Letzte Aktualisierung: 19. Juni 2003

Das Feature

Schulterschluss der Sekten

Der Ökumenische Kirchentag in Berlin ist nicht nur Treffpunkt der christlichen Kirchen, auch nichtökumenische Religionsgemeinschaften machen auf sich aufmerksam, oftmals als Zeichen eines Protests. Solche Randerscheinungen sind schon obligatorisch für jede Großveranstaltung und fallen daher nur noch selten auf. Doch wenn für den Protest „unheilige“ Allianzen geschlossen werden, dann ist diesen unsere ungeteilte Aufmerksamkeit sicher.

Zwischen den als Sekten zu bezeichnenden Religionsgemeinschaften herrscht üblicher Weise ein harter Konkurrenzkampf. Da geht es um die Anwerbung möglichst vieler neuer Mitglieder, um den Erwerb der größten staatlichen Vergünstigungen oder um das möglichst großflächige Verteilen eigener Literatur. Der Ausbau der Marktanteile ist dabei ein harter Wettbewerb.

Das einfache Mitglied solcher Gruppen wird von seiner Führung darin bestärkt, dass nur innerhalb der Gruppe die vollständige Wahrheit gefunden werden kann. Die solcher Maßen fanatisierten Anhänger sehen daher in allen anderen Weltanschauungen das Wirken des Bösen, das die Wahrheit zu vernichten sucht. Das trifft auf die Atheisten und die Weltreligionen, ganz besonders aber auf missionarisch ebenfalls sehr aktiven „Sekten“ zu, wozu selbstverständlich alle außer der eigenen Gemeinschaft zählen.

Die Führungen dieser Sekten bestehen im Allgemeinen nicht aus Fanatikern. Sie betrachten daher einander nicht als Konkurrenten, sondern als Mitbewerber am Markt der religiösen Wahrheits- oder Gemeinschaftssuche. Man teilt den Markt unter sich auf und verteidigt ihn gegen Angriffe von außen. Diese Verbindungen müssen nicht nur nach außen hin unauffällig bleiben, auch die eigenen Anhänger sollten davon nichts mit bekommen. Treffpunkte wie die CESNUR-Konferenz 2002 in Utah geben davon jedoch ein sichtbares Zeugnis. Ein älteres Beispiel ist die erste deutschsprachige Präsens der HLT-Mormonen im Internet, die inoffizielle HLT-Homepage in Österreich, die sogar schon vor dieser Webseite existierte; sie ist bis heute auf dem gleichen Server untergebracht, der für Informationen der Mun-Sekte bekannt ist.

Für die Zusammenarbeit ist es sehr hilfreich, ein Feindbild zu haben. Der gemeinsame Feind sind in unseren Breiten hautptsächlich die Großkirchen, denn sie sind überall vertreten, einflussreich und äußern sich kritisch über die Sekten. Dieser Feind, zur Ökumene zusammengeschlossen, feiert an diesem Wochenende den Kirchentag, ein Spektakel ungeheuren Ausmaßes. Grund genug, dem erklärten Feind paroli zu bieten.

Die Allianz, die geschmiedet wurde, besteht aus HLTs, Ahmadis und Munies. Dieses Flugblatt wurde auf den Berliner Straßen verteilt. Sein Text lautet: „Im Namen der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, der Ahmadiyya Muslim Gemeinde und der Vereinigungskirche – Euch allen einen gesegneten Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin!“ So weit ist das ja noch ganz nett, es stellt sich nur die Frage, was die HLTs dazu bewegen könnte, sich überhaupt um den Kirchentag zu kümmern. Man möchte fast nicht glauben, dass dies tatsächlich von der HLT-Kirche ausgehen sollte.

„Aber bitte denkt, während ihr feiert, daran, dass es in Deutschland viele religiöse Minderheiten gibt, die von der Katholischen und Evangelischen Kirche diskriminiert werden, verleumdet werden, lächerlich gemacht werden.“ Hier ist nun also der Schlag gegen den Feind, ein Schlag voll unter die Gürtellinie, denn für diese dreiste und ehrrührige Behauptung wird nicht der geringste Beweis erbracht. Wo sollen gerade die HLT-Mormonen diskriminiert und verleumdet werden? Wo gerade von den Großkirchen? Diskriminierung ist verboten und gegen Verleumdung kann man klagen. Gerade die HLT-Kirche gebraucht und missbraucht sogar das deutsche Rechtssystem, um sich ihrer Kritiker zu entledigen. Wann hat sie zuletzt eine Großkirche wegen Verleumdung verklagt? Das hier zur Schau gestellte Leiden kann man aller Bestens noch als unehrlich bezeichnen.

„Schließt diese Menschen mit ein in eure Ökumene - und erst dann werdet ihr ein Segen sein.“ Wie bitte? Jede mit der HLT-Lehre vertraute Person wird spätestens hier ungläubig den Kopf schütteln. Mit subtiler Einschüchterung der Christen wird hier doch tatsächlich die Forderung aufgestellt, die HLTs in die Ökumene einzuschließen. Und dies, obwohl die HLT-Führung ganz genau weiß, dass sie selbst jede ökumenische Annäherung kategorisch ablehnt. Da steht sie beispielsweise im völligen Gegensatz zu dem RLDS-Mormonen, die den ökumenischen Dialog gezielt suchen, wie wie David Trobisch in seinem Buch richtig ausführt. Nur stieß Trobischs dialogorientierter ökumenischer Ansatz bei den HLTs auf heftige Ablehnung. Zu dominant ist der Anspruch auf die alleinige Vertretung göttlichen Willens. Diese Aufforderung kann man daher ebenfalls nur als unehrlich und hinterlistig bezeichnen.

