden hat, und zwar ein Erschütterung, die wir nirgends so
gründlich erklärt finden wie in dem folgenden außerordentlichen
und erstaunlichen Berichte von Ereignissen, die sich in diesem Lande
während der Kreuzigung des Messias zutrugen und die wir dem
Buche Mormon (III. Nephi, 8.–10. Kap.) entnehmen:
„Es begab sich im vierunddreißigsten Jahre, im ersten Monat,
am vierten Tage des Monats, daß ein großer Sturm sich erhob,
so wie nie einer im ganzen Lande stattgefunden hatte; es erhob
sich auch ein großer, schrecklicher Sturmwind und der Donner war
fürchterlich, so daß die ganze Erde erschüttert wurde, als ob sie von-
einanderspalten würde; und das Leuchten der Blitze war überaus
stark, so wie man nie zuvor im Lande erlebt hatte. Und die Stadt
Zarahemla geriet in Brand und die Stadt Moroni versank in
die Tiefen des Meeres, und ihre Einwohner ertranken, und
die Erde erhob sich über die Stadt Moronihah, daß an der Stelle
–   88   –

der Stadt ein großer Berg aufgeworfen wurde, und im südlichen
Lande fand eine große und schreckliche Verwüstung statt. Aber
im nördlichen Lande war die Verwüstung noch weit größer und
schrecklicher; denn die ganze Oberfläche des Landes war verändert
durch Sturm, Wirbelwinde, Donner und Blitz und schreckliche
Erdbeben auf dem ganzen Lande; die Landstraßen wurden zerstört,
und die ebenen Wege wurden aufgerissen, und viele glatte Plätze
wurden rauh, viele große und bemerkenswerte Städte versanken,
viele gingen in Feuer auf und viele wurden erschüttert, daß Ge-
bäude zusammenfielen, und die Einwohner wurden erschlagen, und
die Örter blieben öde und verlassen. Einige Städte blieben; allein
die Zerstörungen in denselben waren ungemein groß, und viele
ihrer Einwohner wurden getötet; einige wurden vom Wirbelwinde
hinweggeführt, und niemand weiß, wohin, man weiß nur, daß sie
hinweggeführt wurden, und so nahm die ganze Oberfläche der
Erde eine andre Gestalt an durch die Sturmwinde, Donner,
Blitze und Erdbeben. Und die Felsen spalteten sich, sie wurden
in dem ganzen Lande voneinandergerissen, so daß sie in abge-
brochenen Stücken und Massen im ganzen Lande zerstreut waren.
Und als Donner, Blitz, Sturm, Gewitter und Erdbeben
aufhörten – denn siehe, dies währte ungefähr drei Stunden lang;
und einige wollen behaupten, es habe länger gewährt; dennoch
geschahen alle diese großen und schrecklichen Dinge innerhalb dreier
Stunden –, dann lag Finsternis auf dem Lande.
Und es begab sich, daß eine dicke Finsternis über die ganze
Oberfläche des Landes verbreitet war, so daß die Einwohner,
welche nicht gefallen waren, den Dunst der Finsternis fühlen
konnten; und man konnte kein Licht haben wegen der Finsternis,
weder Lampen noch Fackeln, und es war auch unmöglich, ein
Feuer mit ihrem kleinen und überaus trockenen Holze anzuzünden,
so daß gar kein Licht zu haben war; und man sah weder Licht
noch Feuer, noch Funken, weder Sonne, Mond noch Sterne, so
groß waren die Nebel der Finsternis, welche auf dem Lande lagen.
Diese Finsternis währte drei Tage lang, so daß man kein
Licht sehen konnte; da war fortwährend großes Trauern und
Wehklagen und Weinen unter dem ganzen Volke; wegen der
Finsternis und des großen Verderbens, das über dasselbe ge-
kommen war. An einem Orte hörte man sie seufzen und sagen:
’O, hätten wir uns doch vor diesem großen und schrecklichen Tage
bekehrt, dann würden unsre Brüder verschont geblieben und nicht
–   89   –

in der großen Stadt Zarahemla verbrannt sein.‘ An einem
andern Orte hörte man sie rufen, wehklagen und sagen: ’O,
hätten wir uns doch vor diesem großen und schrecklichen Tage
bekehrt und nicht die Propheten getötet, gesteinigt und hinaus-
geworfen, dann würden unsre Mütter und unsre schönen Töchter
und unsre Kinder verschont und nicht in jener großen Stadt
Moronihah begraben worden sein‘; so war das Geschrei und
Wehklagen des Volkes groß und schrecklich. Und es geschah, daß
eine Stimme unter allen Einwohnern dieses Landes sich hören
ließ, die rief: ’Wehe, Wehe, Wehe diesem Volke; Wehe den
Einwohnern der ganzen Erde, wenn sie sich nicht bekehren, denn
der Teufel lacht und seine Engel freuen sich über die Erschlagenen
der schönen Söhne und Töchter meines Volkes, und es ist ihrer
Sünden und Greuel wegen, daß sie gefallen sind. Seht, diese
große Stadt Zarahemla und deren Einwohner habe ich durch
Feuer vernichtet. Und die große Stadt Moroni habe ich in die
Tiefen des Meeres versenkt, und die Einwohner sind ertrunken.
Und seht, die große Stadt Moronihah habe ich mit Erde bedeckt
und ihrer Einwohner auch, um ihre Sünden und Greuel vor
meinem Angesicht zu verbergen, damit das Blut der Propheten
und der Heiligen nicht mehr wider sie zum Himmel schreie. Und
die Stadt Gilgal habe ich versenkt und ihre Einwohner in die
Tiefen der Erde begraben; ja auch die Stadt Onihah und ihre
Einwohner, und die Stadt Mokum mit ihren Einwohnern, und
die Stadt Jerusalem und ihre Einwohner, und ich habe die Ge-
wässer an ihre Stelle kommen lassen, um ihre Bosheiten und
Greuel vor meinem Angesicht zu verbergen, damit das Blut der
Propheten und der Heiligen nicht mehr wider sie zu mir empor-
steige. Und die Stadt Gadiandi und die Stadt Gadiomnah und
die Stadt Jakob und die Stadt Gimgimno, alle diese habe ich
versinken lassen und Hügel und Täler an ihre Stelle gesetzt, und
ihre Einwohner habe ich in die Tiefen der Erde begraben, um
ihre Bosheiten und Greuel vor meinem Angesichte zu verbergen,
damit das Blut der Propheten und der Heiligen nicht mehr
wider   sie   zu   mir   emporsteige.   Und   seht,   jene   große   Stadt
Jakobugath, die von den Untertanen des Königs Jakob bewohnt
war, habe ich durch Feuer verbrennen lassen wegen ihrer Sünden
und Gottlosigkeiten, welche alle Greuel der ganzen Erde übertrafen,
wegen ihrer geheimen Mordtaten und Verschwörungen; denn es
waren diese, welche den Frieden meines Volkes und die Regierung
–   90   –

des Landes untergruben; deshalb ließ ich sie verbrennen, um sie
vor meinem Angesicht zu vernichten, damit das Blut der Propheten
und der Heiligen nicht mehr wider sie zu mir emporsteige. Und
die Stadt Laman, die Stadt Josch und die Stadt Gad und die
Stadt Kischkumen und ihre Einwohner habe ich mit Feuer
verbrennen lassen wegen ihrer Bosheit, weil sie die Propheten
hinausgestoßen und diejenigen gesteinigt haben, welche ich gesandt
habe, um sie wegen ihrer Bosheiten und Greuel zu ermahnen;
und weil sie alle ausgestoßen haben, so daß keine Rechtschaffene
mehr unter ihnen waren, habe ich Feuer hinabgeschickt und sie
vernichtet, damit ihrer Bosheiten und Greuel vor meinem Angesicht
verborgen wären, auf daß das Blut der Propheten und der Hei-
ligen, die ich unter sie gesandt habe, nicht zu mir von der Erde
heraufschalle wider sie; und viele große Verheerungen habe ich über
das Land und dieses Volk ergehen lassen wegen ihrer Bosheiten
und Greuel.
O, ihr alle, die ich euch verschont habe, weil ihr rechtschaffener
als sie gewesen seid, wollt ihr nicht zu mir zurückkehren und eure
Sünden bereuen und euch bekehren, damit ich euch heilen kann?
Ja, wahrlich, ich sage zu euch, wenn ihr zu mir kommen wollt,
dann sollt ihr ewiges Leben haben. Seht, mein Arm der Barm-
herzigkeit ist gegen euch ausgestreckt, und wer da kommen will,
den will ich aufnehmen, und gesegnet sind diejenigen, welche zu
mir kommen. Sehet, ich bin Jesus Christus, der Sohn Gottes,
ich erschuf den Himmel und die Erde und alle Dinge, die darin
enthalten sind. Ich war bei dem Vater von Anfang an. Ich
bin im Vater, und der Vater ist in mir; und in mir hat der
Vater seinen Namen verherrlicht. Ich kam zu den Meinigen, und
die Meinigen nahmen mich nicht auf. Und die Schriften in betreff
meiner Zukunft sind erfüllt. Und alle, die mich aufnahmen, denen
habe ich es gegeben, Kinder Gottes zu werden; und so werde ich
mit allen tun, die an meinen Namen glauben, denn seht, durch
mich kommt die Erlösung, und in mir ist das Gesetz Moses er-
füllt. Ich bin das Licht und das Leben der Welt. Ich bin Alpha
und Omega, der Anfang und das Ende. Und ihr sollt mir nicht
mehr vergossenes Blut opfern; eurer Opfer und eure Brandopfer
sollen abgeschafft werden; denn ich will nicht mehr eure Opfer
und Brandopfer annehmen, und ihr sollt mir als Opfer ein zer-
knirschtes Herz und ein reuiges Gemüt darbieten. Und jeder,
der mit zerknirschtem Herzen und reuigem Gemüt zu mir kommt,
–   91   –

den will ich mit Feuer und dem Heiligen Geist taufen, ebenso
wie die Lamaniten wegen ihres Glaubens an mich zur Zeit ihrer
Bekehrung mit Feuer und mit dem Heiligen Geist getauft
wurden und es nicht wußten. Seht, ich bin in die Welt gekom-
men, um der Welt Erlösung zu bringen, um die Welt von
Sünden zur erretten; daher, wer sich bekehrt und wie ein kleines
Kind zu mir kommt, den will ich aufnehmen, denn solcher ist
das Reich Gottes. Seht, für solche habe ich mein Leben nieder-
gelegt und wieder aufgenommen; darum bekehret euch und kommt
zu mir, ihr Enden der Erde, und werdet selig.‘
Nun begab es sich, daß alle Einwohner des Landes diese
Reden hörten und Zeugen davon waren. Nachdem diese Worte
gehört waren, herrschte eine große Stille im Lande, viele Stunden
lang; denn das Erstaunen des Volkes war so groß, daß sie auf-
hörten wegen des Verlustes ihrer erschlagenen Verwandten und
Freunde zu klagen; deshalb herrschte eine Stille im ganzen Lande,
mehrere Stunden lang.
Und wiederum kam eine Stimme zum Volke, die von allen
gehört wurde und von der sie zeugten, und die Stimme begann
folgendermaßen: ’O, ihr Völker dieser großen Städte, die gefallen
sind, die ihr Abkömmlinge Jakobs seid, ihr, die ihr zum Hause
Israel gehört, wie oft habe ich euch versammelt und genährt,
wie eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel sammelt. Und
noch einmal, wie oft würde ich euch versammelt haben, wie eine
Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel sammelt; ja, ihr vom
Hause Israel, welches zu Jerusalem wohnt, sowohl als die, welche
gefallen sind; ja, wie oft würde ich euch versammelt haben, wie
eine Henne ihre Küchlein sammelt, und ihr wolltet nicht. O, du
Haus von Israel, welches ich verschont habe, wie oft werde ich
dich sammeln, wie eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel
sammelt, wenn du dich bekehren und von ganzem Herzen zu mir
zurückkehren willst. Aber wenn du nicht willst, o Haus Israel,
dann sollen deine Wohnplätze öde werden, bis die Zeit der Er-
füllung des Bündnisses mit deinen Vätern gekommen ist.‘
Nachdem das Volk diese Worte gehört hatte, fing es wieder
an, über den Verlust seiner Verwandten und Freunde zu weinen
und zu heulen. Und auf diese Weise vergingen die drei Tage.
Und es war Morgen, und die Finsternis verzog sich aus dem
Lande, und die Erde hörte auf zu zittern, und die Felsen spalteten
sich nicht mehr, und das schreckliche Stöhnen nahm ein Ende,
–   92   –

und alles verwirrte Lärmen verging, und die Erde hielt wieder
zusammen, daß sie fest stand, und das Trauern und Weinen und
Wehklagen des Volkes, welches vom Tode verschont war, hörte
auf, und seine Trauer verwandelte sich in Freude und sein Weh-
klagen in Lob- und Dankgesänge zu dem Herrn Jesum Christum,
seinem Erlöser. Nun waren die Schriften, welche von den Pro-
pheten geredet worden, soweit erfüllt.“
Hier ist nun ein Bericht, der klar und bestimmt angibt, wie
und wann die amerikanischen Altertümer begraben wurden; wie
die Baumstämme 25 bis 30 m unter die Erde kamen; wie ganze
Städte versanken und verschüttet wurden; wie Berge verschwanden
und Täler entstanden; wie die Felsen sich spalteten und wie die
ganze Oberfläche des Festlandes eine Veränderung und Umge-
staltung erlitt. Wir schließen, indem wir zu allen Völkern sagen:
Wenn ihr über die Altertümer Amerikas, über
geschichtliche Punkte, Weissagen oder Lehren von
der höchsten Wichtigkeit Belehrung haben wollt,
so leset sorgfältig das Buch Mormon
.
____________

Kapitel 5.
Die Auferstehung der Heiligen und die Wiederherstellung aller
Dinge, von denen die Propheten gesprochen haben.
Dies ist einer der wichtigsten Gegenstände, worüber der
menschliche Geist Betrachtungen anstellen kann, der jedoch vielleicht
gegenwärtig so wenig verstanden wird, wie irgendeine andre der
verschleierten Prophezeiungen. Doch, wie vernachlässigt er auch
jetzt sein mag, einst war er das Fundament des Glaubens, der
Hoffnung und Freude der Heiligen. Alle ihre Bewegungen
wurden von einer richtigen Kenntnis dieses Gegenstandes und
von einem starken Glauben daran beeinflußt. Ihrem Geiste
einmal eingeprägt, konnten sie nicht von ihren Plänen abwendig
gemacht werden; ihr Glaube war fest, ihre Freude war beständig
und ihre Hoffnung wie ein Anker für die Seele, sicher und fest,
der bis hinter den Schleier der Zukunft ging. Dadurch konnten
sie mitten in Trübsal, Verfolgung, Schwert und Flammen freudig
sein; und wenn sie dieses vor Augen hatten, so ließen sie sich
–   93   –

freudig ihrer Habe berauben und wanderten fröhlich als Fremde
und Pilgrime auf der Erde. Denn sie suchten ein Land, eine
Stadt und eine Erbschaft, an die nur ein Heiliger jemals dachte,
sie verstand oder auch auf sie hoffte.
Wir können niemals genau verstehen, was eine Wieder-
bringung bedeutet, wenn wir darunter nicht etwas Verlorenes
oder Weggenommenes verstehen; wenn wir uns zum Beispiel er-
bieten, jemand etwas wiederzubringen, so hat er dasselbe einst
besessen, dann verloren, und wir beabsichtigen, es wieder zu ersetzen
oder ihn wieder in Besitz dessen zu setzen, was er einst besaß.
Wenn daher ein Prophet von der Wiederbringung aller Dinge
spricht, so meint er, daß alle Dinge eine Veränderung erlitten
haben und wieder zu ihrer ursprünglichen Ordnung, wie sie zuerst
bestand, gebracht werden sollen.
Alsdann müssen wir zuerst die Schöpfung betrachten, wie
sie in Reinheit aus der Hand ihres Schöpfers hervorging; und
wenn wir den wahren Zustand, in dem sie damals hervorging,
entdecken, und wissen, welche Veränderungen seitdem stattgefunden
haben, alsdann werden wir auch verstehen können, was wieder-
gebracht werden soll; und auf diese Weise werden wir vorbereitet
sein, gerade das zu erwarten, was kommen wird, und nicht Gefahr
laufen, unsern schwachen Arm aus Unwissenheit gegen die Dinge
Gottes zu erheben.
Wir wollen zuerst die Erde in bezug auf ihre Oberfläche,
örtliche Lage und Erzeugnisse betrachten.
Als Gott Himmel und Erde erschaffen und das Licht von
der Finsternis geschieden hatte, so gebot er zunächst dem Wasser
(1. Buch Mose 1, 9): „Und Gott sprach: Es sammle sich das
Wasser unter dem Himmel an besondre Örter, daß man das
Trockene sehe. Und es geschah also“; oder, wie es nach dem
Englischen heißt: „Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser
unter dem Himmel an einem Orte, daß man das Trockene sehe.
Und es geschah also.“ Daraus erfahren wir eine wunderbare
Tatsache, an die sehr wenige in dieser finstern Zeit jemals gedacht
oder geglaubt haben; wir erfahren, daß das Wasser, das jetzt
in Meere und Seen geteilt ist, damals in ein großes Meer ge-
sammelt war; und folglich, daß das Land, das jetzt auseinander-
gerissen und in Kontinente und in fast unzählige Inseln geteilt
ist, damals ein großes Festland bildete; und nicht, wie jetzt,
getrennt war.
–   94   –

