Die Lehren über die Gottheit bilden einen zentralen Bestandteil der
Lehre der Kirche. Deshalb sind sie in unserer Betrachtung sehr wichtig. Historiker und
Kritiker sagen, die Gotteslehre habe sich in den ersten fünfzehn Jahren vom
Monotheismus zum Polytheismus entwickelt. Obwohl im Buch Mormon (d.h. im Original von 1830)
nur von einem Gott die Rede ist und die Dreieinigkeit unter den Mitgliedern anerkannt
wurde, war noch zu Lebzeiten Joseph Smiths von drei Personen der Gottheit die Rede, und
heute glaubt die Kirche an eine unendliche Anzahl von Göttern.
Welche Auffassung finden wir in diesem Werk aus der Mitte dieser
Entwicklungsperiode? Die Gottheit bestehe aus zwei Personen Vater und Sohn. Das
steht zunächst nicht im direkten Widerspruch zur heutigen Lehre, jedoch klingt es
bereits etwas merkwürdig. Daß der heilige Geist der Wille von Vater und Sohn
sei, zeigt hingegen deutlich den Unterschied zur heutigen Lehrmeinung, da ein Wille
unmöglich eine Person sein kann. Demzufolge ist die durchgängige Kleinschreibung
auch kein Fehler, sondern volle Absicht. Die Dreieinigkeit wird ebenfalls in einer so
deutlichen Klarheit bestätigt, daß selbst heutige Interpretation mit dieser
Stelle ihre Schwierigkeiten haben dürfte. Dieses Buch bestätigt die Entwicklung
des Gottesbildes, wie sie von Kritikern der Kirche vorgetragen wird.
Daß der Sohn ewig in der Gegenwart des Vaters war und sein exaktes
Ebenbild ist, ist noch heute in der (tiefen) Kirchenlehre verankert.
Jesu Empfängnis wird ebenfalls anders dargestellt. Hier ist noch die
Rede von der Empfängnis durch den heiligen Geist (dem Willen von Vater und Sohn).
Heute wird von der Überschattung durch den Heiligen Geist (einer Person) und dem
darauf folgenden körperlichen Akt durch den Vater gesprochen.