Es folgt eine Aufzählung einiger Schriften von Sektenlobbyisten, die sich gegen Kritik und Aufklärung richten. Besonders auffallend ist die Scientology-Propaganda, die sich scheinbar alle Sekten zueigen machen. Als Verantwortlicher, offenbar im Sinne des Presserechts, gibt sich ein „Überreligiöser Arbeitskreis Berlin“ mit Sitz im Berliner HLT-Pfahlzentrum aus; zwei Namen sind angeführt, wahrscheinlich den Ahmadis und den Munies zuzurechnen. Dieser Arbeitskreis unter offensichtlicher Federführung der HLTs scheint also die hauptsächliche Aufgabe zu haben, die Großkirchen anzugreifen. Warum eine Organisation, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts genau die gleichen Privilegien und Pflichten wie die Großkirchen hat, ein solches Vorgehen als notwendig erachtet, das ist hierbei die große Frage.

Doch dies ist nicht das einzige Flugblatt der unheiligen Allianz, das zum Kirchentag unter den Christen verteilt wurde. Nebenstehend ist ein weiteres solches Flugblatt abgebildet. Es ist betitelt mit „Weltfrieden durch interreligiösen Dialog“. Diese Formulierung klingt sehr nach Mun-Sekte. Nach dem Zitat von Matth. 18:20 wird die Einheit der Sekten beschworen mit den Worten „Im Geiste Gottes vereint 3 Religionsgemeinschaften“ Daran anschließend machen die HLT-Mormonen, die Ahmadis und die Munies bestimmte ungefährliche Lehraussagen, wobei die HLTs auf die Proklamation über die Familie abstellen, so als ob diese etwas besonders Ansprechendes und Erbauendes wäre.

Das Flugblatt ist unterzeichnet mit den beiden Webadressen www.kirche-jesu-christi.org und www.vereinigungskirche.de und ist daher im Zusammenhang mit dem vorher gehenden Flugblatt gesehen auch als authentischen HLT-Ursprungs anzunehmen. Es kann also keinen ernsthaften Zweifel daran geben, dass sich hier drei Sekten zusammen geschlossen haben, um durch massive Unterstellungen den Großkirchen und insbesondere deren gläubigen Anhängern das Erlebnis des Kirchentags zu verderben, nur um sich selbst als arme Opfer des herrschenden Systems darzustellen.

Was ganz speziell die HLT-Kirche zu diesem Schritt bewegt hat, ist absolut nicht nach zu vollziehen, denn diese wird von den Großkirchen in geradezu unglaublich geringem Maße kritisiert. Es ist natürlich klar, dass Sekten mit Absolutheitsanspruch, denen die HLT-Kirche zuzurechnen ist, auch die geringste Kritik als Diskriminierung und Verleumdung empfinden, da sie einen demokratischen Umgang auf Grund ihres Anspruchs nicht als akzeptablen Ansatz betrachten. Jede Kritik am heiligen Orakel ist verboten, eine Diskussion oder gar Annäherung ist daher von vorn herein ausgeschlossen. Auch nur der Wunsch auf ökumenischen Dialog mit solchen Gruppen ist vergeblich, die Forderung danach von diesen Gruppen selbst ist einfach heuchlerisch.

Ergänzung vom 7. Juni 2003
Weitere bei uns eingegangene Berichte über die Flugblatt-Verteilaktion zeigen auf, dass die Flugblätter in leicht unterschiedlichem Satz bei inhaltlicher Gleichheit hergestellt und am Rande mehrerer Kirchentagsveranstaltungen verteilt wurden. Einer der an der Aktion beteiligten Verteiler gab sich selbst als Vertreter der HLT-Kirche aus und wies darauf hin, dass sein Name auf dem Flugblatt genannt würde, wobei er auf den Namen Gernod Kresse auf dem ersten Handzettel deutete.

Unter dessen hat sich die Führung der HLT-Kirche von der Flugblattaktion distanziert. In einem offiziellen Schreiben führt der Öffentlichkeitsbeauftragte für Deutschland Frerich Görts aus: „Es handelt sich hier nicht um eine von der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage initiierte oder unterstützte Maßnahme.“ Ferner kündigte er juristische Maßnahmen gegen die Verantwortlichen an: „Kirchenname, Quellenangabe und Zitate wurden missbraucht. Wir versuchen die Urheberschaft dieses Pamphletes zu ermitteln und gegebenenfalls notwendige rechtliche Schritte einzuleiten.“

Ob die Distanzierung tatsächlich so vehement wie angekündigt umgesetzt wird, ist jedoch fraglich. Wir werden die Vorgänge bezüglich dieser Aktion weiterhin beobachten und darüber berichten.

erste Version veröffentlicht am 30. Mai 2003


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