Zweitens hören wir, daß Gott, der Herr, die Erde, so wie
alles übrige, für gut hält. Daraus erfahren wir, daß es weder
Wüsten, unfruchtbare stellen, stehende Sümpfe, rauhe, holperige
Hügel noch hohe, mit ewigem Schnee bedeckte Berge gab; und
kein Teil derselben lag in der kalten Zone, so daß sein Klima
traurig und unfruchtbar oder unaufhörlicher Kälte und ewigen
Eisfeldern unterworfen war.
Wo keine Blume ziert das öde Land,
Noch reiche Ernten Gott hat hingesandt.
Doch war wahrscheinlich die ganze Erde eine ungeheuere
Ebene oder hatte hie und da sanft auf steigende Hügel oder Täler,
die sich allmählich abdachten und gut zum Anbau waren; indes
ihr Klima eine angenehme Abwechslung von mäßiger Hitze und
Kälte, Nässe und Trockenheit hatte, die nur dazu diente, die ver-
schiedenen Jahreszeiten mit einer größern Mannigfaltigkeit von
Erzeugnissen, alle zum Besten der Menschen, Tiere, Vögel oder
des Gewürms zu krönen; während jedes Lüftchen süße Gerüche
aus der mit Blumen angefüllten Ebene oder dem gewürzreichen
Haine brachte; und die ganze weite Schöpfung atmete nichts als
Gesundheit, Frieden und Freude.
Dann lesen wir im 1. Buche Moses 1, 29, 30: „Und Gott
sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben allerlei Kraut, das sich
besamet auf der ganzen Erde; und allerlei fruchtbare Bäume,
und Bäume, die sich besamen, zu eurer Speise; und allem Tier
auf Erden, und allen Vögeln unter dem Himmel, und allem
Gewürme das da lebet auf Erden, daß sie allerlei grün Kraut
essen; und es geschah also.“ Aus diesen Versen geht hervor,
daß die Erde weder ekelhafte Gräser oder giftige Pflanzen noch
unnütze Dornen und Disteln hervorbrachte; in der Tat alles, was
wuchs, war bestimmt zum Besten der Menschen, der Tiere, der
Vögel und Gewürme; und ihre ganze Nahrung bestand in Pflan-
zen; Fleisch und Blut wurden niemals geopfert, um ihre Seelen
zu sättigen oder ihren Appetit zu befriedigen; die Tiere der Erde
lebten in vollkommener Eintracht miteinander; der Löwe aß Stroh
wie der Ochse – der Wolf wohnte bei dem Lamme – der Pardel
lag bei dem Böcklein – die Kuh und der Bär weideten zusammen
von derselben Weide, während ihre Jungen in vollkommener
Sicherheit unter dem Schatten eines Baumes beieinander lagen;
überall war Friede und Eintracht, und nichts schadete noch verdarb
auf dem heiligen Berge.
–   95   –

Um das Ganze zu krönen, sehen wir, wie der Mensch nach
dem Bilde Gottes geschaffen und zu Würde und Macht erhoben
wurde und über die weite Schöpfung lebender Wesen herrschte,
von denen die Erde wimmelte, indes er zu gleicher Zeit einen
schönen und gut bewässerten Garten bewohnte, in dessen Mitte
sich der Baum des Lebens befand, zu dem er freien Zugang hatte;
während er vor seinem Schöpfer stand, mit ihm von Angesicht
zu Angesicht sprach und auf seine Herrlichkeit blickte, ohne daß ein
verdunkelnder Schleier dazwischen lag. O Leser, betrachte nur
einen Augenblick diese schöne Schöpfung, in der Frieden und Fülle
herrschen; die Erde, die von unschädlichen Tieren wimmelte, die
fröhlich waren über die ganze Ebene; die Luft, in der sich un-
zählige Schwärme reizender Vögel wiegten, wurde durch deren
unaufhörlichen Gesang mit den mannigfaltigsten Melodien ange-
füllt; wie alles seinen rechtmäßigen Herrscher, der Freude dar-
über empfand, untertan war; während in einem reizenden Garten
– dem Kapitol der Schöpfung – der Mensch auf dem Throne
dieses ungeheueren Reiches saß und sein Zepter mit unbestrittenem
Rechte über die ganze Erde schwang; während sich Legionen von
Engeln rund um ihn lagerten und mit ihren fröhlichen Stimmen
in Dank- und Lobgesänge und Freudengeschrei einstimmten: weder
Ächzen noch Seufzen wurde in dem unermeßlichen Raume ge-
hört; weder gab es Tränen, Schmerz, Weinen, Krankheit oder
Tod; noch Streit, Kriege und Blutvergießen; sondern Friede
krönte die Jahreszeiten, wie sie kamen und gingen, und Leben,
Freude und Liebe herrschten über alle seine Werke. Doch, ach!
wie hat sich alles verändert.
Es ist meine schmerzliche Pflicht, einige der wichtigen Ver-
änderungen, die stattgefunden haben, in Erwägung zu ziehen und
auch die Ursachen anzugeben, durch welche die Erde und ihre
Bewohner in ihre gegenwärtige Lage gekommen sind.
Zuerst fiel der Mensch von Gott ab, weil er auf die Ver-
suchung achtete. Dieser Fall äußerte seine Wirkung sowohl auf die
ganze Schöpfung als auch auf den Menschen, so daß verschiedene
Veränderungen eintraten. Der Mensch wurde aus der Gegenwart
seines Schöpfers verbannt, und ein Schleier wurde zwischen ihnen
gezogen. Er wurde aus dem Garten Eden getrieben, um so das
Land zu bebauen, welches um seinetwillen verflucht wurde, Dornen
und Disteln zu tragen: im Schweiß seines Angesichts sollte er
sein Brot essen, mit Kummer sollte er sich darauf nähren sein
–   96   –

Leben lang und endlich wieder zu Erde werden. Was aber Eva
anbetrifft, so sollte der Fluch ihr viel Sorgen verursachen, mit
Schmerzen sollte sie ihre Kinder gebären, und zwischen ihrem
Samen und dem Samen der Schlange sollte eine beständige
Feindschaft bestehen; er sollte den Kopf der Schlange zertreten
und die Schlange ihn in die Fersen stechen.
Nun, Leser, betrachte die Veränderung. Die kurz vorher so
herzliche Szene war jetzt die Wohnung der Sorge, Mühe, des
Todes und der Trauer geworden; die Erde ächzt unter der Last
des Fluches und der Dornen und Disteln; Menschen und Tiere
leben in Feindschaft; listig kriecht die Schlange auf der Seite, weil
sie fürchtet, ihr Kopf möchte zertreten werden; der Mensch erschrickt
auf dem dornigen Pfade, aus Furcht, von den Zähnen der Schlange
in seine Ferse gebissen zu werden, während das Lamm sein Blut
auf dem Rauchaltar hingibt. Bald fangen die Menschen an, ein-
ander zu verfolgen, zu hassen und zu morden, bis zuletzt die Erde
voll Frevels wurde und alles Fleisch verdirbt. Die Mächte der
Finsternis beherrschen alles; und es reuete Noah, daß Gott den
Menschen erschaffen hatte, und es bekümmerte ihn in seinem
Herzen, daß er kommen sollte, zu richten und die Erde mit Wasser
zu reinigen. Wieviel nun die Sintflut zu den verschiedenen
Veränderungen, welche die Erde in einzelne Stücke, Inseln, Kon-
tinente, Berge und Täler teilte, beigetragen hat, können wir nicht
sagen; die Veränderung muß beträchtlich gewesen sein. Bald nach
der Sintflut, in den Tagen Pelegs, wurde die Erde geteilt.
Siehe das 1. Buch Moses 10, 25, worin freilich nur eine kurze
Geschichte von einem so großartigen Ereignisse enthalten ist, die
aber doch die großartige Umwälzung erklären wird, wodurch das
Meer aus seinem Bette im Norden trat und sich zwischen ver-
schiedene Teile der Erde legte, dies so auseinandergerissen wurde
und so eine Gestalt bekam, die der jetzigen ähnlich war. Dies
und die Erdbeben, Umwälzungen, Erschütterungen, die seitdem
stattgefunden, haben der Erde ihre jetzige Gestalt gegeben; indes
der große Fluch, der wegen der Gottlosigkeit der Menschen auf
verschiedene Teile der Erde gefallen, die Ursache der verschiedenen
Sümpfe, Seen, toten Meere und großen Wüsten ist. Siehe, was
die Propheten über Babylon weissagten, es sollte ewig wüste sein,
ein Aufenthaltsort wilder Tiere, unreiner und häßlicher Vögel,
ein Ort für Eulen werden; nie sollten Menschen da wohnen,
sondern es sollte wüste liegen von Geschlecht zu Geschlecht. Siehe
–   97   –

auch, wie die Ebenen von Sodom voller Städte und blühender,
gut bewässerter Gärten waren, und welche Veränderung jetzt
mit ihnen vorgegangen ist; ein ungeheures Meer stehenden
Wassers bezeichnet allein noch die Stelle. Blicke auf das Land
Palästina; zur Zeit Salomons konnte es Millionen Menschen
ernähren und außerdem wurde noch viel Getreide und andre
Erzeugnisse in die benachbarten Länder ausgeführt; wogegen es
jetzt eine Wüste ist; so daß kaum einige elende Bewohner darauf
leben können. Und wenn ich einen Blick auf unser eigenes Land
werfe und die zahllosen Sümpfe, Seen und stehenden Gewässer
und die ungeheuren Berge und unzähligen rauhen Plätze sehe, und
wie Felsen mitten auseinandergespalten und -gerissen worden
sind, so rufe ich aus: Wodurch geschah dieses?
Im Buche Mormon lese ich, daß, als Christus von den
Juden gekreuzigt wurde, dieses ganze amerikanische Festland in
seinen Grundfesten bebte, so daß viele Städte versanken und Wasser
an ihre Stelle trat; daß Felsen gespalten und Berge bis zu einer
außerordentlichen Höhe auseinandergerissen wurden; aus andern
Bergen bildeten sich Täler; ebene Straßen wurden verdorben; so
daß die ganze Oberfläche des Landes eine andere Gestalt erhielt.
– Dann rufe ich aus: Diese Sachen sind nicht länger mehr ein
Geheimnis; ich kann mir jetzt die vielen Wunder erklären, die ich
überall in unserm Lande erblicke; wenn ich am Rande der Felsen
hingehe und sehe, wie sie alle auseinandergespalten und zerrissen
worden sind, während noch ungeheure Stücke tief in der Erde
wenige Fuß von der Stelle gefunden werden, von wo sie los-
gerissen wurden; dann rufe ich vor Erstaunen aus: Dies waren
die Seufzer, die zuckenden Schmerzen der mit dem Tod ringenden
Natur, als der Sohn Gottes am Kreuze litt!
Doch die Menschen sind entartet und haben sich ebensosehr
verändert wie die Erde. Die Sünden, Greuel und vielen schlechten
Sitten der spätern Zeitalter haben das Elend, die Mühseligkeiten
und Leiden des menschlichen Lebens noch vermehrt. Trägheit,
Ausschweifungen, Stolz, Geiz, Trunkenheit und andre Greuel,
welche die letzten Zeiten kennzeichnen, haben die Menschen in
das tiefste Elend und die tiefste Erniedrigung gebracht; indes
Pfaffentum und falsche Lehren sehr dazu beigetragen haben, die
Menschen einzuschläfern, in welchem Zustande sie niemals im-
stande sein werden, die Kenntnisse und Errungenschaften, derer
sich die Alten erfreuten, zu erreichen, und die allein imstande
–   98   –

sind, die geistigen Kräfte des Menschen zu heben, schöne und
edle Gefühle einzupflanzen und den Geist bis zu der äußersten
Grenze seiner Fassungskraft mit Kenntnissen zu bereichern. Siehe,
wie die Alten mit dem großen Jehova redeten, von Engeln und
durch den Heiligen Geist belehrt wurden, indem sie Träume in
der Nacht und Gesichte am Tage hatten, bis zuletzt der Schleier
von ihren Augen gefallen war und sie mit Verwunderung auf die
ganze Vergangenheit und Zukunft blickten; ja, wie sie sich im
Geiste sogar bis zu den unzähligen Welten erhoben, während der
ungeheure Raum der Ewigkeit offen vor ihnen lag und sie die
wunderbaren Werke des großen Schöpfers betrachten konnten, bis
sie erkannten, wie sie erkannt wurden.
Vergleiche diese Intelligenz mit der geringen, oberflächlichen
Kenntnis der jetzigen Erziehung und Weltklugheit, die dem be-
schränkten menschlichen Geiste unsrer Zeit zu genügen scheint;
ja, betrachte den engherzigen, berechnenden, wuchernden, übervor-
teilenden, geizigen, falschen Schmeichler des neunzehnten Jahr-
hunderts, der nur auf die Vermehrung seiner irdischen Güter oder
seinen Nachbar zu übervorteilen bedacht ist, dessen ganzer Gottes-
dienst und religiöse Pflichten darin bestehen, die Kirche zu be-
suchen, den Pastor zu besolden und seinen Gott anzurufen, ohne
zu erwarten, erhört zu werden, denn seinem Glauben gemäß
ist Gott seit vielen Jahrhunderten taub oder, wie er selbst, völlig
stumpfsinnig und gleichgültig.
Nachdem nun dieser Gegensatz erkannt worden ist, wirst du
dir vorstellen können, von welcher hohen Stufe der Erhabenheit
und Würde der Mensch gefallen ist, und wie unendlich tief er jetzt
unter seiner früheren Herrlichkeit und Würde lebt. Dein Herz
wird bluten und sich grämen, ihn in seinem elenden Zustande
zu sehen und zu denken, daß er dein Bruder ist; und voller Er-
staunen wirst du ausrufen: „O Mensch! wie bist du gefallen!
einst warst du der Liebling des Himmels; dein Schöpfer hatte
Freude daran, mit dir zu reden, Engel und die Geister ge-
rechter, vollkommener Menschen waren deine Gefährten; aber jetzt
bist du gesunken und stehst auf einer Stufe mit den Tieren; ja,
noch weit unter ihnen, denn sie blicken mit Schrecken und Ent-
setzen auf deine nichtigen Vergnügungen, Spiele und deine
Trunkenheit und geben oft ein würdiges Beispiel zur Nach-
ahmung. Deshalb sagte der Apostel Paulus zu dir: ’Aber sie
sind wie die unvernünftigen Tiere, die von Natur dazu geboren
–   99   –

sind, daß sie gefangen und geschlachtet werden.‘“ Und so kommst
du um, von einem Geschlecht zum andern; indes die ganze Schöp-
fung unter ihrer Besudelung seufzt und Sorge und Tod, Trauer
und Seufzer das Maß der Tage des Menschen voll machen. Doch,
o meine Seele, verweile nicht länger bei diesem fürchterlichen
Schauspiel; es genüge, einigermaßen das Verlorene entdeckt zu
haben. Wir wollen jetzt unsre Aufmerksamkeit auf das richten, was
nach den Worten des Propheten wiedergebracht werden wird.
Als der Apostel Petrus zu den Juden predigte, sprach er:
„Und er wird senden den, der euch zuvor gepredigt wurde,
Jesum Christum, welchen die Himmel einnehmen müssen, bis
auf die Zeit, da wiedergebracht werde alles, was Gott geredet
durch den Mund aller seiner heiligen Propheten, von der
Welt an.“
Aus dem Obigen geht hervor, daß die Augen aller heiligen
Propheten von Adam an auf einen gewissen Zeitpunkt gerichtet
waren, wo alle Dinge ihre ursprüngliche Schönheit und Vortreff-
lichkeit erlangen werden. Wir erfahren auch, daß die Wieder-
bringung bei der zweiten Zukunft Christi oder wenigstens nahe
dieser Zeit stattfinden wird; denn er muß den Himmel bis zur
Wiederherstellung aller Dinge einnehmen, alsdann wird ihn der
Vater wieder auf die Erde senden.
Wir wollen jetzt weiter gehen und sehen, was Jesaias sagt
in 40. Kapitel, vom 1. bis 5. Vers: „Tröstet, tröstet mein Volk,
spricht euer Gott. Redet mit Jerusalem freundlich und prediget
ihr, daß ihre Ritterschaft ein Ende hat, denn ihre Missetat ist
vergeben; denn sie hat Zweifältiges empfangen von der Hand
des Herrn um alle ihre Sünde. Es ist eine Stimme des Pre-
digers in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg, machet auf
dem Gefilde eine ebene Bahn unserm Gott. Alle Täler sollen
erhöht werden und alle Hügel sollen geniedrigt werden; und
was ungleich ist, soll eben, und was höckericht ist, soll schlicht
werden; denn die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden;
und alles Fleisch miteinander wird es sehen, denn des Herrn
Mund hat es geredet.“
Aus diesen Versen ersehen wir, daß eine Stimme in der
Wüste gehört werden wird, um dem Herrn den Weg zu bereiten,
zur Zeit, wann Jerusalem von den Heiden lange genug unter die
Füße getreten sein wird, um Zweifältiges zu empfangen von der
Hand des Herrn, um alle ihre Sünde, ja, wenn die Ritterschaft
–   100   –

von Jerusalem ein Ende hat, und ihre Missetat vergeben ist;
dann soll dies verkündigt werden, wie es vorher von Johannes
geschah, ja, eine zweite Verkündigung; um dem Herrn den Weg
zu bereiten für seine zweite Zukunft, und zu jener Zeit sollen alle
Täler erhöhet und alle Hügel und Berge geniedriget werden;
und was ungleich ist, soll eben, und was höckericht ist, soll schlicht
werden; denn die Herrlichkeit des Herrn soll offenbar werden;
und alles Fleisch miteinander wird es sehen, denn der Mund
des Herrn hat es gesprochen.
So sehen wir, daß, nachdem alle Berge erniedrigt und alle
Täler erhöhet sein werden, und was ungleich war, eben, und was
höckericht war, schlicht sein wird, diese großartigen Umwälzungen
anfangen werden, der Erde ihre frühere Schönheit wiederzugeben.
Nach allen diesen Ereignissen hat doch noch nicht unsre Wieder-
bringung stattgefunden; um alle Dinge wiederzubringen, müssen
noch weit größere Dinge geschehen.
Zunächst wenden wir uns zu dem 35. Kapitel des Jesaia,
wo wir wieder von der zweiten Zukunft des Herrn lesen, und von
den großen wundern, die dabei geschehen werden. Das dürre
Land wird an Teichen und Quellen reich sein, und es wird Gras
wachsen und blühen wie die Lilien, und dies alles wird geschehen,
wann Gott kommt zur Rache und zur Vergeltung, was auf seine
zweite Zukunft hindeutet; und zu derselben Zeit wird Israel nach
Zion kommen mit Jauchzen, ewige Freude wird über ihrem
Haupte sein, und Schmerz und Seufzen wird weichen müssen.
Hier sehen wir nun, wie der Fluch von der Wüste genommen ist,
und sie ein fruchtbares, gutbewässertes Land wird. Wir wollen
jetzt untersuchen, ob die Inseln wieder zu den Festlanden kommen
werden, von denen sie einst geschieden wurden. Wegen dieser
Sache verweisen wir auf die Offenbarung 6, 14: „Und alle Berge
und Inseln wurden bewegt aus ihren Örtern.“ Daraus ersehen
wir, daß sie irgendwohin bewegt wurden; und da es Zeit ist,
wiederzubringen, was verloren gewesen ist, so werden sie folglich
wiederkommen und sich mit dem Lande vereinigen, von dem sie
gekommen sind.
Dann Jesaia 13, 13–14: „Die Erde soll beben von ihrer
Stätte, und sie soll sein wie ein verscheuchtes Reh und wie eine
Herde ohne Hirten.“ Auch Jesaia 62, 4: „Man soll dich nicht
mehr die Verlassene noch dein Land eine Verwüstung heißen; son-
dern du sollst ’Meine Luft an ihr‘ und dein Land ’Lieber Buhle‘
–   101   –

heißen; denn der Herr hat Luft an dir, und dein Land hat einen
lieben Buhlen.“
Zuerst sehen wir, daß die Erde zittert wie ein verscheucht
Reh; und dann, daß sie einen lieben Buhlen hat. Und aus allen
den verschiedenen Schriftstellen erfahren wir, daß die Festlande
und Inseln eins werden sollen, wie es am Morgen der Schöpfung
war, und das Meer wird zurückgehen und sich an seinen Ort
sammeln, wo es vorher war; und alles dies wird geschehen
während der großartigen Erschütterung der Natur, zur Zeit der
Zukunft des Herrn.

Nun sieh! der Ölberg auseinandergeht;
Indessen er, der Herr, hoch oben steht
Die Inseln fliehn gehorsam auf sein Wort,
Indes das große Meer er drängt nach Nord!
Die Erde wie zuerst er stellt nun her,
Er gibt ihr jeden Segen, kein Fluch ist mehr.

Sobald die Erde wieder zu ihrem früheren heiligen Zustande
sein wird, die Berge geebnet, die Täler erhöhet und die ungleichen
Stellen eben, die Wüsten fruchtbar gemacht, und alle Festlande
und Inseln beisammen sein werden, und der Fluch weggenommen
sein wird, so daß sie nicht mehr schädliche Kräuter, Dornen und
Disteln hervorbringen kann, dann muß zunächst die Tierwelt ge-
ordnet und wieder in ihren früheren Zustand des Friedens und
der Herrlichkeit gebracht werden, so daß alle Feindschaft von der
Erde verschwindet. Doch dieses kann nicht eher geschehen, bis
eine allgemeine Zerstörung die Menschen heimsucht, welche die
Erde ganz reinigen und alles Gottlose von ihr entfernen wird.
Dies wird durch den Stab seines Mundes und durch den Odem
seiner Lippen geschehen; oder mit andern Worten durch Feuer,
das sich ebenso über die ganze Erde ausdehnen wird wie die
Sintflut. Jesaia 11, 3. 4. 6–9: „Er wird nicht richten, nach
dem seine Augen sehen; noch strafen, nach dem seine Ohren hören.
Sondern mit Gerechtigkeit richten die Armen, und mit Gericht
strafen die Elenden im Lande; und wird mit dem Stabe seines
Mundes die Erde schlagen und mit dem Odem seiner Lippen den
Gottlosen töten. Die Wölfe werden bei den Lämmern wohnen
und die Pardel bei den Böcken liegen. Ein kleiner Knabe wird
Kälber und junge Löwen und Mastvieh miteinander treiben.
Kühe und Bären werden an der Weide gehen, daß ihre Jungen
beieinander liegen; und Löwen werden Stroh essen wie die
–   102   –

Ochsen. Und ein Säugling wird seine Lust haben am Loch der
Otter, und ein Entwöhnter wird seine Hand stecken in die Höhle
des Basilisken. Man wird nirgend Schaden tun noch verderben
auf meinem heiligen Berg; denn das Land ist voll Erkenntnis
des Herrn, wie Wasser das Meer bedeckt.“
Nachdem nun die Erde so gereinigt, mit der Erkenntnis
Gottes verherrlicht, wie Wasser das Meer bedeckt, und sein Geist
auf alles Fleisch ausgegossen ist, so daß Menschen und Tiere voll-
kommen harmlos sind, so wie sie es im Anfange waren, und nur
von Pflanzen leben, während nichts in der ganzen ungeheuren
Schöpfung schadet, noch verdirbt, dann geben uns die Propheten
noch viele andre herrliche Beschreibungen von den Genüssen ihrer
Bewohner.
„Sie werden Häuser bauen und bewohnen; sie werden Wein-
berge pflanzen und derselbigen Früchte essen. Sie sollen nicht
bauen, das ein andrer bewohne; und nicht pflanzen, das ein
andrer esse. Denn die Tage meines Volkes werden sein wie
die Tage eines Baumes; und das Werk ihrer Hände wird alt
werden bei meinen Auserwählten. Sie sollen nicht umsonst
arbeiten, noch unzeitige Geburt gebären; denn sie sind der Same
der Gesegneten des Herrn, und ihre Nachkommen mit ihnen. Und
soll geschehen, ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch
reden, will ich hören.“ In diesem glücklichen Zustande werden,
wie es scheint, alle bis zum vollen Alter eines Baumes leben,
und das dazu noch ohne Schmerz oder Sorge, und auf alle ihre
Fragen wird sogleich geantwortet werden, ja, noch ehe sie sprechen,
wird er ihnen antworten. Natürlich wird dann niemand im
Staube schlafen, denn sie werden es vorziehen, verwandelt, das
heißt in einem Augenblick aus einem sterblichen Wesen ein un-
sterbliches zu werden; darauf werden sie mit Jesu beständig auf
der Erde regieren.
So sind wir nun den Propheten durch die verschiedenen
Szenen gefolgt, die zusammen die Erde und ihre Bewohner wieder
in jenen Zustand der Vollkommenheit bringen werden, in dem sie
sich früher befanden; und in dem sie während des großen Sabbats
der Schöpfung sein werden. Nachdem wir alles gesehen haben,
was den Lebendigen wiedergegeben wird, wollen wir jetzt nach
denen fragen, die im Staube schlafen; um jedoch genau zu wissen,
wie ihre Auferstehung sein wird, müssen wir zunächst die Einzel-
heiten in betreff der Auferstehung Jesu kennen, denn er war ein
–   103   –

genaues Vorbild, nach welchem alle seine Heiligen auferstehen
werden.
Zuerst erinnern wir uns, daß er Fleisch, Blut, Knochen hatte,
wie jeder andre Mensch, und auch ebenso dem Hunger, Durst,
Schmerz, der Müdigkeit, Krankheit und dem Tode ausgesetzt war,
wie jeder andre Mensch; nur mit dem Unterschiede, daß er mehr
ertragen konnte als irgendein andrer menschlicher Körper. Zwei-
tens, daß derselbe Leib am Kreuze hing, durch Nägel zerrissen, die
durch seine Hände und Füße hindurchgeschlagen waren, und daß
man mit einem Speer in seine Seite gestoßen hatte, woraus
Wasser und Blut floß. Drittens, daß derselbe Körper, der ganz
leblos war und sorgfältig wie jeder andre Leichnam herabgenom-
men wurde, ohne daß ein Knochen gebrochen war, und sorgfältig
in Leinen gehüllt und ihn ein Grab gelegt wurde, wo er bis zum
dritten Tage blieb; als sehr frühe die Frauen zum Grabe kamen
und auch seine Hühner, sahen sie die leinenen Tücher allein liegen,
und das Schweißtuch, das Jesu sorgfältig um das Haupt gebunden
war, beiseits eingewickelt, an einem besonderen Ort; doch der Leich-
nam, der da gelegen hatte, war verschwunden. Aus allen diesen
Umständen ersehen wir, daß dasselbe Fleisch und Bein, das in
das Grab gelegt wurde, sein Leben wirklich wieder erhielt, auf-
erstand und die Leinentücher, die nicht mehr nötig waren, beiseite
lagen. – Jesus Christus kam als Sieger hervor aus den Woh-
nungen der Toten und hatte denselben Leib, der von einem Weibe
geboren und von den Juden gekreuzigt worden war; doch kein
Blut floß in seinen Adern, denn Blut war das natürliche Leben,
welches dem Tode unterworfen worden war, und ein Mensch, der
wieder Fleisch und Blut bekommen hätte, würde sterblich und mit-
hin wieder dem Tod unterworfen sein, was aber mit unserm
Heiland nicht der Fall war; obgleich er Fleisch und Bein hatte
nach seiner Auferstehung, denn als er seinen Jüngern erschien
und sie sich fürchteten, weil sie ihn für einen Geist hielten, so
sagte er, um ihnen ihren Irrtum zu beweisen: „Fühlet mich an
und sehet! Denn ein Geist hat nicht Fleisch und Bein, wie ihr
sehet, das ich habe.“ Und als er etwas zu essen verlangte, so
gaben sie ihm ein Stück gebratenen Fisches und Honigseim, und
er aß es. Thomas wurde sogar nachher aufgefordert, seinen
Finger in die Nägelmale an seinen Händen und Füßen und seine
Hand in seine Seite zu legen, woraus offenbar hervorging, daß
er nicht nur denselben Leib besaß, sondern daß auch dieselben
–   104   –

Male blieben, um sie zu zeigen als ein Zeugnis, und auch bleiben
werden, bis er wiederkommt, wo alsdann die Juden ihn, den
sie durchstochen haben, ansehen und fragen werden: „Was bedeuten
diese Male an deinen Händen und Füßen?“
O ihr hartherzigen, gottlosen Menschenkinder; eure Augen
werden bald den schauen, der wegen eurer Sünden gekreuzigt
wurde! dann werdet ihr sehen, daß die Auferstehung der Toten
eine Wirklichkeit ist; ja, daß man sie mit den Händen anrühren
kann und daß die Ewigkeit weder ein Reich der Schatten noch
eine Welt der Hirngespinste ist, wie einige der Meinung sind.
Unter andern Dingen, die Jesus nach seiner Auferstehung
verrichtete, finden wir ihn bei der niedrigen Verrichtung, Fische zu
braten und seinen Jüngern sagen: „Kommet und haltet das Mahl.“
O, welche Einfachheit, welche Liebe, welche Herablassung! Wundere
dich, o Himmel! und erstaune, o Erde! Sieh, der Erlöser, ob-
gleich mit Unsterblichkeit bekleidet, sitzt mit seinen Brüdern an
einem Kohlenfeuer unter freiem Himmel und nimmt bescheiden
an einem Mahle von Fischen teil, das von seinen Händen bereitet
ist. O ihr Großen der Erde, die ihr im Überflusse schwelgt!
O ihr Priester, die ihrer mit Ehren, Titeln, Würden, Reichtümern
und mit dem Glanze der Welt beladen seid, hier ist eine Lehre
für euch, die euch erröten machen wird; rühmt euch nicht mehr,
daß ihr Nachfolger des sanftmütigen und demütigen Jesu seid!
Doch wir kehren zur Auferstehung zurück. Nachdem nun
bewiesen worden ist, daß unser Heiland mit demselben gekreu-
zigten Körper von den Toten auferstand, Fleisch und Bein hatte
und mit seinen Jüngern aß und trank, so ist damit der Gegen-
stand der Auferstehung der Heiligen für immer zum Abschluß
gebracht. Wenn jedoch noch ein andrer Beweis nötig wäre, so
finden wir in einer schon angeführten Prophezeiung Hiobs, daß,
obschon Würmer seinen Leib zerstören würden, sein Erlöser in den
letzten Tagen auf der Erde sein und er ihn im Fleische sehen
würde. Sehnen und Haut wie jetzt haben werde, der ganze
Körper unsterblich, um nie mehr Verderbnisse zu sehen, bekleidet
mit einem für die Unsterblichkeit passenden weißen Gewand aus
schöner Leinwand. Deshalb sagte der Apostel: „Im Himmel haben
wir eine dauerhaftere Substanz“ (keinen Schatten).
Um jedoch diesen Gegenstand noch weiter zu erörtern, wollen
wir genau Hesekiel, Kapitel 37, untersuchen, auf den wir uns
früher bezogen haben. In diesem Gesichte wurde der Prophet im
–   105   –

Geiste des Herrn hinausgeführt auf ein Tal verdorrter Beine, und
derer waren sehr viele und sehr verdorret; und während er noch
im Anschauen dieser schrecklichen Szenen versunken war, wurde
eine sehr wunderbare Frage an ihn gerichtet: „Du Menschen-
kind, meinest du auch, daß diese Beine wieder lebendig werden?“
Und er antwortete: „Herr, Herr, das weißest du wohl.“ Und
der Herr sprach zu ihm: „Weissage von diesen Beinen und sprich
zu ihnen: Ihr verdorreten Beine, höret des Herrn Wort.“ Und er
weissagte, wie ihm befohlen war: und siehe, da rauschete es, als er
weissagete; und siehe, es regete sich; und die Gebeine kamen wieder
zusammen, ein jegliches zu seinem Gebeine, und es wuchsen Adern
und Fleisch darauf, und er überzog sie mit Haut. Und er weis-
sagte zum Winde und sprach: „Wind, komm herzu von den vier
Winden und blase die Getöteten an, daß sie wieder lebendig
werden.“ Da kam Odem in sie und sie wurden wieder lebendig
und richteten sich auf ihre Füße. Und ihrer war ein sehr groß
Heer. – Wir haben viele Auslegungen über dieses Gesicht gehört;
einige vergleichen es mit Sündern und andre mit dem Leib
Christi und den geistigen Gaben; doch kann eine abgestorbene
Kirche nicht mehr als der Leib Christi benannt werden, denn wäh-
rend sie im wahren Weinstock verbleibt, ist sie lebendig, stirbt nicht
und trägt Früchte, wo sie aber sonst, anstatt sich wieder zu erheben,
als ein verdorrter und verbrannter Zweig abgeschnitten wird.
Doch habt ihr jemals gehört, wie der Herr selber dieses Gesicht in
demselben Kapitel auslegt? Es übertrifft bei weitem alle übrigen
Auslegungen, und ich glaube daran; ich will deshalb lieber diese
Ausdeutung aufzeichnen, als irgendeine andere, und mich so der
Gefahr aussetzen, bei den Leuten unbeliebt zu werden.
Der Herr spricht: „Du Menschenkind, diese Beine sind das
ganze Haus Israel.“ Siehe, jetzt sprechen sie: „Unsre Beine
sind verdorrt und unsre Hoffnung ist verloren und ist aus mit
uns. Darum weissage und sprich zu ihnen: So spricht der Herr:
Siehe, ich will eure Gräber auftun und will euch, mein Volk,
aus denselben herausholen und euch ins Land Israel bringen;
und sollt erfahren, daß ich der Herr bin, wenn ich eure Gräber
geöffnet und euch, mein Volk, aus denselben gebracht habe. Und
ich will meinen Geist in euch geben, daß ihr wieder leben sollt;
und ich will euch in euer Land setzen; und sollt erfahren, daß
ich der Herr bin. Ich rede es und tue es auch, spricht der
Herr.“ So ist nun das ganze Gesicht deutlich erklärt; wenn man
–   106   –

überhaupt das Wort des Herrn für wahr annehmen darf, was
in dieser Zeit der Weisheit und Gelehrsamkeit sehr selten der Fall
ist. Alle Nachkommen Israels sollen aus den Gräbern heraus-
geholt und in das Land Israel gebracht werden, das ihnen
als ein ewiges Erbteil gegeben worden war. Damit nun dieses
geschehe, müssen ihrer alten, verdorrten Gebeine, ein jegliches zu
seinem Gebein, wieder zusammenkommen. Alle Teile ihrer Körper
müssen wiederhergestellt werden, es wird sehr rauschen und sich
wunderbar regen. Wahrhaftig auf ihre Füße gerichtet, werden
sie ein sehr groß Heer sein.
Dies erklärt eben die in der Schrift so oft wiederholte Ver-
heißung: „Mein Knecht David soll ewiglich ihr Fürst sein“; in
der Tat gibt dasselbe Kapitel ihnen die Verheißung, daß sein
Knecht David auferstehen und ihr Fürst und der Herr ihr König
sein wird, während alle Lebendigen und Toten wiederhergestellt
und ein Volk im Lande und auf den Bergen Israels sein werden;
indes David als ihr ewig herrschender Fürst und Herrscher hervor-
kommen und Jesus, der Herr, als König der Könige und Herr
der Herren in Herrlichkeit auf dem Berge Zion, in Jerusalem
und vor seinen Alten regieren wird.

O Tag des Ruhms! O Hoffnung!
Was freudig mich bewegt, ist dies:
Wann wir in jenem schönen Land
Die Alten nehmen bei der Hand,
In Liebe unsre Freunde grüßen,
Und Tod und Sorge enden müssen.

Ich wundere mich nicht länger, wenn ich daran denke,
daß Abraham sich für einen Fremdling und Pilger hielt, auf ein
besseres Land und eine Stadt hoffte, deren Baumeister und
Schöpfer Gott sei. Es scheint, daß nach dieser Wiederherstellung
nur noch eine Veränderung nötig sein wird, um die Erde zur
ewigen Erbschaft des Menschen passend zu machen; und daß jene
Veränderung am letzten Tage stattfinden wird, nachdem der Mensch
tausend Jahre in Frieden gelebt hat. Wir haben jetzt das große
Geheimnis entdeckt, welches nur die Heiligen verstanden haben;
und das von ihnen zu allen Zeiten der Welt verstanden wurde;
welches darin besteht, daß der Mensch im Fleische auf Erden mit
dem Messias, dem ganzen Hause Israel und allen Heiligen des
Allerhöchsten nicht nur für tausend Jahre, sondern für immer
–   107   –

und ewig wohnen und regieren wird. Alsdann wird unser Vater
Adam, sein Haar weiß wie die reine Wolle, in Würde, als der
Alte der Tage, der große Patriarch und mächtige Fürst auf dem
Throne sitzen; während Tausende und abermals Tausende vor
ihm stehen und Zehntausend mal Zehntausend ihm dienen werden,
da wird er alle seine Kinder begrüßen, die im Glauben an den
Messias starben; indes Abel, Enoch, Noah, Abraham, Hiob und
Daniel, und alle Propheten und Apostel, und alle Heiligen Gottes
aller Zeiten einander im Fleische begrüßen werden; Jesus, der
große Messias, wird unter ihnen sein und, um das Ganze zu
krönen, sich selbst gürten, Brot und Wein unter die Menge aus-
teilen und selbst mit denen auf Erden, alle in schöne, reine und
weiße Gewänder gekleidet, davon essen. Dies ist das Hochzeits-
mahl des Lammes. Selig sind, die daran teilnehmen.
Nachdem wir nun der großen Wiederherstellung der Erde
und ihrer Bewohner gefolgt sind, bis wir sie im vollen Genusse
der ihren Vätern gemachten Verheißungen finden, und wir er-
fahren haben, daß dieser zukünftige Zustand nicht in das Reich der
Schatten und Fabeln gehört, sondern etwas Fühlbares ist, das
sogar eine noch dauerhaftere Substanz hat, wollen wir jetzt die
Verteilung ihres Landes und die Anlage ihrer Stadt, ja der
heiligen Stadt durchgehen, wo die Hütte Gottes und sein Heiligtum
für immer und ewig sein sollen, denn dies war natürlich die Stadt,
die von Abraham und andern gesucht, aber nicht gefunden wurde.
In dem letzten Kapitel Hesekiels sehen wir, wie er das Land
durch das Los unter die zwölf Stämme austeilt und die viereckig
angelegte Stadt mit ihrem Heiligtum und ihren zwölf (auf jeder
Seite drei) Toren baut. Aber in seinem 47. Kapitel haben wir
folgende Beschreibung: Ein schöner Strom wird unter der Türe
des Tempels gegen Morgen herausfließen in das Tote Meer,
und die Wasser sollen gesund werden und sehr viele Fische haben,
so daß von Engeddi bis En-Eglaim die Fischer ihr Fischgarn
aufspannen werden; aber die Teiche und Lachen daneben werden
nicht gesund werden, sondern gesalzen bleiben. Und an demselben
Strome am Ufer auf beiden Seiten werden allerlei fruchtbare
Bäume wachsen, und ihre Blätter werden nicht verwelken, noch ihre
Früchte verfaulen; und werden alle Monden neue Früchte bringen,
denn ihr Wasser fließt aus dem Heiligtum. Ihre Frucht wird zur
Speise dienen und ihre Blätter zur Arznei.
Um jedoch den Bau der Stadt und die Baumaterialien noch
–   108   –

genauer zu beschreiben, führen wir aus Jesaias das 54. Kapitel
vom 11. Verse bis zu Ende an: „Du Elende, über die alle
Wetter gehen, und du Trostlose! Siehe, Ich will deine Steine
wie einen Schmuck legen und will deinen Grund mit Saphiren
legen; und deine Zinnen aus Kristallen machen, und deine Tore
von Rubinen, und alle deine Grenzen von erwählten Steinen;
und alle deine Kinder gelehret von Herrn, und großer Friede
deinen Kindern. Du sollst durch Gerechtigkeit bereitet werden.
Du wirst ferne sein von Gewalt und Unrecht, daß du dich davor
nicht darfst fürchten; und von Schrecken, denn es soll nicht zu
dir nahen. Siehe, wer will sich wider dich rotten und dich über-
fallen, so sie sich ohne mich rotten? Siehe, Ich schaffe es, daß
der Schmied, so die Kohlen im Feuer aufbläset, eine Waffe daraus
mache nach seinem Handwerk; denn ich schaffe es, daß der Ver-
derber sie zunichte mache. Eine jegliche Waffe, die wider dich zu-
bereitet wird, der soll nicht gelingen. Und alle Zunge, so sich wider
dich setzt, sollst du im Gericht verdammen. Das ist der Erbe der
Knechte des Herrn und ihre Gerechtigkeit von mir, spricht der Herr.“
Aus diesen Versen erfahren wir etwas von der Schönheit
ihrer Stadt, und aus welchem Material sie bestehen wird; ihre
Steine, ihr Schmuck, ihr Grund, ihre Saphire, ihre Zinnen von
Kristallen, ihre Tore von Rubinen und alle ihre Grenzen von
erwählten Steinen sind bestimmt, den Ort seines Heiligtums zu
verschönern, die Stätte seiner Füße herrlich zu machen, so wie auch
der ganzen Stadt einen Glanz und eine Pracht zu verleihen, von
der sich die Heiden mit allen ihren gerühmten Schätzen und Herr-
lichkeit nur eine schwache Vorstellung machen können; und dann
ist noch in derselben Beschreibung zu bemerken, daß alle Ein-
wohner Erkenntnis, Frieden und Freude haben werden, indessen
die, welche sich gegen sie zum Streite versammeln, gewiß zunichte
gemacht werden sollen; dieses ist wahrlich das Erbe der Knechte
des Herrn; das ist wahrlich eine reizende Stadt und wohl einer
solchen Pilgerschaft wie der Abrahams würdig.
Um jedoch eine noch bessere Vorstellung des Reichtums,
Wohlstands, der Schönheit und Pracht der Städte Zions und
Jerusalems zu haben, wollen wir das 60. Kapitel des Jesaias
anführen: „Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt,
und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir. Denn siehe,
Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über
dir gehet auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheinet über dir.
–   109   –

Und die Heiden werden in deinem Lichte wandeln; und die
Könige im Glanz, der über dir aufgehet. Hebe deine Augen auf
und siehe umher, diese alle versammelt kommen zu dir. Deine
Söhne werden von ferne kommen und deine Töchter auf dem
Arme hergetragen werden. Dann wirst du deine Lust sehen und
ausbrechen, und dein Herz wird sich wundern und ausbreiten;
wenn sich die Menge am Meer zu dir bekehret und die Macht
der Heiden zu dir kommt. Denn die Menge der Kamele wird
dich bedecken, die jungen Kamele aus Midian und Epha. Sie
werden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und
des Herrn Lob verkündigen. Alle Herden in Kedar sollen zu
dir versammelt werden und die Böcke Nebajoths sollen dir dienen.
Sie sollen als ein angenehm Opfer auf meinen Alter kommen;
denn ich will das Haus meiner Herrlichkeit zieren. Wer sind die,
welche fliegen wie die Wolken und wie die Tauben zu ihren
Fenstern? Die Inseln harren auf mich, und die Schiffe im Meere
vorlängst her, daß sie deine Kinder von ferne herzubringen,
samt ihrem Silber und Golde; dem Namen des Herrn, deines
Gottes, und dem Heiligen in Israel, der dich herrlich gemacht
hat. Fremde werden deine Mauern bauen, und ihre Könige
werden dir dienen; denn in meinem Zorn habe ich dich geschlagen
und in meiner Gnade erbarme ich mich über dich. Und deine Tore
sollen stets offen stehen, weder Tag noch Nacht zugeschlossen wer-
den; daß der Heiden Macht zu dir gebracht und ihre Könige her-
zugeführt werden. Denn welche Heiden oder Königreiche dir nicht
dienen wollen, die sollen umkommen, und die Heiden verwüstet
werden. Die Herrlichkeit des Libanons soll an dich kommen,
Tannen, Buchen und Buchsbaum miteinander, zu schmücken den
Ort meines Heiligtums; denn ich will die Stätte meiner Füße
herrlich machen. Es werden auch gebückt zu dir kommen, die dich
unterdrückt haben; und alle, die dich gelästert haben, werden
niederfallen zu deinen Füßen; und werden dich nennen eine Stadt
des Herrn, ein Zion des Heiligen in Israel.
Denn darum, daß du bist der Verlassene und Gehassete
gewesen, da niemand ging, will ich dich zur Pracht ewiglich machen
und zur Freude für und für; daß du sollst Milch von den Heiden
saugen, und der Könige Brüste sollen dich säugen; auf daß du
erfahrest, das Ich, der Herr, bin dein Heiland, und Ich, der
Mächtige in Jakob, bin dein Erlöser. Ich will Gold anstatt des
Erzes, und Silber anstatt des Eisens bringen, und Erz anstatt
–   110   –

des Holzes, und Eisen anstatt der Steine; und will machen, daß
deine Vorsteher Friede lehren sollen und deine Pfleger Gerechtig-
keit predigen. Man soll keine Frevel mehr hören in deinem Lande,
noch Schaden oder Verderben in deinen Grenzen; sondern deine
Mauern sollen Heil und deine Tore Lob heißen. Die Sonne
soll nicht mehr des Tags dir scheinen, und der Glanz des Mondes
soll dir nicht leuchten; sondern der Herr wird dein ewiges Licht
und dein Gott wird dein Preis sein. Deine Sonne wird nicht
mehr untergehen noch dein Mond den Schein verlieren; denn
der Herr wird dein ewiges Licht sein, und die Tage deines Leides
sollen ein Ende haben. Und dein Volk sollen eitel Gerechte sein
und werden das Erdreich ewiglich besitzen; als die der Zweig
meiner Pflanzung und das Werk meiner Hände sind, zum Preise.
Aus dem Kleinsten sollen Tausend werden und aus dem Ge-
ringsten ein mächtiges Volk. Ich, der Herr, will solches zu seiner
Zeit eilends ausrichten.“
Von diesem Kapitel lernen wir: Zuerst, daß in den letzten
Tagen eine Stadt gebaut werden soll, zu der nicht nur Israel,
sondern alle Völker der Heiden kommen werden; welche Heiden
oder Königreiche jener Stadt nicht dienen wollen, dieselben sollen
umkommen und die Heiden verwüstet werden; zweitens erfahren
wir, daß jene Stadt Zion eine Stadt des Herrn heißen soll;
drittens, daß sie der Ort seines Heiligtums, die Stätte seiner
Füße genannt werden wird; viertens, daß das beste Bauholz, als:
Tannen, Buchen und Buchsbaum, in großer Masse herzukommen
soll, um den Ort seines Heiligtums zu schmücken und die Stätte
seiner Füße herrlich zu machen; fünftens, daß die kostbarsten
Metalle in solchem Überflusse vorhanden sein werden, daß Gold
anstatt des Erzes, Silber anstatt des Eisens, Erz anstatt des
Holzes und Eisen anstatt der Steine sein wird; während ihre
Beamte Frieden lehren und ihre Pfleger Gerechtigkeit predigen
sollen. Frevel soll nicht mehr im Lande gehört werden, noch
Schaden oder Verderben in seinen Grenzen. Ihre Mauern sollen
Heil und ihre Tore Lob heißen; während die Herrlichkeit des
Herrn mitten in der Stadt an Glanz die Sonne übertreffen wird;
die Tage ihres Leidens sollen ein Ende haben, ihr Volk eitel
Gerechte sein und das Erdreich ewiglich besitzen, als die der Zweig
der Pflanzung des Herrn sind, zum Preise. Aus dem Geringsten
soll ein mächtiges Volk werden, und der Herr wird solches zu
seiner Zeit eilend ausrichten.
–   111   –

Der Psalmist David spricht von der Zeit, wo diese Stadt
aufgebaut werden wird, in seinem 102. Psalm, vom 14. bis
22. Vers: „Du wolltest dich aufmachen und über Zion erbarmen:
denn es ist Zeit, daß du ihr gnädig seiest, und die Stunde ist
gekommen. Denn deine Knechte wollten gerne, daß sie gebaut
würde, und sähen gerne, daß ihre Steine und Kalk zugerichtet
würden; daß die Heiden den Namen des Herrn fürchten und
alle Könige auf Erden deine Ehre; daß der Herr Zion bauet
und erscheint in seiner Ehre. Er wendet sich zum Gebet der Ver-
lassenen und verschmähet ihr Gebet nicht. Das werde geschrieben
auf die Nachkommen; und das Volk, das geschaffen soll werden,
wird den Herrn loben. Denn er schauet von seiner heiligen Höhe,
und der Herr siehet von Himmel auf Erden; daß er das Seufzen
des Gefangenen höre und los mache die Kinder des Todes; auf
daß sie zu Zion predigen den Namen des Herrn und sein Lob
zu Jerusalem; wenn die Völker zusammenkommen und die König-
reiche dem Herrn zu dienen.“
Aus dieser Schriftstelle erfahren wir: Zuerst, daß eine Zeit
bestimmt ist, um Zion oder die Stadt, von der Jesaias spricht,
aufzubauen, nämlich gerade vor dem zweiten Kommen Christi; und
daß, wenn die Stadt erbauet ist, der Herr in seiner Herrlichkeit,
und nicht vorher, erscheinen wird. Deshalb behaupten wir, daß,
wenn eine solche Stadt nie gebaut wird, der Herr nie kommen
wird. Zweitens erfahren wir, daß die Völker zusammenkommen
und die Königreiche sowohl in Zion wie in Jerusalem dem Herrn
dienen werden; drittens, daß dieser Psalm ausdrücklich für die
Nachkommen geschrieben wurde, und das Volk, das geschaffen werden
soll, es lesen, erfüllt sehen und den Herrn ewiglich loben wird.
Ich will jetzt die Aufmerksamkeit des Lesers auf einen Teil
des 13. Kapitels der Urkunde Ethers lenken, die im Buche
Mormon, Seite 600, enthalten ist. „Denn Ether sagte ihnen
wahrlich von allen Dingen, von der Erschaffung des Menschen an,
daß dieses Land, nachdem die Gewässer an dessen Oberfläche
verlaufen wären, ein vor allen andern Ländern ausgewähltes
Land wurde, ein vom Herrn erwähltes Land; weshalb der Herr
haben wollte, daß alle Menschen, die es bewohnten, ihm dienen
sollten, und daß es der Ort des neuen Jerusalems wäre, das
vom Himmel herabkommen und das Heiligtum des Herrn sein
würde.   Seht,   Ether   sah   die   Tage   Christi   und   sprach   von
einem neuen Jerusalem auf diesem Lande; und er sprach auch
–   112   –

von dem Hause Israel und Jerusalem, von welchem Lehi kommen
würde: nachdem es zerstört wäre, sollte es wieder dem Herrn
als eine heilige Stadt erbaut werden; deshalb konnte es nicht
ein neues Jerusalem sein, denn es war vor alten Zeiten ge-
wesen, aber es sollte wieder aufgebaut und eine heilige Stadt
des Herrn werden; und es sollte dem Hause Israel gebaut werden;
daß ein neues Jerusalem in diesem Hause aufgebaut werden sollte
für die Überbleibsel der Nachkommen Josephs, für welches es ein
Sinnbild gewesen ist; denn als Joseph seinen Vater ins Ägypten-
land hinabbrachte, so starb er da; weshalb der Herr einen Über-
bleibsel der Nachkommen Josephs aus dem Lande brachte, damit
er den Nachkommen Josephs gnädig sein könne, daß sie nicht
umkämen, ebenso war er den Vater Josephs gnädig, daß er nicht
umkommen sollte; deshalb sollen die Überbleibsel des Hauses
Josephs auf dieses Land gebaut werden; und es soll ein Land
ihres Eigentums sein; und sie sollen dem Herrn eine heilige
Stadt bauen, ebenso wie das heilige Jerusalem; und sie sollen
nicht mehr verwirrt werden, bis das Ende kommt, wo die Erde
vergehen wird.
Und es wird ein neuer Himmel und eine neue Erde sein,
und diese werden den alten gleich sein, nur daß die alten ver-
gangen und alle Dinge neu geworden sind. Und dann kommt
das neue Jerusalem, und gesegnet sind diejenigen, welche darin
wohnen, denn diese sind diejenigen, deren Gewänder durch das
Blut des Lammes weiß sind; und diese sind die, welche unter die
Überbleibsel der Nachkommen Josephs gezählt werden, die vom
Hause Israel waren. Und dann kommt auch das alte Jerusalem
und dessen Einwohner, gesegnet sind sie, denn sie sind im Blute
des Lammes gewaschen worden; und diese sind diejenigen, die
zerstreut waren und von den vier Enden der Erde heimgeführt
wurden und von den nördlichen Ländern, und Teilnehmer an der
Erfüllung des Bundes sind, welchen Gott mit ihrem Vater Abra-
ham machte. Und wann diese Dinge kommen, dann geht die
Schrift in Erfüllung, welche sagt: „Die, welche die Ersten waren,
sollen die Letzten sein, und die Letzten sollen die Ersten sein.“
Diese Prophezeiung sagt uns: Erstens, daß Amerika ein vor
allen Ländern auserwähltes Land des Herrn ist. Zweitens, daß
es der Ort des neuen Jerusalems ist, welches von Gott aus dem
Himmel auf die erneuerte Erde herabfahren wird. Drittens, daß
in Amerika dem übriggebliebenen Teile Josephs, ähnlich dem
–   113   –

Muster des alten Jerusalems im Lande Kanaan, ein neues
Jerusalem gebaut und zu gleicher Zeit auch das alte Jerusalem
wieder aufgebaut werden soll. Nach diesem werden beide Städte
auf Erden in Wohlstand bleiben, bis die große und letzte Ver-
änderung eintritt, wann ein neuer Himmel und eine neue Erde
sein wird. Viertens erfahren wir, daß, wann diese Veränderung
stattfindet, die zwei Städte und deren Einwohner in den Himmel
genommen, verändert und neu gemacht werden, und daß die eine
auf Amerika und die andre auf ihren alten, früheren Ort herab-
fährt, und fünftens erfahren wir, daß die Einwohner dieser beiden
Städte dieselben sind, die sich wieder sammelten und sie zuerst
aufbauten. Der übriggebliebene Teil Josephs und diejenigen,
die mit ihnen sich sammelten, erben das neue Jerusalem. Und
die Stämme Israels, die von den nördlichen Ländern und von
den vier Enden der Erde versammelt wurden, bewohnen das andre;
und nachdem nun so alle Dinge neu geworden, finden wir, daß
diejenigen, die einst Fremdlinge und Pilger auf Erden waren,
im Besitz jenes von ihnen erhofften bessern Landes und Stadt sind.
Wir wollen nun zur Offenbarung Johannes zurückkehren
und die neue Stadt untersuchen und sehen, ob sie dem Muster gleicht,
das sie vor ihrer letzten Veränderung darbot. Offenbarung 21:
„Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Denn
der erste Himmel und die erste Erde verging, und das Meer ist
nicht mehr. Und ich, Johannes, sah die heilige Stadt, das neue
Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabfahren, bereitet als
eine geschmückte Braut ihrem Manne. Und hörte eine große
Stimme von dem Stuhl, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes
bei den Menschen: und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden
sein Volk sein; und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein.
Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen; und der
Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerzen
wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem
Stuhle saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu. Und er spricht
zu mir: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiß.
Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das
O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben
von dem Brunnen des lebendigen Wassers umsonst. Wer über-
windet, der wird alles ererben; und ich werde sein Gott sein, und
er wird mein Sohn sein. Der Verzagten aber und Ungläubigen,
und Greulichen, und Totschläger, und Hurer, und Zauberer, und
–   114   –

Abgöttischen, und aller Lügner, deren Teil wird sein in dem Pfuhl,
der mit Feuer und Schwefel brennet; welches ist der andre Tod.
Und es kam zu mir einer von den sieben Engeln, welche die
sieben Schalen voll hatten der letzten sieben Plagen; und redete
mit mir und sprach: Komm, ich will dir das Weib zeigen, die
Braut des Lammes. Und führte mich hin im Geiste auf einen
großen und hohen Berg; und zeigete mir die große Stadt, das
heilige Jerusalem, herniederfahren aus dem Himmel von Gott;
die hatte die Herrlichkeit Gottes; und ihr Licht war gleich dem
alleredelsten Stein, einem hellen Jaspis; und hatte eine große
und hohe Mauer, und hatte zwölf Tore und auf den Toren zwölf
Engel, und Namen darauf geschrieben, nämlich der zwölf Ge-
schlechter der Kinder Israels. Vom Morgen drei Tore, von Mitter-
nacht drei Tore, vom Mittag drei Tore, vom Abend drei Tore.
Und die Mauer der Stadt hatte zwölf Gründe und auf den-
selbigen die Namen der zwölf Apostel des Lammes; und der mit
mir redete, hatte ein gülden Rohr, daß er die Stadt messen sollte,
und ihre Tore und Mauern. Und die Stadt liegt viereckig, und
ihre Länge ist so groß als die Breite. Und er maß die Stadt
mit dem Rohr auf zwölftausend Feldweges. Die Länge und die
Breite und die Höhe der Stadt sind gleich. Ihre Mauern,
hundertundvierundvierzig Ellen nach dem Maße eines Menschen,
das der Engel hat. Und der Bau ihrer Mauern war von Jaspis
und die Stadt von lauterem Golde, gleich dem reinen Glase. Und
die Gründe der Mauern und der Stadt waren geschmückt mit
allerlei Edelgesteine. Der erste Grund war ein Jaspis, der andere
ein Saphir, der dritte ein Chalzedonier, der vierte ein Smaragd,
der fünfte ein Sardonix, der sechste ein Sarder, der siebente ein
Chrysolith, der achte ein Berill, der neunte ein Topas, der zehnte
ein Chrysopras, der elfte ein Hyazinth, der zwölfte ein Amethyst.
Und die zwölf Tore waren zwölf Perlen, und ein jegliches Tor
war von einer Perle; und die Gassen der Stadt waren lauter
Gold, als ein durchscheinend Glas. Und ich sah keinen Tempel
darinnen, denn der Herr, der allmächtige Gott, ist ihr Tempel und
das Lamm. Und die Stadt bedarf keiner Sonne noch des Mondes,
daß sie ihr scheinen; denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie,
und ihre Leuchte ist das Lamm. Und die Heiden, die da selig
werden, wandeln in demselbigen Licht. Und die Könige auf Erden
werden ihre Herrlichkeit in dieselbige bringen. Und ihre Tore
werden nicht verschlossen des Tages, denn da wird keine Nacht
–   115   –

sein. Und man wird die Herrlichkeit und die Ehre der Heiden
in sie bringen. Und wird nicht hineingehen irgendein Gemeines
und das da Greuel tut und Lüge; sondern die geschrieben sind
in dem Lebensbuch des Lammes.“ Auch in dem 22. Kapitel sagt
er: „Und er zeigte mir einen lautern Strom des lebendigen
Wassers, klar wie ein Kristall, der ging von dem Stuhl Gottes
und des Lammes. Mitten auf ihrer Gasse und auf beiden Seiten
des Stromes stand Holz des Lebens, das trug zwölfmal Früchte
und brachte seine Früchte alle Monate; und die Blätter des Holzes
dieneten zu der Gesundheit der Heiden. Und wird kein Verbanntes
mehr sein; und der Stuhl Gottes und des Lammes wird darinnen
sein; und seine Knechte werden ihm dienen und sehen sein An-
gesicht; und sein Name wird an ihren Stirnen sein. Und wird
keine Nacht da sein; und werden nicht bedürfen einer Leuchte
oder des Lichts der Sonne; denn Gott der Herr wird sie er-
leuchten, und sie werden regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Und er sprach zu mir: ’Diese Worte sind gewiß und wahrhaftig.
Und der Herr, der Gott der Geister der Propheten, hat seinen
Engel gesandt, zu zeigen seinen Knechten, was bald geschehen muß.
Siehe, ich komme bald. Selig ist, der da hält die Worte der
Weissagung in diesem Buche.‘“
Aus dieser schönen Beschreibung erfahren wir: daß die neue
Erde nicht durch Gewässer getrennt sein wird, folglich der heutige
östliche und westliche Kontinent ein Land bilden werden. Der
Herr wird nicht nur Himmel und Erde, sondern alle Dinge neu
machen (natürlich mit Einschluß der Städte Jerusalem und Zion,
wo seine Hütte mehr als tausend Jahre gewesen war). Die
Stadt wird viereckig und mit zwölf Toren, mit den Namen der
zwölf Stämme Israels eingefügt, versehen sein; vom Morgen drei
Tore, von Mitternacht drei Tore, vom Mittag drei Tore, vom
Abend drei Tore; genau nach derselben Weise, wie es während
der tausend Jahre nach der Beschreibung Hesekiels bestehen wird.
Sie wird aus kostbaren Steinen und feinem Golde, gleichwie
die temporäre Stadt nach der Beschreibung Jesajas, bestehen. Ein
lauterer Strom des lebendigen Wassers, klar wie Kristall, wird
von dem Stuhle Gottes und des Lammes ausgehen und durch
die neue Stadt, gleich, wie nach der Beschreibung Hesekiels, dem
lebendigen Wasser aus dem Heiligtum der temporären Stadt, aus-
fließen. Das Holz des Lebens wird auf beiden Seiten des Flusses
stehen; das selbige Holz, welches einst die zwölferlei Früchte ge-
–   116   –

tragen haben wird und seine Blätter für die Gesundheit der
Nationen waren. Doch jetzt, wann Johannes sie sieht, bedürfen
die Völker keiner Heilung mehr, denn der Tod ist nicht mehr,
noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerzen, denn das Erste ist ver-
gangen und alles neu geworden, folglich spricht er in der Ver-
gangenheit und sagt, sie dieneten zur Gesundheit der Heiden;
er weist natürlich auf die Zeiten zurück, in welchen sie sich nach
der Beschreibung Hesekiels in dem temporären Zustand befanden,
vor ihrer letzten Veränderung.
Von den Dingen, von denen wir gesprochen, ist folgendes
der Inhalt: Hesekiel und die andern Propheten haben uns eine
Ansicht der Städte Zion und Jerusalem gegeben, wie sie während
der Ruhe des tausendjährigen Reiches, des sogenannten Millenniums,
sein werden; und Johannes hat uns eine Ansicht derselben Städte
nach ihrer letzten Veränderung gegeben, wenn sie von Gott aus
dem Himmel herabfahren und auf der Erde ruhen wird. Aber
Ether hat uns einen kurzen Abriß von demselben gegeben, wie sie
sein werden, sowohl in ihrem zeitlichen, als auch in ihrem ewigen
Zustande; und er hat uns genau von ihrer ersten und letzten
Lage erzählt; nämlich des neuen Jerusalems in Amerika, von dem
übriggebliebenen Teil Josephs und von denen bewohnt, die sich mit
ihnen versammeln, ihre Kleider gewaschen und sie weiß gemacht haben
im Blute des Lammes: und des andern Jerusalems, auf seiner
früheren Stelle vom Hause Israel bewohnt, die von den nördlichen
Ländern und von den vier Enden der Erde, wo sie zerstreut waren,
gesammelt wurden und ihre Kleider gewaschen und weiß gemacht
haben im Blute des Lammes. Und somit ist nun die Sache beendigt.
Ich will nur noch sagen, daß die Regierung der Vereinigten
Staaten mehr als 9 Jahre beschäftigt gewesen ist, den übrig-
gebliebenen Teil Josephs gerade auf denselben Ort zu versammeln,
wo sie endlich mit Hilfe der Heiden, die sie von allen Teilen des
Landes sammeln, ein neues Jerusalem, eine Stadt Zions, auf-
bauen werden; und dieses Sammeln wird endlich im Buch Mormon
und in andern Offenbarungen geweissagt, sowie auch der vorher-
bestimmte Ort und die genaue Zeit ihrer Erfüllung; und wenn
nicht die Heiden wegen all ihrer Greuel Buße tun und den-
selben und annehmen, so werden sie von diesem Lande gänzlich
vertilgt werden, wie es im Jesaias geschrieben steht: „Denn welche
Heiden oder Königreiche dir nicht dienen wollen, die sollen um-
kommen, und die Heiden verwüstet werden.“
–   117   –

So wie auch der Apostel Nephi in dem 21. Kapitel seiner
Urkunde geschrieben hat: „Und wahrlich ich sage euch, ich gebe euch
ein Zeichen, daß ihr die Zeit kennen mögt, wann diese Dinge
stattfinden sollen, daß ich von seiner langen Zerstreuung mein Volk,
o Haus Israel, heimführen und unter ihnen mein Zion wieder
errichten werde. Und seht, dieses ist es, was ich euch als ein Zeichen
geben werde, denn wahrlich, ich sage euch, daß, wenn diese Dinge,
welche ich euch verkünde, und welche ich euch späterhin von mir
selbst und durch die Macht des Heiligen Geistes, welche euch vom
Vater gegeben werden soll, verkündigen werde, zu den Heiden ge-
langt sind, daß sie in betreff des Volkes wissen mögen, welches ein
Überbleibsel vom Hause Jakob ist, und in betreff dieses meines
Volkes, welches von ihnen zerstreut werden soll; wahrlich, wahr-
lich, ich sage euch, wenn diese Dinge ihnen vom Vater bekannt-
gemacht und durch den Vater von ihnen zu euch gelangen werden;
denn es ist der Weisheit des Vaters gemäß, daß sie in diesem
Lande sich ansiedeln und durch die Macht des Vaters als ein
freies Volk bestehen sollten, damit diese Dinge von ihnen zu einem
Überbleibsel eurer Nachkommen gelangen möchten, um den Bund
des Vaters zu erfüllen, welchen er mit seinem Volke, dem Hause
Israel, gemacht hat; daher, wenn diese Werke und die Werke,
die unter euch nach diesem geschehen werden, von den Heiden auf
eure Nachkommen gelangen und die der Sünden halber in Un-
glauben fallen werden; denn so geziemt es dem Vater, daß es
von den Heiden hervorgehen sollte, damit er seine Macht den
Heiden zeige, damit die Heiden, wenn sie nicht ihre Herzen ver-
stocken wollen, sich bekehren und zu mir kommen mögen und in
meinem Namen getauft werden, und die wahren Grundsätze
meiner Lehre erkennen, damit sie zu meinem Volke, dem Hause
Israel, gerechnet werden können; und wenn diese Dinge geschehen,
daß deine Nachkommen anfangen, dieselben zu kennen, so soll es
ihnen ein Zeichen sein, daß sie wissen mögen, daß das Werk des
Vaters für die Erfüllung des Bundes, welchen er mit dem Hause
Israel gemacht, schon angefangen hat.
Und wenn dieser Tag kommen wird, dann wird es geschehen,
daß Könige ihren Mund halten werden; denn was ihnen nicht
gesagt worden ist, sollen sie sehen; und das, was sie nicht gehört
haben, sollen sie bedenken. Denn an dem Tage wird der Vater
um meinetwillen ein Werk tun, welches ein großes und wunder-
bares Werk unter ihnen sein wird; und es werden welche unter
–   118   –

ihnen sein, die es nicht glauben wollen, obgleich jemand es ihnen
verkünden wird. Aber seht, das Leben meines Dieners soll in
meiner Hand sein; deshalb sollen sie ihm keinen Schaden zufügen;
obwohl er um ihretwillen entstellt wird. Doch werde ich ihn
heilen, denn ich will ihnen zeigen, daß meine Weisheit größer als
die List des Teufels ist. Daher wird es geschehen, daß alle, die
meinen Worten nicht glauben wollen, der ich Jesus Christus bin,
Worte, welche der Vater durch ihn an die Heiden gelangen lassen
und ihm Macht geben wird, sie zu den Heiden zu bringen (es
wird geschehen, eben wie Moses sagte), diese sollen aus meinem
Bundesvolke vertilgt werden. Und mein Volk, welches ein Über-
bleibsel Jakobs ist, soll unter den Heiden sein; ja mitten unter
ihnen, wie ein Löwe unter den Tieren des Waldes, wie ein junger
Löwe unter den Schafherden, der, wenn er hindurchgeht, alles
zertritt und in Stücke zerreißt, dem niemand widerstehen kann.
Ihrer Hand soll sich über ihre Gegner erheben, und alle ihre
Feinde sollen vertilgt werden. Ja, wehe den Heiden, wenn sie
sich nicht bekehren, denn es wird sich an dem Tage begeben, sagt
der Vater, daß ich deine Pferde aus deiner Mitte vertilgen und
deine Wagen verderben werde und die Städte deines Landes, und
alle deine Festungen zerstören; ich werde die Zauberei aus deiner
Hand nehmen und du sollst keine Wahrsager mehr haben. Deine
gehauenen Bilder werde ich auch zerstören und deine Bildsäulen
aus deiner Mitte reißen, und du sollst nicht länger die Werke
deiner Hände anbeten; deine Haine werde ich aus deiner Mitte
pflücken, so will ich deine Städte zerstören. Alle Lügen, Be-
trügereien, Neid und Streit und Pfaffentrug und Hurerei sollen
abgeschafft werden. Denn es wird geschehen, sagt der Vater, daß
alle, die an dem Tage sich nicht bekehren und zu meinem ge-
liebten Sohn kommen wollen, die will ich aus meinem Volke,
o Haus Israel, vertilgen; und ich will Rache und Wut, so wie
sie nie zuvor empfunden haben, an ihnen ebenso wie an den
Heiden ausüben.
Aber wenn sie sich bekehren und auf meine Worte hören
und ihre Herzen nicht verstocken wollen, dann will ich meine Kirche
unter ihnen gründen, und sie sollen in den Bund aufgenommen
und unter diese die Überbleibsel Jakobs gerechnet werden, denen
ich dieses Land als Erbteil gegeben habe, und sie sollen meinem
Volke, dem Überbleibsel Jakobs, und auch allen, die vom Hause
Israel kommen werden, helfen, eine Stadt bauen, welche das neue
–   119   –

Jerusalem genannt werden soll; und dann sollen sie meinem
Volke, welches im ganzen Land zerstreut ist, helfen, sich in dem
neuen Jerusalem zu versammeln, und dann wird die Macht des
Himmels unter sie herabkommen, und ich werde auch in ihrer
Mitte sein. An dem Tage, wenn dieses Evangelium unter dem
Überbleibsel dieses Volks gepredigt werden wird, soll das Werk
des Vaters beginnen. Wahrlich, ich sage euch, an jenem Tage wird
das Werk unter allen Zerstreuten meines Volkes anfangen, ja
selbst unter den verlorenen Stämmen, welche der Vater aus
Jerusalem hinweggeführt hat. Ja, das Werk des Vaters wird
unter allen Zerstreuten meines Volkes anfangen, um den Weg zu
bereiten, auf welchem sie zu mir gelangen, und damit sie den
Vater in meinem Namen anrufen können; ja, und dann mit dem
Vater soll das Werk unter allen Völkern anfangen, um den Weg
zu bereiten, wodurch sein Volk zum Lande seines Erbteils heim-
geführt werden soll. Und sie sollen von allen Völkern ausgehen,
und sie sollen nicht die Eile ausgehen noch auf der Flucht, denn
ich will vor ihnen hergehen, sagt der Vater, und ihr Schild im
Rücken sein“ (3. Nephi 21).
„O, du übriggebliebener Teil Josephs, dein Geheimnis ist
offenbar, du, der du von den Heiden verachtet, geschlagen, zer-
streut und vertrieben warest von Ort zu Ort, bis deiner nur
wenig waren! Du Elende, über die alle Wetter gehen, und du
Trostlose, erhebe dein Haupt und freue dich, denn deine Errettung
ist nahe; ja, wir haben deine Urkunde gefunden, die Orakel Gottes,
die einst deine Vorfahren erhalten hatten, die lange vor dir wegen
des Unglaubens verborgen gewesen waren. Siehe, sie sollen dir
wiedergegeben werden; dann sollst du Freude empfinden; denn
du wirst wissen, daß es ein Segen aus der Hand Gottes ist;
und die Schuppen der Finsternis werden von deinen Augen fallen;
und die Heiden werden keine Macht mehr über dich haben; sondern
du wirst von ihnen gesammelt, aufgebaut und ein angenehmes
Volk werden; die Zeit ist gekommen; ja, das Werk hat schon
angefangen; denn wir haben dich gesammelt aus allen Teilen des
Landes an den Ort, wo, nach Gottes Bestimmung, die Heiden
dich sammeln sollten; deshalb lege deine Waffen nieder, höre auf,
mit den Heiden zu streiten bei dem Sammeln deiner verschiedenen
Stämme, denn die Hand deines großen Gottes ist in allem diesem;
es wurde alles von deinen Vorfahren vor zehntausend Monden
geweissagt. Laßt sie daher ruhig diese letzte Handlung der Güte
–   120   –

erfüllen, als eine Art Vergeltung für die Beleidigungen, die du
von ihnen erfahren hast.
Mit den gemischten Gefühlen der Freude und des Schmerzes
denke ich an diese Dinge. Mit Schmerz, wann ich denke, wie
du geschlagen worden bist; mit Freude, wann ich bedenke, welche
glückliche Veränderung dich erwartet; und wiederum mit Schmerz,
wenn ich meine Gedanken auf die fürchterliche Vernichtung richte,
welche die Heiden erwartet, wenn sie nicht Buße tun. Doch die
ewigen Pläne Jehovas müssen ihren Fortgang nehmen, bis alle
ihre Verheißungen erfüllt sind, und niemand kann es verhindern;
daher, o Gott, dein Wille geschehe.“ – Doch während ich noch bei
diesem Gegenstand verweile mit Empfindungen, die sich leichter
fühlen als beschreiben lassen, dünkt es mir, als höre ich das Klage-
lied des Indianers in seinen heimatlichen Wäldern widerhallen:
O großer Geist der Väter! Hör' das Rufen
Der roten Männer, die sich flehend suchen.
Schwer war dein Geißeln, matt ist unser Sinn,
Wann bannest du den Zorn, wann deinen Grimm?
Wann wird der Weißen Gier erschlaffen
Und unsern Überrest in Frieden lassen?
Treibt uns das Schicksal nach dem fernen Strand,
Dort zu erlöschen, aller Hoffnung fremd?
Erbarmen! Großer Geist, wir bitten Gnade,
Die längst verborg'ne Wahrheit offenbare,
Erhör' dein Volk, laß es nicht ganz verderben,
Das Reich des Friedens sende bald auf Erden!
_____________

Kapitel 6.
Wie verfährt Gott mit allen Völkern in bezug auf
Offenbarungen?
„Und er hat gemacht, daß von einem Blut aller Menschen
Geschlechte auf dem ganzen Erdboden wohnen; und hat Ziel gesetzt
und vorgesehen, wie lange und weit sie wohnen sollen; daß sie
den Herrn suchen sollten, ob sie doch ihn finden und fühlen möchten.
Und zwar ist er nicht ferne von einem jeglichen unter uns; denn
in ihm leben, weben und sind wir.“
Apostelgeschichte 17:26–28.
Dieser Text lehrt uns: Erstens, daß alle Völker von einem
Blute gemacht sind; zweitens, daß sie auf dem ganzen Erdboden
–   121   –

wohnen sollen (Amerika nicht ausgenommen); drittens, daß der
Herr das Ziel gesetzt, wie sie wohnen sollen, das heißt, er hat
die Erde unter seine Kinder verteilt, indem er jedem Volke den
Teil gab, der ihm dünkte; – zum Beispiel das Land Kanaan
an Israel; den Berg Seir an Esau; Arabien an Ismael; Amerika
an den übriggebliebenen Teil Josephs usw., wie ein Vater ein
großes Stück Land an seine verschiedenen Kinder austeilt; und
viertens, daß er allen Völkern der Erde das Vorrecht gegeben
hat, ihn zu fühlen und zu finden, da er nicht so sehr weit von
allen ist, sie mögen in Asien, Afrika, Europa oder Amerika oder
auch auf den Inseln des Meeres sein. Wenn nun ein Volk in
irgendeinem Zeitalter der Welt oder in irgendeinem Teile der
Erde zufällig sein Vorrecht benutzen würde, was würde es dann
erhalten? Ich antworte: Offenbarung; aus dem einfachen Grunde,
weil kein Volk Gott jemals auf eine andre Weise fand noch
jemals finden wird; wenn sie also Gott fanden, so fanden sie ihn
durch Offenbarung, die unmittelbar von ihm kam, indem er ihnen
seinen Willen offenbarte; und wenn sie ihn nicht auf diese Weise
fanden, so kannten sie ihn niemals; und wenn sie Offenbarungen
erhielten, so hatten sie das Vorrecht, sie aufzuschreiben, Urkunden
von denselben anzulegen und sie ihren Kindern zu lehren; und
diese Urkunde war heilig, weil sie das Wort Gottes enthielt; und
so war es eine heilige Bibel, gleichviel, ob sie von den
Juden, den zehn Stämmen, den Nephiten oder den Heiden ge-
schrieben war. Mir ist das Evangelium von Nephi, Mormon,
Moroni oder Alma so lieb wie das Evangelium von Matthäus,
Markus, Lukas oder Johannes. Ferner würde ich ebenso gern an
eine in Amerika wie an eine in Asien gegebene Offenbarung
glauben; denn wenn ein Volk keine Offenbarungen erhielt, so
geschah es, weil sie niemals ihr Vorrecht benutzten.
Warum wurde nun aber irgendein Volk von Zeit zu Zeit
in Finsternis gelassen, ohne das Licht der Offenbarung zu haben?
Ich antworte: Weil ihre Vorfahren zu irgendeiner Zeit der
Welt Offenbarungen verwarfen, die Propheten ausstießen und
töteten und gegen die Dinge Gottes taub wurden, bis Gott
das, was sie besaßen, von ihnen nahm, es einem andern Volk
gab und sie von Geschlecht zu Geschlecht in Unwissenheit zunehmen
ließ, bis er es für passend hielt, wieder sein Licht und seine
Wahrheit jenem Volke zu senden; doch die, welche das Licht nicht
verwerfen, sind unter keiner Verdammnis; und die Barmherzigkeit
–   122   –

Gottes hat Anspruch auf sie, durch das Blut Christi, das die
Sünden der Welt versöhnt. Die Heiden, die niemals das Licht
einer Offenbarung gehabt haben, werden durch das Blut Christi
selig werden; indes ihre Vorfahren, die das Licht verwarfen, ver-
dammt sind; denn ihre Verdammung geschah, weil sie das Licht,
sobald es erschien, verwarfen.
In bezug auf diesen Gegenstand wollen wir nun die Ge-
schichte der verschiedenen Zeitalter untersuchen. Am Morgen der
Schöpfung hatten die Menschen Licht durch unmittelbare Offen-
barungen, denn Adam, Kain und Abel sprachen mit Gott. In
dem folgenden Zeitalter hatten die Menschen Licht durch Offen-
barungen, denn Enoch wandelte mit Gott und sah nicht nur
das Kommen Christi, sondern auch seine zweite Zukunft und rief
aus: „Siehe, der Herr kommt mit viel tausend Heiligen, Gericht
zu halten über alle, und zu strafen alle ihre Gottlosen“, wie es
in der Epistel Judä heißt. Daraus gehet hervor, daß Enoch
wußte und in betreff des Messias mit der ganzen Deutlichkeit
eines Apostels prophezeite. Ferner gab es zu Noahs Zeit positive
Offenbarung; und doch waren alle diese Heiden, oder vielmehr,
Jakob war noch nicht von dem Engel mit dem Namen Israel
belegt worden. Wenn nun so viele Heiden das Vorrecht hatten,
das Wort des Herrn zu erhalten und durch Offenbarungen Er-
kenntnis des wahren Gottes zu haben, so haben auch alle übrigen
dasselbe Vorrecht; und wenn sie nun so in Finsternis gerieten
und Götzen anbeteten, bis Gott sie alles Unreine mit Gier tun
ließ und ihnen endlich die Orakel Gottes nahm und sie Abraham
gab, so geschah es, weil sie dieselben lange verworfen und sich
ihrer unwürdig gemacht hatten; so daß von den Tagen Israels
an die Orakel Gottes mehr ausschließlich dem auserwählten
Samen anzugehören schienen, der eben zu jenem Zwecke aus-
erwählt war, namentlich, damit ihnen die Orakel Gottes, das
Priestertum, der Gottesdienst und die Verheißungen anvertraut
werden könnten, die von Anfang an unter den Heiden, die sich
solcher Segnungen unwürdig gemacht hatten, gewesen waren.
Aber im Laufe der Zeit hatte sich Israel solcher fortdauernder
Segnungen dadurch unwürdig gemacht, daß sie die Propheten
steinigten und töteten und den Messias und alle die, welche Gott
ihnen sandte, verwarfen, bis zuletzt der Herr ihnen, als ein Volk,
das Reich nahm und es wieder den Heiden gab; indem er nun
mittlerweile die Unwissenheit gänzlich unbeachtet ließ, in der die
–   123   –

Heiden gewesen waren von der Zeit an, da das Königreich ihnen
genommen ward, bis er es ihnen wieder zurückerstattete. Sobald
aber das Reich Gottes den Heiden wiedergegeben war, befahl er
ihnen allen, Buße zu tun, wenn nicht, würden sie unter der Ver-
dammung stehen, doch nicht vorher. Doch sobald das Reich von
den Juden genommen war, verschwanden auch die Früchte unter
ihnen, und sie wurden unter alle Völker der Erde zerstreut, wo sie
nicht wieder die Stimme der göttlichen Eingebung hörten, die ihnen
befahl, Buße zu tun. Wenn irgendein Heide ihnen befahl, Buße
zu tun und sich taufen zu lassen (im Namen des Herrn), ohne eine
göttliche Eingebung und den Befehl dazu zu haben, so war es ein
an ihnen verübter Betrug. Nicht etwa, weil die Buße unrecht war,
sondern der Betrug bestand darin, daß jene vorgaben, mit einer
Botschaft gesandt zu sein, trotzdem es nicht der Fall war. – Denn
sobald Gott den Menschen befiehlt, Buße zu tun,
so sendet er jemand mit dem Befehle aus, um die
zu lehren, für die er bestimmt ist; und wenn er
ihnen so etwas nicht befiehlt, so verlangt er es
nicht von ihnen
. Jeder, der da sagt, daß den Juden, als
einem Volke, befohlen worden ist, Buße zu tun und sich taufen
zu lassen, während der letzten siebenzehnhundert Jahre, sagt
etwas, was er nicht beweisen kann, außer er beweist, daß inner-
halb jener Zeit eine neue Offenbarung gewesen ist, durch welche
einige einen solchen Auftrag erhielten; auch wird kein Geschlecht
der Juden, das seit der Zeit war, in welcher die göttlichen Ein-
gebungen aufhörten, verdammt werden, weil sie irgendeine Bot-
schaft von Gott verworfen haben, denn er hat keinen Boten zu
ihnen gesandt, folglich haben sie keinen verworfen; doch ihre Vor-
fahren, die das Göttliche verwarfen, sind verdammt.
Wann ferner Menschen mit dem Evangelium an die Heiden
gesandt wurden, so ward ihnen befohlen, Buße zu tun; und dieser
Befehl war immer in Kraft, wenn Menschen predigten, die von
der richtigen Autorität gesandt und vom Heiligen Geist inspiriert
wurden; als sie aber die Apostel und die inspirierten Männer
getötet und ihre Vorrechte mißbraucht hatten, bis Gott sie ihnen
wegnahm und sie ohne göttliche Eingebung ließ, dann wurde
jenes Geschlecht der Sünde überantwortet; und denen, welche
seitdem die Bühne des Lebens betreten haben, ist niemals befohlen
worden, Buße zu tun und sich taufen zu lassen (außer es geschah
durch eine Offenbarung), und jeder, der da sagt, daß Gott einem
–   124   –

Heiden befohlen hat, Buße zu tun und das Evangelium zu be-
folgen, seit den Tagen, wo die göttliche Eingebung aufhörte, oder
seit der Zeit, wo die Apostel und Propheten nicht mehr unter
den Menschen waren, sagt etwas, was er nicht beweisen kann,
außer er beweist, daß eine spätere Offenbarung seit jener Zeit
gegeben worden ist, durch welche die Menschen mit einer Botschaft
zu den Heiden gesandt wurden.
Gott verlangt nämlich nur das von einem Geschlecht, was
er ihm befiehlt, und ein Geschlecht, dem nichts offenbart oder
an das er nicht Männer mit einer Botschaft (von sich) sendet,
braucht keine Botschaft zu befolgen und keine zu verwerfen; und
mithin sind nur die moralischen Grundsätze von Recht und Unrecht
für sie bindend, die auf gleiche Weise zu allen Zeiten der Welt
bindend waren, nach der Erkenntnis, welche ein Volk von der
Rechtschaffenheit hat.
Aber in diesen letzten Tagen hat Gott wieder-
um vom Himmel gesprochen und Männer beauf-
tragt, zuerst zu den Heiden zu gehen und sie alle
zur Buße aufzufordern und das Evangelium zu
befolgen; und dann hat er ihnen auch befohlen,
zu den Juden zu gehen und sie aufzufordern,
Buße zu tun und das Evangelium zu befolgen,
auf diese Weise wiederbringend, was so lange von der Erde ver-
schwunden war; und überall, wo man diese Botschaft verkündigen
hört, muß das Volk Buße tun und sich taufen lassen; denn wer
Buße tut und sich taufen läßt, wird selig werden; und wer nicht an
ihr Zeugnis glaubt und Buße tut und sich taufen läßt, wird ver-
dammt werden, aus dem einfachen Grund, weil Gott sie durch
Offenbarung mit eben dieser Botschaft zu eben diesem Geschlecht
gesandt hat, und wer den Geringsten von Gottes Abgeordneten ver-
wirft, verwirft auch den, der ihn gesandt, und deshalb sind sie von
jener Zeit an verdammt. Doch die Botschaft, mit der Gott diese
Männer ausgesandt hat, ist nur für das Geschlecht, zu dem sie ge-
bracht ist, bindend, und ganz und gar nicht für die Toten und für
die, welche ins Jenseits gerufen wurden, ehe sie erschien; noch ist sie
für ein späteres Geschlecht bindend, es sei denn, daß Gott Männer
erweckt und sie zu ihnen mit demselben Evangelium sendet, dann
wird jenes Geschlecht, zu dem er sie sendet, selig oder verdammt
werden, je nachdem sie ihr Zeugnis annehmen oder verwerfen.
Häufig wird die Frage gestellt: Wenn Gott Menschen mit
–   125   –

gewissen Wahrheiten gesandt hat, welche für das Volk bindend
sind und ohne welche es nicht selig werden kann, was wird mit
den guten Menschen geschehen, die gestorben sind, ehe diese Bot-
schaft kam? Ich antworte: Wenn sie die Botschaft befolgten,
die Gott ihrem Geschlecht gesandt hat, so werden sie selig werden;
wo nicht, so werden sie verdammet werden; wenn aber Gott keine
Botschaft an jenes Geschlecht gesandt hat, dann haben sie keine ver-
worfen und werden folglich auch nicht verdammt werden; und sie
werden sich erheben, um dieses Geschlecht zu richten und es zu
verdammen; denn wenn sie dieselben Segnungen empfangen
hätten, die uns jetzt angeboten werden, so hätten sie sie ohne
Zweifel freudig aufgenommen. Das Prinzip der Verdam-
mung ist in allen Zeiten der Welt nichts andres, als
eben die Botschaft zu verwerfen, die Gott ihnen
sendet, während sie vorgeben, fest an dem zu hal-
ten, was er ihnen in früheren Zeiten gesandt hat
.
„Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler,
ihr schmückt die Gräber der Propheten und sagt: Wenn wir zu
den Zeiten unsrer Väter gelebt hätten, so würden wir nicht, wie
sie, die Propheten gesteinigt und getötet haben. Doch ihr selbst
seid Zeugen, daß ihr die Taten eurer Väter billigt; denn sie
töteten die Propheten und ihr bauet ihre Gräber auf.“ So lautete
das Zeugnis, das der Heiland den Juden gab, die fest an ihren
früheren Propheten zu halten vorgaben und zugleich Christum und
seine Apostel verwarfen. Und so ist es jetzt in unserem
Jahrhundert
. Ihr sogenannten Christen schmückt die Gräber
des Messias und seiner früheren Apostel, ihr bauet auch ihrem
Andenken schöne Kapellen und nennt sie: St. Pauls Kirche,
St. Peters Kirche, St. Johannis Kirche usw., wobei ihr sagt:
Wenn wir in den Tagen der Apostel gelebt hätten, so würden wir
sie nicht gesteinigt und getötet haben. Doch ihr selbst seid Zeugen,
daß ihr die Taten eurer Väter billigt, denn sie töteten die Apostel,
und ihr baut ihnen zu Ehren Kapellen auf; indes ihr zugleich,
wenn ein Prophet oder ein Apostel unter euch kommt, eure Häuser
vor ihm verschließt, sobald er bezeugt, was Gott ihm zu zeugen
gesandt hat; denn ihr sagt: Es kommen keine Propheten oder
Apostel mehr auf Erden, und ihr erklärt ihn sogleich für einen
falschen Propheten; und wenn sich Pöbelhaufen gegen ihn erheben
und ihn töten oder sein Haus niederbrennen oder sein Hab und
Gut vernichten, so werdet ihr euch entweder freuen oder schweigen
–   126   –

und der Tat Vorschub leisten und vielleicht schreien: Falsche Pro-
pheten; während von eurer Presse und euren Kanzeln alle nur
erdenklichen Lügen über uns ausgesprengt werden. Wehe euch,
ihr Priester, Pharisäer und Heuchler; doch füllt das Maß eurer
Väter voll, denn wie sie handelten, so handelt ihr auch. Rache
kommt Gott zu. Er wird schnell seine Auserwählten rächen, die
Tag und Nacht zu ihm schreien.
Doch wir kehren wieder zurück zu dem Gegenstand der Offen-
barungen. „Es ist nichts verborgen, das nicht offenbar werde,
und ist nichts heimlich, das man nicht wissen werde.“ Dies war
ein Grundsatz des Heilandes. Und ferner: „Die Erde wird voll
sein von der Erkenntnis des Herrn, wie Wasser das Meer bedeckt.“
Ich frage nun, wie dieser große Umsturz vor sich gehen
soll? Ich weiß diese Frage nicht besser zu beantworten, als daß
ich die Prophezeiung Nephis aus dem Buche Mormon (II. Nephi
29:11–14) anführe: „Denn ich befehle allen Menschen, sowohl
im Osten als im Westen, und im Norden und im Süden und auf
den Inseln des Meeres, daß sie die Worte schreiben sollen, welche
ich zu ihnen rede, denn aus den Büchern, die geschrieben werden
sollen, will ich die Welt richten, einen jeden nach seinen Werken,
nach dem, was geschrieben ist; denn sehet, ich werde zu den Juden
reden, und sie werden es schreiben; und ich werde auch zu den
Nephiten sprechen, und sie werden auch schreiben; und ich werde
auch zu den andern Stämmen des Hauses Israel, die ich hinweg-
geführt habe, reden, und sie werden es schreiben; und ich werde
zu allen Völkern der Erde reden, und sie werden es schreiben.
und es wird geschehen, daß die Juden die Worte der Nephiten
haben werden, und die Nephiten werden die Worte der Juden
haben; und die Nephiten und die Juden werden die Worte der
verlornen Stämme Israels haben, und die verlornen Stämme
Israels werden die Worte der Nephiten und der Juden haben.
Und es wird geschehen, daß mein Volk, das vom Hause Israel
ist, zu den Ländern seines Eigentums heimgeführt werden soll,
und mein Wort soll auch in eins zusammengebracht werden, und
die, welche gegen mein Wort und gegen mein Volk, das vom
Hause Israel ist, kämpfen, denen will ich zeigen, daß ich Gott
bin und mit Abraham ein Bündnis gemacht habe, seiner Nach-
kommen immer und ewig zu gedenken.“

____________
–   127   –

Kapitel 7.
Der Unterschied zwischen der Lehre Christi und den falschen
Lehren unsres Jahrhunderts.
„Wer übertritt, bleibet nicht in der Lehre Christi, der
hat keinen Gott; wer in der Lehre Christi bleibet, der hat beide,
den Vater und den Sohn.“ 2. Johannes, 9.

Die Lehre Christi. Die Lehren der Menschen.
„Die Zeichen aber, die da folgen
werden denen, die da glauben, sind
die:“
Denen, die da glauben, werden
keine Zeichen folgen, denn man hat
sie   abgeschafft   und   bedarf   ihrer
nicht länger.
„In meinem Namen werden sie
Teufel austreiben, mit neuen Zungen
reden.“
In seinem Namen werden sie keine
Teufel austreiben. Die Gabe der
Zungen braucht man nicht mehr.
„Schlangen vertreiben, und so sie
etwas Tödliches trinken, wird es
ihnen nicht schaden; auf die Kran-
ken werden sie die Hände legen, so
wird es besser mit ihnen werden.“
Wenn sie Schlangen vertreiben
wollen, so werden sie gebissen wer-
den; so sie etwas Tödliches trinken,
so werden sie sterben; auf die Kran-
ken werden sie die Hände nicht legen,
und wenn sie es tun, so wird es
nicht besser mit ihnen werden.
„Wer an mich glaubt, der wird
die Werke auch tun, die ich tue;
und wird größere denn diese tun,
denn ich gehe zum Vater.“
Wer an Christum glaubet, wird
weder Wunder noch mächtige Werke
tun, wie er, denn solche Dinge
haben aufgehört.
„Es ist nichts verborgen, das
nicht offenbar werde; und ist nichts
heimlich, das man nicht wissen
werde.“
Es finden keine Offenbarungen
mehr statt, denn alles Nötige ist
schon offenbart.
„Er wird senden seine Engel mit
hellen Posaunen; und sie werden
sammeln seine Auserwählten von
den vier winden, von einem Ende
des Himmels zu dem andern.“
Es gibt keine dienenden Engel
mehr, denn solche Dinge sind ab-
geschafft.
„Und ich sah einen Engel fliegen
mitten durch den Himmel, der hatte
ein ewig Evangelium, zu verkündi-
gen denen, die auf Erden sitzen und
wohnen, und allen Heiden usw.“
Engel erscheinen nicht mehr in
dieser aufgeklärten Zeit, weil man
ihrer nicht länger bedarf.
–   128   –

Die Lehre Christi. Die Lehren der Menschen.
„Wenn aber jener, der Geist der
Wahrheit, kommen wird, der wird
euch in alle Wahrheit leiten; was
zukünftig ist, wird er euch verkün-
digen.“
In diesem Zeitalter der Gelehr-
samkeit und Zivilisation braucht
man keine Inspiration mehr, und
sie wird auch nicht verkündigen, was
zukünftig ist, denn sonst müßte es
Propheten geben, und Propheten
gibt es heutzutage nicht mehr.
„So ihr in mir bleibet, und meine
Worte in euch bleiben, werdet ihr
bitten, was ihr wollet, und es wird
euch widerfahren.“
So ist es nicht mehr heutzutage,
wir   dürfen   nicht   erwarten,   daß
wir Kranke heilen und Wunder tun
können, folglich dürfen wir auch
nicht erwarten, daß uns das wider-
fahren wird, um was wir bitten
werden.
„Vater, ich bitte aber nicht allein
für sie, sondern auch für die, so
durch ihr Wort an mich glauben
werden; auf daß sie alle eins sein,
gleich wie wir eins sind.“
Wir sind alle gute Christen und
glauben alle an Ihn durch die Worte
der Apostel, obgleich wir in einige
hundert verschiedene Sektionen ge-
teilt sind.
„Ein Herr, ein Glaube, eine
Taufe.“
Viele Herren, viele Glauben, und
drei oder vier verschiedene Arten
zu taufen.
„Denn wir sind durch einen Geist
alle zu einem Leibe getauft.“
Und durch viele Geister sind wir
alle in verschiedene Leiber geteilt.
„Und er hat etliche zu Aposteln
gesetzt, etliche aber zu Propheten,
etliche zu Evangelisten, etliche zu
Hirten und Lehrern, daß die Heili-
gen zugerichtet werden zum Werke
des Amts, dadurch der Leib Christi
erbauet werde.“
Es sollen keine Propheten und
Apostel mehr sein. Das Werk des
Amtes, die Zurichtung der Heiligen
und die Erbauung der verschiedenen
Leiber Christi kann ganz gut ohne
diese Gaben Gottes getan werden,
nur gebe man uns Geld genug, um
den Menschen zu bilden und seine
Weisheit anzuwenden.
„Diese Gaben und Ämter sollen
bestehen, bis daß wir alle hinan-
kommen zu einerlei Glauben und
Erkenntnis des Sohnes Gottes, und
ein vollkommener Mann werden, der
da sei in dem Maße des vollkom-
menen Alters Christi.“
Apostel, Wunder und Gaben soll-
ten nur zur Zeit der ersten Christen
bestehen und dann aufhören, weil
man ihrer nicht länger bedarf, da
sie ihren Zweck erfüllt haben.
–   129   –

Die Lehre Christi. Die Lehren der Menschen.
„Jene Gaben und Ämter waren
gegeben, auf daß wir nicht Kinder
seien, und uns wägen und wiegen
lassen von allerlei Wind der Lehre
durch Schalkheit der Menschen und
Täuscherei, damit sie uns erschleichen
zu verführen.“
Theologische Abhandlungen, Sek-
ten, Predigten und Kommentare
nicht inspirierter Männer und eine
gedungene Priesterschaft können
jetzt allein verhindern, daß sich die
Menschen von allerlei Wind der
Lehre wiegen lassen.
„Und niemand nimmt sich selbst
die Ehre, sondern der wird berufen
sein von Gott, gleichwie Aaron.“
Und niemand nimmt ihm selbst
die Ehre, sondern der dieses Fach
studiert hat und von den Menschen
beauftragt worden ist.
„Wie sollen sie aber predigen,
wo sie nicht gesandt werden (von
Gott)?“
Wie sollen sie predigen, wenn sie
nicht dieses Fach studiert haben
(und von der geistlichen Behörde
gesandt sind)?
„Ist jemand krank, der rufe zu
sich die Ältesten von der Gemeine,
und lasse sie über sich beten, und
salben mit Öl in dem Namen des
Herrn. Und das Gebet des Glaubens
wird dem Kranken helfen, und der
Herr wird ihn aufrichten; und so
er hat Sünden getan, werden sie
ihm vergeben sein.“
Ist jemand krank, der rufe die
Ältesten von der Gemeinde nicht zu
sich, oder wenn die Ältesten kommen,
so lasse er sich weder die Hände
von ihnen auflegen, noch sich salben
mit Öl im Namen des Herrn, denn
das ist alles Mormonen-Täuschung;
sondern schickt nach einem guten
Arzt, und dann könnt ihr vielleicht
besser werden.
„Tut Buße, und lasse sich ein
jeglicher taufen auf den Namen Jesu
Christi, zur Vergebung der Sünden,
so werdet ihr empfangen die Gabe
des Heiligen Geistes. Denn euer
und eurer Kinder ist diese Ver-
heißung, und aller, die ferne sind,
welcher Gott, unser Herr, herzurufen
wird.“
Tut Buße und kommt zu der Buß-
bank, ein jeglicher, und schreit: Herr,
Herr, und vielleicht werden euch die
Sünden vergeben werden, ihr mögt
getauft sein oder nicht; doch wenn
ihr getauft seid, so werdet ihr nicht
den Heiligen Geist empfangen, wie
vor alten Zeiten, denn solche Dinge
haben aufgehört.
„Und soll geschehen in den letzten
Tagen, spricht Gott, ich will aus-
gießen von meinem Geist auf alles
Fleisch; und eure Söhne und eure
Töchter sollen weissagen, und eure
Jünglinge sollen Gesichte sehen, und
eure Ältesten sollen Träume haben
usw.“
Und in diesen letzten Tagen wird
der Herr seinen Geist nicht aus-
gießen, so daß unsre Söhne und
Töchter weissagen, unsre Ältesten
Träume haben, und unsere Jünglinge
Gesichte haben werden: denn solche
Dinge braucht man nicht länger, es
ist nichts als Täuschung, woran nur
der Unwissende glaubt.
–   130   –

Die Lehre Christi. Die Lehren der Menschen.
„Strebet aber nach den besten
Gaben, am meisten aber, daß ihr
weissagen möget.“
Strebet nicht nach den übernatür-
lichen Gaben, und hütet euch vor-
züglich zu prophezeien, denn solche
Dinge haben aufgehört.
„Fleißiget euch des Weissagens,
und wehret nicht, mit Zungen zu
reden.“
Prophezeiet nicht und redet nicht
mit Zungen, denn es ist nur eine
Täuschung.
„Aber vergeblich dienen sie mir,
dieweil sie lehren solche Lehren, die
nichts denn Menschengebote sind.“
Es kommt nicht darauf an, welche
Lehre ein Mensch hat oder zu wel-
cher Religion er sich bekennt, wenn
er nur aufrichtig ist und Jesum
Christum anbetet.
„Ich preise dich, Vater, Herr des
Himmels und der Erde, daß du
solches den Weisen und Klugen ver-
borgen hast, und hast es den Un-
mündigen geoffenbaret. Ja, Vater,
denn es ist also wohlgefällig ge-
wesen vor dir.“
Wir danken Gott, daß er während
vieler hundert Jahre nichts geoffen-
baret hat, weder den Weisen noch
den Klugen, sondern daß unsre Wei-
sen und Gelehrten imstande waren,
Gott ohne Offenbarung zu erkennen,
und daß wir überhaupt keine mehr
haben werden.
„Und niemand weiß, wer der
Sohn sei, denn nur der Vater, noch
wer der Vater sei, denn nur der
Sohn, und welchem es der Sohn
will offenbaren.“
Wir alle kennen Gott in der
jetzigen aufgeklärten Zeit, und doch
hat uns weder der Vater noch der
Sohn etwas offenbart, denn wir
glauben nicht mehr, daß noch Offen-
barungen nötig sind.
„Das ist aber das ewige Leben,
daß sie dich, der du allein wahrer
Gott bist, und, den du gesandt hast,
Jesum Christum, erkennen.“
Heutzutage können wir es nicht
allein wissen durch eine bestimmte
Offenbarung, sondern wir müssen
uns auf die Weisheit und Gelehr-
samkeit der Menschen verlassen.
„Ich danke meinem Gott allezeit
eurethalben für die Gnade Gottes,
die euch gegeben ist in Christo Jesu,
daß ihr seid durch ihn an allen
Stücken reich gemacht, an aller Lehre
und in aller Erkenntnis. Wie denn
die Predigt von Christo (der Geist
der Prophezeiung) in euch kräftig
geworden ist. Also daß ihr keinen
Mangel habt an irgendeiner Gabe,
und wartet nur auf die Offenbarung
unseres Herrn Jesu Christi.“
Wir danken immer Gott wegen der
jetzigen Kirche, daß ihr keine über-
natürlichen Gaben verliehen sind und
daß sie von Christo weder an aller
Lehre noch an aller Erkenntnis reich
gemacht worden ist; auch ist nicht die
Predigt von Jesu (der Geist der
Prophezeiung) in ihr bekräftigt und
sie hat Mangel an allen Gaben; auch
wartet oder hofft sie nicht auf die
Offenbarung des Herrn, denn es ist
einmal gekommen; und wird erst
am großen und letzten Tage, dem
Ende der Erde, wiederkommen.
–   131   –

Die Lehre Christi. Die Lehren der Menschen.
„Die göttliche Torheit ist weiser,
denn die Menschen sind; und die
göttliche Schwachheit ist stärker,
denn die Menschen sind. Sehet an,
lieben Brüder, euern Beruf, nicht
viele Weise nach dem Fleische, nicht
viele Edle sind berufen. Sondern
was töricht ist vor der Welt, das hat
Gott erwählet, daß er die Weisen
zuschanden mache, und was schwach
ist vor der Welt, das hat Gott er-
wählet, daß es zuschanden mache,
was stark ist; und das Unedle vor
der Welt, und das Verachtete hat
Gott erwählet, und das da nichts
ist, daß er zunichte mache, was etwas
ist, auf daß sich vor ihm kein Fleisch
rühme.“
Die Weisheit und Gelehrsamkeit
der Menschen ist besser als die In-
spiration des Allmächtigen, weil
man ihrer nicht länger bedarf; sehet
an euern Beruf, lieben Brüder.
Nur die Weisen und Gelehrten,
Edlen und Gewaltigen werden heut-
zutage berufen; denn wir haben
solche erwählt, um die Toren, Un-
gebildeten und Unwissenden zuschan-
den zu machen, um das Schwache
vor der Welt, das, was verachtet
war, zuschanden zu machen, auf daß
sich vor ihm das Fleisch rühme.
„Und ich, lieben Brüder, da ich
zu   euch   kam,   kam   ich   nicht   mit
hohen Worten oder hoher Weisheit,
euch   zu   verkünden   die   göttliche
Predigt. Denn ich hielt mich nicht
dafür, daß ich etwas wüßte unter
euch, ohne allein Jesum Christum,
den Gekreuzigten. Und ich war bei
euch mit Schwachheit und mit Furcht,
und mit großem Zittern. Und mein
Wort und meine Predigt war nicht
in vernünftigen Reden menschlicher
Weisheit, sondern in Beweisung des
Geistes und der Kraft. Auf daß
euer Glaube bestehe nicht auf Men-
schenweisheit, sondern auf Gottes
Kraft.“
Und wir, lieben Brüder, da wir
zu euch kamen, kamen wir mit hohen
Worten und mit der Weisheit und
Gelehrsamkeit der Menschen; und
unser Wort und unsre Predigt war
in vernünftigen Reden menschlicher
Weisheit und nicht in Beweisung
des Geistes und der Kraft, denn das
hat aufgehört. Auf daß unser Glaube
bestehe nicht auf Gottes Kraft, son-
dern auf Menschenweisheit.
„Sondern wir reden von der
heimlichen, verborgenen Weisheit
Gottes, die Gott verordnet hat vor
der Welt, zu unserer Herrlichkeit,
welche keiner von den Obersten
dieser Welt erkannt hat; denn wo
sie die erkannt hätten, hätten sie
den Herrn der Herrlichkeit nicht ge-
kreuziget.“
Sondern wir reden von der heim-
lichen, verborgenen Weisheit der
Menschen, welche nur die Gelehrten
erkannten; denn wo es andere ge-
kannt hätten, so hätten wir es ihnen
nie zu sagen brauchen.
–   132   –

Die Lehre Christi. Die Lehren der Menschen.
„Uns aber hat es Gott geoffen-
baret durch seinen Geist. Denn der
Geist erforschet alle Dinge, auch die
Tiefen der Gottheit.“
Uns aber hat Gott nichts ge-
offenbaret durch seinen Geist. Denn
die Weisheit und Gelehrsamkeit der
Menschen erforschet alle Dinge, ja,
alle   die   Tiefen,   die   wir   kennen
müssen.
„Denn welcher Mensch weiß, was
im Menschen ist, ohne der Geist des
Menschen, der in ihm ist? Also
auch weiß niemand, was in Gott
ist, ohne der Geist Gottes.“
Denn welcher Mensch weiß, was
im Menschen ist, ohne der Geist des
Menschen, der in ihm ist? Also
weiß auch heutzutage niemand durch
den Geist Gottes, was in Gott ist,
denn das hat aufgehört, er offenbart
nichts mehr.
„Wir aber haben nicht empfangen
den Geist der Welt, sondern den
Geist aus Gott, daß wir wissen
können,   was   uns   von   Gott   ge-
geben ist.“
Wir aber haben nicht empfangen
den Geist aus Gott, sondern den
Geist der Welt, daß wir nichts ge-
wiß wissen, sondern nur erraten
oder unsre Meinung geben können
von den Dingen Gottes.
„Welches wir auch reden, nicht
mit Worten, die menschliche Weis-
heit lehren kann, sondern mit Wor-
ten, die der Heilige Geist lehret, und
richten geistliche Sachen geistlich.“
Welches wir auch reden, nicht
mit Worten, die der Heilige Geist
lehren kann; sondern mit Worten,
die menschliche Weisheit lehret;
denn die Inspiration durch den
Heiligen Geist hat aufgehört.
„Der natürliche Mensch aber ver-
nimmt nichts von Geiste Gottes.
Es ist ihm eine Torheit, und kann
es nicht erkennen; denn es muß
geistlich gerichtet sein.“
Der gelehrte Mensch aber kann
den Geist Gottes vernehmen und
verstehen mit seiner eigenen Weis-
heit, ohne Inspiration durch den
Heiligen Geist; denn wer wird noch
so töricht sein und in dieser reli-
giösen Zeit an Gesichte und Offen-
barungen glauben?
„Niemand betrüge sich selbst.
Welcher sich unter euch dünkt, weise
zu sein, der werde ein Narr in die-
ser Welt, daß er möge weise sein.“
Niemand betrüge sich selbst.
Welcher sich unter euch dünkt weise
zu sein in den Dingen Gottes, der
suche die Weisheit der Menschen
zu erlangen, daß er möge weise
sein.
–   133   –

Die Lehre Christi. Die Lehren der Menschen.
„Denn dieser Welt Weisheit ist
Torheit bei Gott. Denn es stehet
geschrieben: Die Weisen erhaschet
er in ihrer Klugheit. Und abermal:
Der Herr weiß der Weisen Gedanken,
daß sie eitel sind. Darum rühme
sich niemand eines Menschen.“
Denn die Weisheit Gottes ist
Torheit bei der Welt. Denn es
steht geschrieben: Bildet die jungen
Männer zum Predigeramt heran.
Und abermal: Laßt keinen predigen,
der nicht dieses Fach studiert hat;
und vorzüglich nehmt den nicht auf,
der bekennt, inspiriert zu sein.
„Von den geistlichen Gaben aber
will ich euch, lieben Brüder, nicht
verhalten.“
Von den geistlichen Gaben aber
wollen wir euch, lieben Brüder,
ganz verhalten, denn heutzutage
sind sie ganz überflüssig.
„In einem jeglichen erzeigen sich
die Gaben des Geistes zum gemei-
nen Nutzen.“
In einem jeglichen zeigen sich die
Gaben des Geistes zu gar keinem
Nutzen.
„Einem wird gegeben, durch den
Geist zu reden von der Weisheit;
dem andern wird gegeben, zu reden
von der Erkenntnis, nach demselbi-
gen Geiste.“
Einem wird gegeben, durch die
Gelehrsamkeit der Menschen, zu
reden von der Weisheit; dem andern
wird gegeben, zu reden von der
Erkenntnis, durch die Gelehrsamkeit
der Menschen.
„Einem andern der Glaube, in
demselbigen Geiste; einem andern
die Gaben, gesund zu machen, in
demselbigen Geiste.“
Einem andern der Glaube, in
demselbigen Geiste; aber einem die
Gabe, gesund zu machen, in dem-
selbigen Geiste.
„Einem andern, Wunder zu tun;
einem andern Weissagung; einem
andern, Geister zu unterscheiden;
einem andern mancherlei Sprachen;
einem andern, die Sprachen auszu-
legen.“
Keinem ist gegeben, Wunder zu
tun; keinem Weissagung; keinem,
Geister zu unterscheiden; keinem
mancherlei Sprachen; keinem, die
Sprachen auszulegen.
„Denn gleichwie ein Leib ist und
hat doch viele Glieder; alle Glieder
aber eines Leibes, wiewohl ihrer
viele sind, sind sie doch ein Leib,
also auch Christus.“
Denn gleichwie der Leib aus
vielen Sekten und Parteien besteht,
die miteinander streiten und keine
Gaben haben, und wiewohl viele
Sekten sind und doch einen Leib
bilden, also auch der Antichrist.
–   134   –

Die Lehre Christi. Die Lehren der Menschen.
„Denn wir sind durch einen Geist
alle zu einem Leibe getauft, wir
seien Juden oder Griechen, Knechte
oder Freie, und wir sind alle zu
einem Geiste getränket.“
Denn wir sind durch viele Geister
alle   zu   vielen   Leibern   getauft,
wir seien Katholiken, Protestanten,
Presbyterianer oder Methodisten,
und sind alle zu einem Geiste ge-
tränket, nämlich zum Geiste der Welt.
„Denn auch der Leib ist nicht ein
Glied, sondern viele.“
Denn auch der Leib ist nicht eine
Sekte, sondern viele.
„Nun aber hat Gott die Glieder
gesetzt, ein jegliches sonderlich am
Leibe, wie er gewollt hat.“
Nun aber hat der Gott (dieser
Welt) die Sekten und Parteien am
Leibe des Antichristen gesetzt, wie
er gewollt hat.
„So aber alle Glieder ein Glied
wären, wo bliebe der Leib.“
So aber alle Sekten eine Sekte
wären, wo bliebe der Leib?
„Nun aber sind der Glieder viele,
aber der Leib ist einer.“
Nun aber sind der Sekten viele,
aber der Leib ist einer (nämlich
Babylon).
„Ihr seid aber der Leib Christi,
und Glieder, ein jeglicher nach sei-
nem Teile.“
Ihr seid aber der Leib des Anti-
christen, und Glieder, ein jeglicher
nach seinem Teile.
„Und Gott hat gesetzt in der Ge-
meine aufs erste die Apostel, aufs
andre die Propheten, aufs dritte die
Lehrer, darnach die Wundertäter,
darnach   die   Gaben,   gesund   zu
machen, Helfer, Regierer, mancherlei
Sprachen.“
Und der Mensch hat gesetzt in
der Gemeinde aufs erste die ge-
dungenen Priester, aufs andre die
geistlichen Behörden, aufs dritte die
Traktate, darnach die Kommentare,
Sekten, mancherlei Meinungen;
dann Gesellschaften und wunderbare
Helfer.
„Selig seid ihr, wenn euch die
Menschen um meinetwegen schmähen
und verfolgen und reden allerlei
Übels wider euch, so sie daran lügen.
Seid fröhlich und getrost, es wird euch
im Himmel wohl belohnet werden.
denn also haben sie verfolget die
Propheten, die vor euch gewesen sind.“
Wehe euch, wenn euch die Men-
schen um Christi willen schmähen
und verfolgen und reden allerlei
Übels wider euch, so sie daran lügen.
Dann seid traurig und betrübt, es
wird euch unter den Menschen wenig
belohnt werden. Denn also verfolgen
sie die Heiligen der letzten Tage.
„Gib dem, der dich bittet; und
wende dich nicht von dem, der dir
abborgen will.“
Gib dem, der dich bittet, wenn
er dir ein ähnliches Geschenk machen
kann; und wende dich nicht von dem,
der dir abborgen will, wenn er es dir
mit guten Zinsen wiedergeben kann.
–   135   –

Die Lehre Christi. Die Lehren der Menschen.
„Darum sollt ihr vollkommen sein,
gleichwie euer Vater im Himmel
vollkommen ist.“
Denkt nicht daran, vollkommen zu
sein, denn es ist unmöglich, ohne
Sünden zu leben.
„Habt acht auf eure Almosen, daß
ihr die nicht gebet vor den Leuten,
daß ihr von ihnen gesehen werdet;
ihr habt anders keinen Lohn bei
eurem Vater im Himmel.“
Habt acht auf eure Almosen, daß
ihr die gebet vor den Leuten, daß
ihr von ihnen gesehen werdet; ihr
habt anders keinen Lohn noch Lob
bei den Menschenkindern.
„Wenn du nun Almosen gibst, sollst
du nicht lassen vor dir posaunen,
wie die Heuchler tun in Schulen
und auf den Gassen, auf daß sie
von den Leuten gepriesen werden.
Wahrlich, ich sage euch: Sie haben
ihren Lohn dahin.“
Wenn du nun Almosen gibst, sollst
du es in die öffentlichen Blätter
setzen lassen, auf daß du von der
Welt gepriesen werdest. Wahrlich,
ich sage dir: du hast deinen Lohn
dahin.
„Und wenn du betest, sollst du
nicht sein wie die Heuchler, die da
gerne   stehen   und   beten   in   den
Schulen und an den Ecken auf den
Gassen, auf daß sie von den Leuten
gesehen werden. Wahrlich, ich sage
euch: Sie haben ihren Lohn dahin.“
Und wenn du betest, sollst du
sein wie die Heuchler vor Zeiten,
die da mitten unter die Leute gehen
und ungemein schreien, während sie
nicht hoffen, erhört zu werden und
eine Antwort zu erhalten, denn das
würde ein Wunder sein, und Wun-
der haben aufgehört.
„Wenn ihr fastet, sollt ihr nicht
sauer sehen wie die Heuchler; denn
sie verstellen ihre Angesichter, auf
daß sie vor den Leuten scheinen mit
ihrem Fasten. Wahrlich, ich sage
euch, sie haben ihren Lohn dahin.“
Wenn ihr fastet, sollt ihr sauer
sehen wie die Heuchler, auf daß ihr
scheinet mit euerm Fasten; auf daß
ihr euern Lohn erhaltet.
„Ihr sollt euch nicht Schätze sam-
meln auf Erden, da sie die Motten
und der Rost fressen und da die
Diebe nachgraben und stehlen.“
  „Sammelt euch aber Schätze im
Himmel, da sie weder Motten noch
Rost fressen und da die Diebe nicht
nachgraben, noch stehlen. Denn
wo euer Schatz ist, da ist auch euer
Herz.“
Ihr sollt euch Schätze im Über-
fluß sammeln auf Erden, da sie die
Motten und der Rost fressen und da
die Diebe nachgraben und stehlen;
wenn nun euer Herr im Himmel ist,
so kommt es nicht darauf an, wie
reich ihr auf dieser Welt seid; denn
jetzt ist die Zeit da, wo ihr Gott
und dem Mammon dienen könnt.
–   136   –

Die Lehre Christi. Die Lehren der Menschen.
„Alles nun, was ihr wollet, das
euch die Leute tun sollen, das tut
ihr ihnen: das ist das Gesetz und
die Propheten.“
Alles nun, was euch die Leute
tun, das tut ihr ihnen; das ist das
Gesetz und der Gebrauch.
„Gehet ein durch die enge Pforte.
Denn die Pforte ist weit und der
Weg ist breit, der zur Verdammnis
abführet; und ihrer sind viele, die
darauf wandeln.“
Gehet ein durch die weite Pforte,
wo die meisten wandeln; denn un-
möglich können alle unsere großen
und gelehrten Männer unrecht haben
und nur einige und wenig bekannte
Leute auf dem rechten Wege sein.
„Und die Pforte ist enge und
der Weg ist schmal, der zum Leben
führet; und wenige sind ihrer, die
ihn finden.“
Denn der schmale Weg ist nicht
nur gänzlich zu enge, sondern es
wandeln auch sehr wenige darauf.
„Sehet euch vor, vor den falschen
Propheten, die in Schafskleidern zu
euch kommen, inwendig aber sind
sie reißende Wölfe. An ihren Früch-
ten sollt ihr sie erkennen. Kann man
auch Trauben lesen von den Dornen,
oder Feigen von den Disteln?“
Sehet euch vor, vor den Prophe-
ten, die mit dem Worte Gottes zu
euch kommen: ihr könnet sie sogleich
als falsche erkennen, ohne sie erst
zu hören oder ihre Früchte zu unter-
suchen; die öffentliche Meinung ist
gegen sie; wenn sie dagegen Männer
Gottes wären, so würden die Leute
Gutes von ihnen reden.
„Darum an ihren Früchten sollt
ihr sie erkennen. Es werden nicht
alle, die zu mir sagen: Herr, Herr!
in das Himmelreich kommen, son-
dern die den Willen tun meines
Vaters im Himmel.“
Wenn wir nur gewiß sind, daß
wir eine gangbare Religion haben
und oft beten, so werden wir selig,
wir mögen den Willen des Herrn
tun oder nicht; denn es macht nichts
aus, zu welcher Religion wir uns
bekennen, sie mag wahr oder falsch
sein, wenn wir nur aufrichtig sind.
„Und es begab sich, da Jesus
diese Rede vollendet hatte, entsetzte
sich das Volk über seine Lehre.
Denn er predigte gewaltig und nicht
wie die Schriftgelehrten.“
Und es begab sich, da die Men-
schen diese Rede vollendet hatten,
gefielen dem Volke ihre Lehren, denn
sie predigten nicht gewaltig, sondern
wie die Schriftgelehrten.

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